Gunter Schöbel

Morgens kurz vor 8 Uhr am Bahnhof Uhldingen. Brummend fährt das rote Dieselross am Bahnsteig ein. Alles wird gut. Berlin gibt viele Millionen. In den Neujahrsansprachen war die Rede davon, dass die Bodenseekreise jetzt zuschießen, um die Verbesserung anzuschieben. Doch zuerst einmal gibt es eine Pause und der Zugführer steigt aus, um eine klemmende Tür zu schließen. Das ist die Realität. Zwei Minuten Verlust, was macht das schon.

Gunter Schöbel, Leiter des Pfahlbaumuseums: "Liebe Politiker, gebt uns unsere Bodenseegürtelbahn zurück."
Gunter Schöbel, Leiter des Pfahlbaumuseums: "Liebe Politiker, gebt uns unsere Bodenseegürtelbahn zurück." | Bild: Christel Voith

Nächster Halt Salem und die gefürchtete Lautsprecheransage. Aufgrund einer Streckenstörung werden wir weitere zehn bis 15 Minuten Verspätung haben. Hoffen und Bangen, ob es für den Anschlusszug in Friedrichshafen reicht. Natürlich nicht. Hätte ich doch auf die Ratschläge gehorcht, den Bus und nicht den Zug oder gleich das Auto nach Friedrichshafen zu nehmen. Viele machen das. Manche fahren auch schon um den Bodensee herum über Konstanz nach Lindau, weil es so sicherer ist. So aber steht eine halbe Stunde Warten an.

Der neue, von der Landesregierung hochgelobte gelbe Triebwagen Interregio kommt. Baden-Württemberg bewegt – steht drauf. Doch auch hier ist die Einstiegstür defekt. Schlaue und verzweifelte Mitreisende erklären die Situation. Ich bin extra einen Zug früher gefahren, damit ich rechtzeitig nach Stuttgart komme, sagt einer. Und eine Oma: Heute Morgen stand ich um 5 Uhr in Laupheim am Bahnhof und der Zug kam gar nicht. Jetzt muss ich nach Ulm und dann wieder zurück. Der Interregio hält nicht in Laupheim. Was für eine Sauerei. Macht nichts Oma, wir sind ja da und kümmern uns um Sie, das ist Alltag. Die Notgemeinschaft Bahn funktioniert – wie immer. In Ulm ist der Anschluss weg. Nur eine halbe Stunde Verspätung zum Termin. Das geht noch.

Wieder die gefürchtete Ansage

Beim Rückweg klappt es bis Ulm. Dort die gefürchtete Ansage. Liebe Fahrgäste, wir haben einen Aufenthalt mit Lokwechsel. Das kann etwas länger dauern. Stöhnen. Und tatsächlich: Beim nächsten Ausruf stottert er. Liebe Fahrgäste, der Zug, der Zug kann noch nicht abfahren: Wir haben noch keine Lok. Sie ist, sie ist – beim Tanken und noch nicht zurück. Ja sowas. Selbstverständlich Verspätung, zunächst 15, dann 18 Minuten. Oh je, was ist nur mit der Pünktlichkeitsoffensive der Bahn?!

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Der Zugbegleiter erklärt freundlich jedem einzelnen Fahrgast, warum wir die Anschlusszüge in Aulendorf oder Friedrichshafen nicht erreichen, und bietet Alternativen. Waren Sie auch in den letzten Wochen vom Schienenersatzverkehr betroffen? Wir dachten, dass es jetzt nach dem ersten Bauabschnitt zwischen Ulm und Laupheim besser wird. Nein, auch die BOB wartet nicht auf uns, dann fahren Sie doch über Lindau zu ihrem Ziel weiter. Natürlich ist in Friedrichshafen auch wieder der Anschluss ins westliche Kreisgebiet weg. Das übliche Spiel. Und immer wieder grüßt das Murmeltier. Nur: Es ist kein Film und auch kein Traum.

Kein Halt in Fischbach und Kluftern

Dies ist ein beschleunigter Zug, tönt es aus dem Lautsprecher. Ja endlich. Er hält nicht in Fischbach und Kluftern, sonst aber überall. Ach so. Er endet in Salem. Ach je. Knatternd und stampfend setzt sich der rote Blitz in Bewegung. Wohl ist es die Donnerbüchse, die schon seit Wochen auf der Gürtelbahn herumfährt. Kundige Mitreisende sind eine Hilfe. Sie haben wohl keine Zeit zum Reparieren und zu wenig Wagenmaterial. Jetzt weiß ich das auch.

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Das maschinengewehrähnliche Rattern wird langsamer. Wir stehen vor Markdorf. Liebe Fahrgäste, die, die öfters mit uns fahren, Sie wissen es schon. Wir dürfen nicht in den Bahnhof einfahren, solange der Gegenzug nicht ausgefahren ist. Die Bahn hat Sorge, dass Sie beim Aussteigen totgefahren werden. Das wollen wir nicht.

In Salem ist Endstation

Der Übergang zum Bahnhof zu Gleis 1 ist nicht gesichert. Ausweichgleise, aber Einfahrtverbot. Jetzt weiß ich auch, warum die Schranken für die Autos manchmal fünf Minuten geschlossen sind. Früher gab es da einen Bahnbeamten, der alles regelte. In Salem ist Endstation. Um nicht zu Fuß heimlaufen zu müssen oder auf den nächsten Bus zu warten, lasse ich mich mit dem Auto abholen, um nach Hause zu kommen. Geschafft.

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Liebe Politiker, gebt uns unsere Bodenseegürtelbahn zurück. Im letzten Jahrhundert funktionierte sie noch. Wir brauchen keine Symbolpolitik und Neujahrsreden, sondern konkrete Lösungen. Gerne auch als Bummelbahn, aber verlässlich und kalkulierbar. Wir fühlen uns hier wie vor 118 Jahren: die Lok in Reparatur, ohne Räder und ohne Steuerung, und alle zusammen aufgebockt. Und wir, das bemühte Personal und die Fahrgäste, machen das Beste daraus und verlieren die gute Laune immer noch nicht.

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Aber wir haben genug und fahren lieber Auto, wenn wir es können, und empfehlen Bahnfahren nur noch für Menschen mit viel Zeit und verständnisvollen Vorgesetzten. Es ist nicht das rollende Material und es sind nicht nur neue Züge, die es braucht. Alles muss auf den Prüfstand. Wir brauchen einen funktionierenden Nahverkehr wie ihr unser Wasser aus dem Bodensee. Und das stellen wir euch in Stuttgart oder anderswo auch nicht einfach ab. Jetzt ist wirklich Schluss mit lustig!