Beim Spatenstich zum Neubau des Oetinger-Hauses der Camphill-Dorfgemeinschaft Lehenhof im Deggenhausertal strahlten die Beteiligten und späteren Nutzer mit der Sonne um die Wette: Glücklich über den Entschluss, anstelle des alten Hauses einen Neubau zu erstellen, der allen Anforderungen und Ansprüchen genügt.

Zu ihnen gehörte Norbert Bruder, einer der vier geschäftsführenden Vorsitzenden des Vereins Camphill-Dorfgemeinschaft Lehenhof. Er freute sich über die Anwesenheit von Mitarbeitern, Kollegen und Dörflern, die den Anstoß zur Realisierung des Projektes gegeben hatten, über Bürgermeister Fabian Meschenmoser, Fachplaner, Handwerker, Unternehmer, Berater, sowie Ingenieur Joachim Schnell und Architektin Kerstin Abt vom Ingenieurbüro Schnell aus Bad Saulgau, die sich Gedanken um viele Details gemacht hatten.

Vorsitzender spricht von einem besonderen Tag

„Heute ist ein besonderer Tag: Wir legen mit diesem Spatenstich die Grundlage für die Zukunft mit weiteren hochwertigen und ansprechenden Wohnangeboten in einer Traumlage mit Sicht zum See. Die geplante Grundsteinlegung kann erst erfolgen, wenn die Fundamente gegossen sind“, sagte Bruder.

Die Teilnehmer am Spatenstich hörten Interessantes aus der Vergangenheit des Oetinger-Hauses und von der Vision des Begründers der ...
Die Teilnehmer am Spatenstich hörten Interessantes aus der Vergangenheit des Oetinger-Hauses und von der Vision des Begründers der Camphill Gemeinschaft. | Bild: Christiane Keutner

Heimleiter stellt Konzept vor

Stefan Siegel-Holz, Heimleiter und ebenfalls geschäftsführender Vorsitzender, erzählte über das Konzept und die bemerkenswerte Eröffnungsansprache von Karl König, dem Begründer der Camphill-Bewegung, der dem Lehenhof ein Vermächtnis hinterlassen hat: Dass dort ein Ort und ein Wiedererwachen der Menschlichkeit entsteht. Außenseiter der Gesellschaft, insbesondere Menschen mit Handicap, sollten nicht in Anstalten leben müssen.

„Er hat den ganz modernen Inklusionsgedanken, dass alle sich gegenseitig helfen, und die Würde jedes einzelnen Menschen, unabhängig von seinem Hilfsbedarf, gewahrt wird, vor 60 Jahren vorweggenommen“, so Siegel-Holz. Auch habe er auf Menschen verwiesen, die Gutes bewirken wollten – nicht um des Geldes Willen oder aus Prestige-Gründen, sondern darum, einfach etwas Gutes in der Welt zu tun und damit zufrieden zu sein.

Das entspreche auch der UN-Behindertenrechtskonvention, die von den meisten Staaten der Erde ratifiziert wurde. Sie besagt, dass kein Mensch aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. „Das ist das gleiche Ideal wie von Karl König, der wollte, dass Behinderte nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind“, sagte der Redner, der noch darauf verwies, dass jeder zehnte Mensch heute mit einer Art Behinderung leben muss.

Abgerissenes Haus war nach einem protestantischen Pfarrer benannt

Das nun abgerissene Haus war nach Friedrich Christoph Oetinger benannt worden, einem protestantischen Pfarrer aus Württemberg, der im 18. Jahrhundert bedeutend gewirkt hat. Das kleine Gebäude stand schon, als der Lehenhof 1964 gekauft wurde. Als eine Art „Riesen-WG“ sollten dort Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben.

Und so war es: Es wurde dort gegessen, getrunken, gefeiert, gelacht, es wurden Bibelabende gehalten. Das Haus war eng, gemütlich, aus Holz und es hatte viel Charme. Doch dann mussten die Zimmer laut Landesheimbauverordnung mindestens 14 Quadratmeter groß sein und Doppelzimmer waren nicht mehr zugelassen. So hatte man das Gebäude mit dem benachbarten verbunden.

Norbert Bruder (links) und Stefan Siegel-Holz (rechts) berichteten über Vorhaben und Konzept. In der Mitte Kundenberater Robert Hartmann ...
Norbert Bruder (links) und Stefan Siegel-Holz (rechts) berichteten über Vorhaben und Konzept. In der Mitte Kundenberater Robert Hartmann von der Sparkasse Salem-Heiligenberg. | Bild: Christiane Keutner

Modernisierung hätte keinen Sinn gemacht

In die Jahre gekommen, machte eine erneute Sanierung und Modernisierung keinen Sinn mehr. Es sollte ein neues Haus gebaut werden. „Eines, das in die Zukunft gerichtet ist und eine Verbindung herstellt – als Ort der Menschlichkeit, in dem Menschen mit unterschiedlichen Hilfsbedürfnissen ohne jegliche Barrieren mit etwas Unterstützung weitgehend selbstständig leben können“, so Stefan Siegel-Holz.

Das Haus wird großzügig, hell, es wird über Appartements mit eigenen Küchenzeilen und einen Gemeinschaftsraum für viele Begegnungsmöglichkeiten verfügen und mit einem nachhaltigen Energiekonzept ausgestattet. „Mir kam das Bild von einem Schmetterling in den Sinn, der sich aus dem engen Korsett seiner Verpuppung befreit“, so Siegel-Holz. Vergangenheit und Zukunft sollten sich verbinden.

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Neue Heimat für zehn Menschen mit Hilfebedarf

Der Neubau wird Heimat für zehn Menschen mit Hilfebedarf sein. Er bietet großzügigen, modernen und barrierefreien Wohnraum. Zudem werden Mitarbeiter in einer Wohnung sowie in einem zusätzlichen Appartement Platz finden. Die durchdachte Gestaltung der privaten und in sich abgeschlossenen Wohneinheiten ermöglicht weiterhin gemeinschaftliches Wohnen. Ein separater Mehrzweckraum für die Dorfgemeinschaft und für Aktivitäten mit externen Partnern ergänzt das Gebäude. Der Lehenhof wird den größten Teil der Investition selbst finanzieren.

Beim geselligen Beisammensein drehten sich die Gespräche um den Neubau auf dem Lehenhof.
Beim geselligen Beisammensein drehten sich die Gespräche um den Neubau auf dem Lehenhof. | Bild: Christiane Keutner

Gemeinschaft wurde auch nach dem Spatenstich gepflegt. Bei Kaffee und Gebäck, umsorgt von Benjamin Kreidler, kam es noch zu Gesprächen, deren Mittelpunkt der Neubau war.