Menschlich eine leidvolle Katastrophe, aber auch wirtschaftlich ein Desaster – so lässt sich die Stimmung bei den Industrie- und Handelskammern und Unternehmen am Bodensee zusammenfassen. Gefürchtet sind einerseits die Auswirkungen der Sanktionen auf Russland als Handelspartner, andererseits aber auch erhebliche Lieferprobleme bei Rohstoffen und Energien und damit steigende Preise.

IHK rechnen mit steigenden Energie- und Rohstoffpreisen

„Viele Unternehmen in unserer Region haben geschäftliche Beziehungen mit Russland, manche sind sogar vor Ort mit eigenen Produktionsstätten aktiv“, berichtet Uwe Böhm, Geschäftsführer für den Bereich Internationales der IHK Hochrhein-Bodensee, „gerade im vergangenen Jahr haben sich die wirtschaftlichen Entwicklungen Richtung Russland und Ukraine deutlich verbessert.“ Böhm rechnet neben steigenden Energiepreisen auch mit Lieferproblemen bei Metallen und Holz. Schließlich gebe es in der Region traditionell ein Aluminiumcluster – und Russland sei einer der weltweit größten Lieferanten.

Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben: Martin Buck.
Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben: Martin Buck. | Bild: Lorenz Bee

Auch Martin Buck, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben, zeigt sich mitunter besorgt um die Außenhandelsbeziehungen mit Russland und die Rohstoffversorgung: „In der Region ist die Versorgung mit fossilen Energieträgern zu einem erheblichen Anteil aus russischen Quellen gedeckt.“

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Dass Verbot von Handel auch Verzicht auf Handel bedeutet, betont auch Benedikt Otte, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bodenseekreis GmbH (WFB). Auch wenn Russland für viele Unternehmen nicht Haupt-Exportland sei, dürften indirekte Effekte und Zulieferbeziehungen nicht unterschätzt werden. Auch er geht von negativen Effekten auf die Unternehmen aus – vorausgesetzt die Lage entspannt sich nicht kurzfristig noch.

Unternehmen in der Region beobachten die Lage

Auch wenn die großen Firmen in der Bodenseeregion ihre Hauptumsätze weder in Russland, noch in der Ukraine erwirtschaften, sind sie alarmiert. „ZF beobachtet die Lage in der Ukraine mit großer Sorge. Wir verfolgen die aktuellen Entwicklungen intensiv und bereiten uns auf mögliche Auswirkungen internationaler Maßnahmen vor“, lässt ein Sprecher des Nutzfahrzeug-Zulieferers ZF Friedrichshafen wissen. Eine konkrete Bewertung ökonomischer Konsequenzen sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht möglich.

Auch die Sorge um die Mitarbeiter wächst. ZF beschäftigt nach eigenen Angaben ein knappes Dutzend Mitarbeiter aus dem Vertrieb und der Serviceorganisation in der Ukraine. In Russland arbeiten rund 600 Menschen für ZF, davon rund 450 in der Fertigung von ZF Kama, wo Getriebe für Lastwagen gebaut werden. Diese Lastwagen werden ausschließlich zivil genutzt, so der Sprecher. Zudem sei ZF in zwei Joint Ventures engagiert. Nach Unternehmensangaben machte der Umsatz 2020 mit insgesamt rund 400 Millionen Euro etwa ein Prozent des Konzernumsatzes aus.

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Bislang spüre man den Konflikt bei Rolls Royce Power Systems (RRPS) in Friedrichshafen noch nicht, so Andreas Schell, Vorstand von Rolls Royce Power Systems (RRPS), der den Angriff Russlands auf das Nachbarland scharf verurteilt. „Die ersten Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine.“ Das betonte er bei einer Pressekonferenz, in der er am Donnerstag das Jahresergebnis präsentierte. Politische Entscheidungen – also auch Sanktionen – werde das Unternehmen unterstützen. Dennoch so Schell, seien derartige Auseinandersetzungen Gift für die Märkte. Unter den Mitarbeitern in Friedrichshafen seien Menschen aus der Ukraine und Russland. „Aber“, so betonte Schell, „bei uns überwiegt der Teamspirit.“

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Peter Gerstmann ist Chef beim Baumaschinen-Hersteller Zeppelin.
Peter Gerstmann ist Chef beim Baumaschinen-Hersteller Zeppelin. | Bild: Zeppelin
„Die Krise wird uns erheblich treffen.“
Peter Gerstmann, Zeppelin-Chef

Als maximal betroffen bezeichnete hingegen Peter Gerstmann, Chef des Friedrichshafener Baumaschinen-Herstellers Zeppelin, sein Unternehmen. Denn anders als beispielsweise bei ZF wird in Russland und Osteuropa ein großer Teil des Umsatzes gemacht. Rund 600 bis 800 Millionen Euro sind es laut Gerstmann pro Jahr. „Als exklusiver Caterpillar Vertriebs- und Servicepartner für Baumaschinen, etwa für die Energie- und Bauwirtschaft in der Ukraine, Belarus und dem westlichen Russland haben wir keine Chance in andere Märkte auszuweichen“, betonte der Zeppelin-Chef noch vor wenigen Tagen im SÜDKURIER-Interview.

Die Evakuierungspläne für die 2000 Mitarbeiter in Russland und 600 in der Ukraine, weitestgehend lokale Kräfte, lägen schon lange in der Schublade. Entlassungen wolle man aber – trotz drohenden Umsatzverlusts – möglichst vermeiden. Für Gerstmann steht bereits fest: „Die Krise, wie auch immer sie geartet sein wird, wird uns erheblich treffen.“

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