Der Protest gegen den neuen Regionalplan holte die anfangs 50 Verbandsvertreter auch vor und in der Stadthalle Pfullendorf ein. Zahlreiche Umwelt-Aktivisten, darunter viele junge Leute, brachten mit Rufen und Transparenten ihre Ablehnung gegen den „Klimahöllenplan“ laut und deutlich zum Ausdruck. Andere waren am frühen Morgen in Ravensburg weiter, wohl zu weit gegangen. Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Regionalverbands (RVBO) kamen nicht in die Büros, weil die Schlüsselanlage manipuliert worden war. „Das ist ein mehr als fragwürdiges Vorgehen“, sagte Vorsitzender Thomas Kugler, Pfullendorfs Bürgermeister.
Nach der ungewöhnlich heftigen öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Planwerk in den vergangenen Monaten ging Verbandsdirektor Wilfried Franke noch einmal auf die größten Kritikpunkte ein. Er verteidigte die Bevölkerungsprognose von plus 29 000 Menschen bis zum Jahr 2035 als realistisch. Vor allem Pensionäre und Arbeitskräfte zögen in die Region, was man weder begrenzen noch steuern könne.

„Wenn wir hier rausgehen, werden keine Bagger rollen.“Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben
Beim Flächenverbrauch gehe es um 260 Hektar für Gewerbe und 560 Hektar für Wohnen, die heute noch nicht in Flächen- oder Bauleitplänen der Kommunen stehen. „Wenn wir hier rausgehen, werden keine Bagger rollen“, sagte Franke. Denn jedes Bauvorhaben sei genehmigungspflichtig. Zum Rohstoffabbau begründete der Verbandsdirektor die geplante Menge von neun Millionen Tonnen Kies im Verbandsgebiet damit, dass das Steinreiche Oberschwaben auch andere Regionen in Baden-Württemberg im Auftrag des Landes mit versorgen muss.

Binnen fünf Stunden wurden quasi alle wesentlichen Einwendungen gegen das Planwerk noch einmal grob thematisiert – nach sechs Jahren Vorarbeit, 26 Sitzungen, 7500 Eingaben und einer Gegenüberstellung aller Argumente, die auf über 1000 Seiten beschrieben waren. Vor allem zum geplanten Kiesabbau im Altdorfer Wald gab es erneut eine lange Diskussion.
Keine Mehrheit für Bürgermeister-Antrag, Kiesgrube Grund zu verhindern
Die Diskussion gründete auf einem Antrag der Bürgermeister von Wolfegg und Vogt, Peter Müller und Peter Smigoc, auf den neuen Standort Vogt zu verzichten. Smigoc, der für die CDU im Regionalverband sitzt, argumentierte, dass laut Rechtsgutachten der Regionalplan nur mit wenigen Monaten Verzögerung dann trotzdem beschlossen werden kann, wenn der Kiesabbau-Standort herausgenommen wird. Dafür gebe es „keine zwingenden Rechtsgründe“, erklärte RVBO-Fachplaner Ulrich Donath. Zwar würde hier voraussichtlich die Wasserschutzgebiets-Zone 3 ausgewiesen, aber selbst dann sei der Abbau möglich. Auch ein Landschaftsschutzgebiet schließe den Kiesabbau nicht automatisch aus.
Laut Wilfried Franke würde die Herausnahme der Abbaustätte Grund eine dritte Offenlage des dann wieder geänderten Entwurfs zur Folge haben, weil seiner Meinung nach in die Grundzüge der Planung eingegriffen wird. Am sehr ertragreichen Standort im Altdorfer Wald sei bis 2035 der Abbau von drei vier Millionen Tonnen Kies vorgesehen. Das ist mehr als ein Drittel der geplanten Menge von neun Millionen Tonnen im Verbandsgebiet. Trotz kritischer Stimmen aus fast allen Fraktionen wurde der Antrag mit 29 zu 15 abgelehnt. Auch der Teilplan Rohstoffabbau fand damit bei letztlich 13 Nein-Stimmen eine große Mehrheit.
Grüne/ÖDP wollen Beschluss verschieben
Auch der Antrag der Fraktion Grüne/ÖDP, den Beschluss zum Regionalplan zu verschieben, schlug fehl. „Es sind noch viele Fragezeichen“, sagte Ulrike Lenski. Deshalb sollten zuerst die Anregungen des Ministeriums, die erst vor zwei Wochen kam, eingearbeitet werden. Nach der dritten Offenlage sollte sich dann ein Mediationsverfahren unter Moderation durch das Land anschließen.
Die große Mehrheit des Verbandsversammlung wollte an diesem Freitag aber einen „Knopf dran machen“ an den Regionalplan. Wohl wissend, dass der „nicht perfekt ist“, sagte CDU-Fraktionschef Daniel Rapp, OB von Ravensburg. Der Plan werde aber niemals perfekt sein, weil der Grundkonflikt nicht zu lösen sei: unbegrenzt viele Wünsche und Bedarfe, aber nur eine begrenzte Fläche. Er wisse, dass immer noch sehr viele Leute unzufrieden seien; und auch in den eigenen Reihen gebe es welche, die „eine Kröte schlucken“ müssen. Rapp appellierte an die Versammlung, dass es nun darauf ankomme, was die Kommunen aus dem Planwerk machen. „Klimaneutrales Wachstum muss möglich sein“, sagte er.

Dem widersprach der Fraktionschef von Grünen/ÖDP, Ulrich Walz. In der Summe 4000 Hektar neu beanspruchte Fläche sei einfach zu viel. Genauso wie über 90 Standorte für den Kiesabbau, die 1250 Hektar beanspruchen. Eine nachhaltige Entwicklung sei das A und O, in der Region das CO2-Kontingent unter diesen Vorgaben aber in acht Jahren aufgebraucht. „Man müsste, man könnte, man sollte: Wir wollen es konkreter“, sagte er. Und mit Anspielung auf die Umweltaktivisten, die bei Grund ein Stück des Altdorfer Waldes besetzt haben: „Unsere Enkel haben sich auf Bäume zurückgezogen, vielleicht machen sie es besser.“
Für SPD-Fraktionschef Norbert Zeller, der mehrfach Kritik an der Argumentation der Grünen geübt hatte, konterte: Er verstehe unter Enkeltauglicher Politik nicht, „dass unsere Enkel auf den Bäumen leben“. Aus dem spärlich besetzten Zuschauerraum kam darauf ein lauter Zwischenruf: „Das Klima macht keine Kompromisse.“