Karlheinz Fahlbusch

Für viele Menschen ist er einfach nur eine Form von Dreck. Dabei ist schon in der Bibel mehrfach von ihm berichtet worden. Sogar den Menschen soll Gott aus ihm erschaffen haben. „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß und blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele“, heißt es in der Genesis. Gemeint ist der Lehm. Und der erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance auf den Baustellen.

„Lehm ist der älteste und am meisten bewährte Baustoff der Welt“, sagt Holger Längle. Er hat ursprünglich den Beruf des Zimmermanns gelernt, dann ein Studium zum Bauingenieur (FH) und ein Fernstudium zum Baubiologen (IBN) absolviert. Seit nun bald zehn Jahren betreibt der leidenschaftliche Lehmbauer Längle im Deggenhausertal das auf natürliche und gesunde Bauen spezialisierte Unternehmen namens „Erfolgsgeheimnis Lehmbau GmbH“. Die Liebe zum Lehm entdeckte er, als er zu Studienzeiten bei einem berühmt gewordenen Forschungsprojekt bei Wien das erste Mal diesen Werkstoff verarbeitete. Die Leidenschaft für den Baustoff teilt er mit den Menschen, die Lehm über Jahrtausende verarbeitet haben und daraus ihre Häuser schufen. Ursprünglich waren es Geflechte aus Schilf, Stroh oder anderen Pflanzen, die mit feuchtem Lehm beworfen wurden. Man kennt so etwas von den Pfahlbauten in Unteruhldingen. Auch dort war „der Holger“, wie ihn seine Kunden auch gerne nennen, schon im Einsatz und hat steinzeitliche Bauten restauriert und wieder zu neuem Glanz gebracht.

Steinzeit in der Wohnung? Wer will so etwas schon haben? „Mehr Leute als man denkt“, klärt der Fachmann auf. Denn gerade heutzutage sei Lehm eine ausgezeichnete Alternative zu anderen Verputzmaterialien und Oberflächen. Durch den Zwang zum Energiesparen werden die Häuser immer mehr verpackt. Wenn der Luftaustausch nicht geregelt ist, dann kann es zu überhöhter Feuchtigkeit kommen. Schimmel ist dann die Folge. Lehmputz wirkt dann regulierend und fördert so auch das Raumklima.

„Es kommen aber immer auch Leute, die haben ein altes Haus gekauft und bei der Sanierung festgestellt, dass es feuchte Wände gibt“, erzählt Längle. Mit der richtigen Herangehensweise kann Lehmputz hierbei gute Dienste erweisen und Abhilfe schaffen. Bei der Sanierung von Fachwerkhäusern ist Lehm die erste Wahl. „Lehm und Holz passen super zusammen. Das wusste man auch schon in früheren Zeiten“, macht der Baubiologe deutlich. Beides seien historische und authentische Baustoffe.

Die Verarbeitung unterscheidet sich kaum vom herkömmlichen Putz. „Das Lehmpulver wird mit Wasser angerührt und dann ganz normal verarbeitet“, weiß der Fachmann. Auch das maschinelle Aufbringen ist kein Problem. Im Prinzip kann man das Pulver sogar essen. „Heilerde aus der Apotheke ist eigentlich nichts anderes“, sagt Längle lachend. Nur sei das Lehmpulver viel billiger. Der Untergrund muss übrigens nicht aus Schilfrohrmatten bestehen. Der Lehmputz kann auf nahezu alle Untergründe aufgebracht werden, egal ob alt oder neu. Es gibt aber auch spezielle Lehmbauplatten, die neben dem Raumklima auch den Schallschutz fördern. Und wer mit einer Wandheizung liebäugelt, der braucht nicht auf Lehm zu verzichten.

Mittlerweile gibt es auch größere Bauprojekte in der Republik, bei denen mit Lehm gearbeitet wurde. Beispiel gefällig? Die Büros im Klimareferat der Vereinten Nationen (UN) in Bonn sind mit Lehm verputzt. Den gibt es übrigens auch in verschiedenen Farbtönen, je nachdem, welche Tone, Sande und natürlichen Gesteinsmehle gemischt werden. Nachweise, dass Lehmputz das Raumklima verbessert, gibt es mittlerweile viele. „Lehmputze können viel mehr Feuchtigkeit zwischenspeichern als andere Materialen“, ist Holger Längle überzeugt. Die Tonmineralien binden die Moleküle aktiv an sich. So ändert sich die Feuchte- und Geruchskonzentration im Raum. Von den Flächen werden Moleküle dann wieder langsam abgegeben. „Gerüche oder Ausdünstungen sind so deutlich weniger zu spüren“, weiß der Baubiologe. Und: „Lehmputz ist eigentlich eine Art Klimaanlage mit wenig Aufwand, die im Sommer kühlt und im Winter Wärme speichert.“

Da in Deutschland auch Baumaterialien behördlicherseits überwacht werden, gibt es auch für Lehm seit dem Jahr 2013 DIN-Normen. Es bleibt also nichts dem Zufall überlassen. Oder? „Nicht ganz“, erklärt Holger Längle schmunzelnd. „Es ist oft Zufall, dass man auf das Produkt Lehm kommt. Aber wenn man sich dafür entschieden hat, dann wird man ganz bestimmt zufrieden sein.“ Warum auch nicht. Unsere Vorfahren waren es ja bekanntlich auch. Die Fachwerkhäuser in den mittelalterlichen Altstädten der Region sind der beste Beweis. Übrigens: Wer mit einem normalen Putz umgehen kann, der darf sich auch an Lehm trauen. So hat auch mancher Heimwerker seine Liebe zu dem historischen Baustoff entdeckt. Übrigens sind auch Öfen aus Lehm weltweit verbreitet und vielerorts im Einsatz. „Das Material ist einfach toll“, sagt Holger Längle und wirft mit der Kelle wieder „eine Portion“ an die Wand.

"Überall findet man den Baustoff Lehm"

Bernhard Kerres ist 60 Jahre alt und Geschäftsführer bei Baunetz in Pfullendorf. Er hat auch Lehmbaustoffe in seiner Produktpalette.

In welcher Form und Gebinden wird Lehm geliefert und wie muss er dann verarbeitet werden?

Es ist ganz einfach: Lehmfarbe oder Lehmstreichputz als Pulver im Eimer mit Wasser anrühren und anstreichen. Farbige Lehmedelputze gibt es als Pulver im Eimer oder im 500-Kilogramm-Bigbag, Lehmunterputze oder Lehmoberputze als Pulver in Säcken zu 25 oder 30 Kilogramm oder im Bigbag mit 1000 Kilogramm. Bigbag einfach mit Wasser anrühren und wie alle Putzmörtel verarbeiten. Lehmsteine werden, wie alle Mauersteine, mit Lehmmörtel vermauert. Lehmbauplatten können wie Gipskartonplatten an die Unterkonstruktion geschraubt werden. Danach mit Lehm verspachteln und mit Lehm beschichten.

Wo kommt der Lehm her? Muss er eingefärbt werden?

Es ist deutscher Lößlehm vom Niederrhein. Lehm kann, aber muss nicht eingefärbt werden. Die Natur hat das Einfärben durch die Bereitstellung von verschieden farbigen Lehmen für uns übernommen. Es gibt weißen Lehm (Kaolin), braunen Lehm, gelben Lehm, roten Lehm und noch eine ganze Menge mehr.

Ist das Arbeiten mit Lehmputz nur etwas für Spezialisten? Kann auch ein Heimwerker damit umgehen?

Wer mauern kann, der kann auch Lehmsteine vermauern. Lehm ist einfacher zu verarbeiten als Kalk-, Kalkzement-, oder Zementputz. Wer mit Recht den Titel Heimwerker trägt, kann Lehmbaustoffe verarbeiten.

Was für Leute kaufen bei ihnen Lehm?

Alle Menschen, welche die technischen Eigenschaften des Lehms schätzen. Lehm wirkt beispielsweise feuchteregulierend auf die Raumluft, er entfeuchtet die am Lehm angrenzenden Bauteile. Lehm wandelt hochfrequente Strahlung (Handystrahlung) in Wärme um. Lehm ist ein einfach zu verarbeitender und preiswerter Baustoff mit noch viel mehr als den genannten guten Eigenschaften.

Ist Lehm etwas Exotisches auf dem Bau?

Lehm wird als Baustoff genutzt, seit der Mensch Wohnraum selbst baut. Überall findet man im Wohnhausbau den Baustoff Lehm. Hier bei uns sind es Lehmwickel in der Decke, Lehmausfachungen im Fachwerk und Stampflehmboden im Keller. Ganz ehrlich: Für mich ist es exotisch, keinen Lehm im Wohnbau einzusetzen!

Fragen: Karlheinz Fahlbusch