Kaum ein Häfler hat das Klinikum, einst Städtisches Krankenhaus, heute Medizin Campus Bodensee, noch nicht von innen gesehen. Wer nicht dort geboren wurde, hat vielleicht einen Blinddarm entfernt bekommen, wurde gegipst oder sogar von einer lebensbedrohlichen Erkrankung geheilt.

- Mehr Patienten, mehr Personal: Während 1977 im Krankenhaus knapp 10.000 Patienten stationär versorgt wurden, waren es 2018 laut Unternehmenssprecherin Susann Ganzert fast doppelt so viele, nämlich 19.478. Ähnlich gewachsen ist das Personal. 1975 waren im Krankenhaus 534 Menschen (inklusive der Auszubildenden) beschäftigt, 2018 waren es 1086.
- Medizinischer Fortschritt: Neue Therapien, Operationstechniken und Medikamente führen bei vielen Erkrankungen zu schnelleren, besseren Heilungschancen. Eine Gallenblasen-Entfernung bedeutete beispielsweise noch vor wenigen Jahren einen dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt. „Die Schlüsselloch-Operation ist schon lange an der Tagesordnung“, erklärt Ganzert, „die Patienten sind nach wenigen Tagen fitter als früher, so dass sie entlassen werden können.“ Der Fortschritt führt auch dazu, dass leichtere Erkrankungen heutzutage sogar ambulant versorgt und behandelt werden können. Andererseits werden heute im Klinikum laut Ganzert auch zumeist schwerkranke Patienten versorgt. Im Vergleich zu früher gebe es weniger „leichte Fälle“. Durch die Früherkennung und die Weiterentwicklung in der modernen Medizin, beispielsweise im Bereich Krebsforschung, haben heute viel mehr Menschen eine gute Überlebensprognose als in den Anfangsjahren des Klinikums.

- Stärkere Spezialisierung: Während es früher größere, medizinische Disziplinen gab, ist die Medizin heute viel spezialisierter. Ein Beispiel ist die Innere Medizin: Früher gab es den gut ausgebildeten, allgemeinen Internisten, der sowohl einen Herzinfarkt versorgte, als auch Probleme mit dem Darm oder den Gefäßen. Doch das Wissen innerhalb der Inneren Medizin wurde immer differenzierter. Dazu wurden die Therapien und Methoden immer invasiver, sodass es für diese technisch aufwendigen Eingriffe mehr Spezialisten braucht. Das Herz wird vom Kardiologen behandelt, die Gefäße vom Gefäßspezialisten, Radiologen, Kardiologen oder Neurologen.
- Kostenfaktor Gesundheitspolitik: Mit der Weltwirtschaftskrise 1973/1974 geriet das bundesdeutsche Gesundheitssystem unter Druck. Die fetten Wirtschaftswunderjahre waren vorbei, die Arbeitslosigkeit stieg, die Einnahmen der Krankenkassen sanken. Die Folge: Seit 1975 steht die Kostendämpfung im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik. Das wiederum wird auch häufiger im Bewertungsportal des Klinikums von Patienten bemängelt. „Mal geht es ums Essen, mal um die Zimmerausstattung oder die Kommunikation, doch eher selten um die medizinische Behandlung selbst“, sagt Ganzert. Die habe sich, so die Unternehmenssprecherin, in den vergangenen 44 Jahren seit Eröffnung des Klinikums nämlich maßgeblich verbessert.
Vom Spital zum Krankenhaus
Bereits seit 1892 besaß Friedrichshafen mit dem „Karl-Olga-Haus“ ein städtisches Spital. Als es zu klein wurde, entschied sich die Kommune für den Neubau des modernsten Krankenhauses am nördlichen Seeufer.
- Neubau: 15 Jahre Planung, 45 Monate Bauzeit – am 17. Juni 1975 wurde das Städtische Krankenhaus eingeweiht. 136 000 Kubikmeter umbauten Raum umfasste es. Die Flure waren drei Kilometer lang und die verglaste Außenfläche maß 8000 Quadratmeter. Die Architektur des Büros Jauss&Gaupp entspricht dem Zeitgeist der 1970er-Jahre. 460 Betten waren geplant. Das Besondere: Zu dem neuen Haus gehörte eine Energiezentrale, die die gesamte Anlage mit Strom, Wärme und Warmwasser versorgt.
- Auslastung: Bereits in seinem ersten Jahr 1976 war das Krankenhaus zu 99 Prozent ausgelastet. Rund 10 000 Patienten wurden stationär behandelt und 1000 Babies geboren. 1977 wurde das Krankenhaus dazu zum Akademischen Lehrkrankenhaus der Uni Tübingen. Seither absolvieren Medizinstudenten dort ihr Praktisches Jahr.
- Notärzte: Dr. Udo Stirner schuf 1978 das organisierte Notarztwesen am Krankenhaus Friedrichshafen. Zu Beginn fuhr er alle Einsätze selbst, später teilten die Ärzte sich das. Heute stellt das Klinikum den Notarzt überwiegend, das DRK-Noteinsatzfahrzeug ist am Klinikum stationiert.
- Kommunaler Klinikverbund: Nachdem das Städtische Krankenhaus in eine Tochter, die Klinikum Friedrichshafen GmbH, ausgegliedert wurde, übernahm es 2013 das Weingartener Krankenhaus 14 Nothelfer. 2015 folgte die Übernahme der Tettnanger Klinik und die Klinikgruppe Medizin Campus Bodensee (MCB) entstand. Rund 30 Millionen Euro hat der Hauptgesellschafter des MCB, die Stadt Friedrichshafen, bisher aufgewendet, um die Verluste des kommunalen Klinikverbunds seit 2014 auszugleichen. Aktuell ist ein neues Zentralklinikum im Gespräch, zudem herrscht ein starker Sparkurs und eine Neuausrichtung wird geplant. (sab)