„Dank und Einblick“ haben die Camphill Schulgemeinschaften (CSG) einen Abend überschrieben, zu dem über 60 geladene Gäste ins Lagerhäusle nach Altheim kamen. Schülerinnen und Schüler, Eltern und die drei Vorstände Burkhard Haus, Herbert Heim und Cornelius Weichert berichteten vom Schulalltag und Leben an den drei Standorten Brachenreuthe, Bruckfelden und Föhrenbühl. Ein kleines Ensemble aus Schülern und Lehrkräften unterlegte die lockere Gesprächsrunde mit den zarten Klängen der Veeh-Harfen sowie mit Gesang, Gitarrenbegleitung und Cajon.

Einrichtung ist auf private Unterstützer und Sponsoren angewiesen

Das in dieser Form neue Veranstaltungsformat richtete sich in erster Linie an die privaten Unterstützer und Sponsoren der Camphill Schulgemeinschaften, die jedoch nicht namentlich erwähnt wurden. „Wir sind sehr auf Spenden angewiesen“, erklärte Bettina Haupter, die in der Verwaltung der CSG für das Fundraising verantwortlich ist. Zum Beispiel brauche das Lagerhäusle ein neues Dach. Investitionen in Gebäude oder zusätzliche Therapie- und Freizeitangebote seien jedoch nur mit Spenden möglich.

Ein Schüler-Lehrer-Ensemble musizierte für das Publikum unter anderem auf den Veeh-Harfen ein Frühlingslied von Felix Mendelssohn Bartholdy.
Ein Schüler-Lehrer-Ensemble musizierte für das Publikum unter anderem auf den Veeh-Harfen ein Frühlingslied von Felix Mendelssohn Bartholdy. | Bild: Antonia Kitt

82 Gebäude müssen unterhalten werden

Das bestätigte auch Cornelius Weichert vom Vorstand. „Wir haben an unseren drei Standorten 82 Gebäude zu unterhalten“, berichtete er. Man bekomme zwar Zuschüsse vom Land, doch seien die Baukosten zuletzt durch die Decke gegangen. Man brauche unbedingt zusätzliche Mittel, um die Gebäude in Stand zu halten, Brandschutzauflagen umzusetzen oder auch um neu zu bauen.

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Bezahlbare Wohnungen für Mitarbeiter seien ein großes Thema. Langezeit habe man über die „Aktion Mensch“ Gelder erhalten. „Aber durch die Inklusion sind Einrichtungen wie unsere nicht mehr gewünscht, diese Mittel fehlen uns natürlich“, bedauerte Weichert. Umso dankbarer sein man für die finanzielle Hilfe der Unterstützer. „Es ist uns eine Freude, dass Sie in so großer Zahl gekommen sind“, sagte Herbert Heim.

Gemeinschaft will sich noch mehr öffnen

Mit dem Abend im Lagerhäusle gehen die Camphill Schulgemeinschaften weiter auf ihrem neuen Weg, die drei Schulstandorte gemeinsam zu präsentieren und sich noch mehr zu öffnen. „Früher war es ganz anders, die Standorte waren sehr isoliert. Es waren Lebensgemeinschaften, in die kein anderer reingucken sollte“, erinnerte sich Burkhard Haus. Doch jetzt gebe es zum Beispiel Tage der offenen Tür. Die Camphill Schulgemeinschaften wollten darauf aufmerksam machen, was Menschen mit Assistenzbedarf brauchen und welche Aufgaben damit verbunden sind. „Menschen ohne Assistenzbedarf müssen zu uns reinkommen. Es muss sich mischen, damit Teilhabe entsteht“, bekräftigte Haus.

Marvin wohnt seit 2020 in Brachenreuthe und schreibt eigene Songs.
Marvin wohnt seit 2020 in Brachenreuthe und schreibt eigene Songs. | Bild: Antonia Kitt

Einen berührenden Einblick in ihren Alltag in Brachenreuthe gaben die beiden Jugendlichen Marvin und Kenan. „Mein Alltag hat mit Schule zu tun und mit den Diensten, die jeder hat. Nach den Diensten komponiere ich Songs und nehme sie auf“, berichtete Marvin, der seit 2020 in Brachenreuthe lebt. Sein Freund Kenan erzählte stolz, wie er neben der Schule her jobbte, um sich Geld für ein eigenes Handy zu verdienen.

Kenan wohnt ebenfalls in Brachenreuthe und wünscht sich für die Einrichtung E-Bikes.
Kenan wohnt ebenfalls in Brachenreuthe und wünscht sich für die Einrichtung E-Bikes. | Bild: Antonia Kitt

Beeindruckend auch der Werdegang von Linda: Die junge Frau kam im Jahr 2000 als Kind in die Camphill Schulgemeinschaften. Mittlerweile hat sie eine eigene Wohnung bezogen und arbeitet im Überlinger Collegium Augustinum im Service. „Ich hab‘ in Föhrenbühl Selbstständigkeit gelernt, jetzt bin ich glücklich“, erzählte sie freudestrahlend.

Linda ist ehemalige Schülerin von Föhrenbühl. Sie lebt inzwischen selbstständig und arbeitet im Collegium Augustinum in Überlingen.
Linda ist ehemalige Schülerin von Föhrenbühl. Sie lebt inzwischen selbstständig und arbeitet im Collegium Augustinum in Überlingen. | Bild: Antonia Kitt

„Als Eltern darauf angewiesen, dass es solche Orte gibt“

Ulrike Gärtner aus München schilderte ihre Erfahrungen mit den Camphill Schulgemeinschaften aus Elternperspektive. Ihr 17-jähriger, schwer geistig behinderter Sohn Jacob lebe seit eineinhalb Jahren in Bruckfelden. Davor sei er einige Jahre in einer Einrichtung in Bayern gewesen, die sich jedoch wegen fehlenden Personals stark verkleinern musste. „Seit er hier ist, ist er ohne Medikamente viel ruhiger geworden, seine Aggressionen lassen nach“, beschrieb sie ihren Eindruck. Es werde auf Jacobs Bedürfnisse eingegangen. Ihm werde Respekt und Würde geschenkt. Jacob könne sich in Bruckfelden einfach sicher fühlen. Seine Wohngruppe empfände sie mittlerweile selbst als ihre Familie. „Ich kann nicht genug von der Einrichtung schwärmen, es ist eine tolle, fröhliche Gemeinschaft“, lobte Ulrike Gärtner die CSG. Als Eltern sei man einfach darauf angewiesen, dass es solche Orte gebe.

Die Vorstände Cornelius Weichert (links) und Burkhard Haus.
Die Vorstände Cornelius Weichert (links) und Burkhard Haus. | Bild: Antonia Kitt

Auch Camphill kämpft mit fehlendem Personal

„Auch wir können nicht alle Stellen besetzen“, gestand Cornelius Weichert ein. Nachteilig seien die Nähe zur Schweiz, die hohen Lebenshaltungskosten und das ländliche Umfeld. Mit der Fachschule für Sozialwesen in Frickingen, die von der Camphill Ausbildungen gGmbH getragen wird, versuche man, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Bettina Haupter zeigte sich rundum zufrieden mit der Veranstaltung: „Wir freuen uns riesig, dass so viele gekommen sind, so haben wir uns das gewünscht“, war ihr Resümee. Bei Fingerfood und Getränken ließen die Gäste im Lagerhäusle den Abend ausklingen.