Nicht nur auf 50 Jahre erfolgreiche Eingemeindung, sondern auch auf 50 Jahre gelebte Dorfgemeinschaft ist beim Festakt anlässlich der Eingemeindung Nußdorfs nach Überlingen angestoßen worden. Aufgrund des windigen Wetters fand die vom Musikverein Nußdorf umrahmte Veranstaltung nicht wie geplant am Seeufer, sondern nach einem kurzfristigen Umzug im Dorfgemeinschaftshaus statt. „Es war dann alles ein bisschen provisorisch, aber wir haben alle gut zusammengehalten“, teilte Ortsvorsteherin Anja Kretz mit.

Oberbürgermeister Jan Zeitler erinnerte daran, dass sich aus einem früheren Bauerndorf mit seinen rund 1700 Einwohnerinnen und Einwohnern ein lebendiger und liebenswerter Ort entwickelt habe. Dank seiner Lage am Bodensee habe sich Nußdorf vom landwirtschaftlich geprägten Ort zu einem beliebten Ferienziel mit Gastronomiebetrieben und vielfältigen Erholungseinrichtungen gewandelt.
Jahrhundertelang Salemer Besitz
Auf die „tief verwurzelt“ Geschichte von Nußdorf eingehend, sagte Zeitler, die erste schriftliche Erwähnung datiere auf die Jahre 1134/37. Lange Zeit sei Nußdorf im Besitz des Klosters Salem gewesen, das den Ort maßgeblich geprägt habe. Heute sei Nußdorf nicht nur der bevölkerungsreichste Teilort Überlingens, „sondern vor allem ein Ort, der sich durch seine Bewohnerinnen und Bewohner auszeichnet – Nachkommen von Bauern und Handwerkern ebenso wie Zugezogene aus verschiedensten Bereichen, die gemeinsam das lebendige und vielfältige Miteinander prägen“. Musikverein, Narrenverein, Feuerwehr und weitere trügen mit viel Engagement zu einem lebendigen Dorf bei.
„Ein wertvoller Teil unserer Stadt“
Neben diesem Gemeinschaftsleben böte Nußdorf mit seiner modernen Infrastruktur alles, was für eine lebenswerte Gemeinde wichtig sei: Kindergarten, Grundschule, Kinderhort und eine Anbindung mit Bahn und Bus sowie einen einladenden Schiffslandungssteg und das Strandbad am See. Rückblickend könne man sagen, dass die Eingemeindung Nußdorfs ein Erfolg gewesen sei. Eine „enge und vertrauensvolle“ Zusammenarbeit zwischen der Ortsverwaltung und der Stadtverwaltung habe stets dazu beigetragen, gemeinsam passende Lösungen zu finden. Nußdorf habe sich dadurch gut entwickelt und werde auch in Zukunft seinen eigenen, starken Weg gehen. „Herzlichen Glückwunsch, Nußdorf – auf weitere erfolgreiche Jahre als wertvoller Teil unserer Stadt Überlingen“, so Zeitler laut der Mitteilung.
Nußdorf wollte erst selbständig bleiben
Ortsvorsteherin Anja Kretz machte darauf aufmerksam, dass man ein Ereignis feiere, dass vor 50 Jahren nicht ganz so freudig aufgenommen worden sei, wie man es sich vielleicht bei einem Festakt wünschen würde. Denn vor einem halben Jahrhundert habe es nicht geheißen „Hurra, wir werden eingemeindet!“, sondern eher „Was? Wir sollen unsere Eigenständigkeit aufgeben? Das kommt überhaupt nicht infrage“. Manche hätten seinerzeit nach der Gemeindereform gesagt, es sei, wie wenn man in ein Hotel einchecke, ohne gefragt worden zu sein, ob man überhaupt verreisen will. Kretz wies auf eine Bürgerbefragung von April 1973 hin, bei der 98 Prozent für die Erhaltung der Eigenständigkeit der Gemeinde Nußdorf gestimmt hätten.

Am 11. Dezember 1974 habe Gebhard Butscher, damaliger Bürgermeister von Nußdorf, sowie Oberbürgermeister Reinhard Ebersbach den Eingemeindungsvertrag trotzdem unterschrieben. Zunächst war Nußdorf nur ein Stadtteil, wie Andelshofen. Es dauerte bis 1998, bis Nußdorf ein eigener Teilort mit Ortschaftsrat wurde.
„Wenn wir heute zurückblicken, müssen wir zugeben: So schlimm war‘s dann doch nicht“, so Kretz mit Blick auf die Eingemeindung vor 50 Jahren. Ihr Vater Karlheinz fungierte neben Konrad Scheurer für viele Jahre als Stadtrat. Kretz: „Denn auch, wenn wir unsere Selbstständigkeit auf dem Papier verloren haben, haben wir etwas anderes behalten – oder vielleicht sogar gewonnen: unseren Charakter als Dorf, unseren Zusammenhalt und unseren Humor.“ Man habe sich arrangiert, man sei nicht untergegangen. „So schlecht ist es mit Überlingen ja gar nicht gelaufen“, so die Ortsvorsteherin. „Manchmal sogar ganz praktisch, jemanden zu haben, der sich um die großen Dinge kümmert – solange wir hier in Nußdorf weiter die kleinen, aber feinen Dinge selbst im Griff behalten.“
Eigenständigkeit im Herzen bewahrt
Man habe gezeigt, Teil einer größeren Gemeinde zu sein, und trotzdem eigenständig im Herzen. Ihr Dank galt allen, die Nußdorf mitgestaltet hätten, die mit angepackt, organisiert, mitgedacht und manchmal auch widersprochen hätten. Sie dankte ebenso ihren Vorgängern Rudolf Beck, Günter Hornstein und Dietram Hoffmann für die geleistete Arbeit. „Wir sind vielleicht ein Stadtteil auf dem Papier – aber im Herzen sind wir ein Dorf. Und das mit Stolz. Ein lebendiges, aktives und stolzes Dorf – mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ Anja Kretz forderte dazu auf, 50 Jahre Zusammenhalt und gelebte Dorfgemeinschaft zu feiern, „und auch ein bisschen 50 Jahre Überlingen mit Nußdorf-Charakter“.

Kretz merkte gegenüber dem SÜDKURIER noch an, dass der OB eigentlich eine Nußdorf-Fahne überreichen hätte sollen. „Aber leider war die noch nicht da, also gab es dafür einen Gutschein.“ Gehisst wurde dann die Überlinger Fahne.