Die größte Baugrube im Land nach dem Stuttgarter Bahnhof (S 21) ist derzeit am Bodensee. Rund sieben Kilometer lang ist die Trasse für die neue B31 zwischen Friedrichshafen und Immenstaad, auf der ab Ende 2020 der Verkehr rollen soll. Mit Gesamtkosten von 157 Millionen Euro ist es derzeit nicht nur die größte, sondern auch die teuerste Baustelle des Landes im Straßenbau. Ende Juni informierte sich Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann auf der Baustelle persönlich über den Stand der Dinge. Er zeigte sich erfreut, dass das für die Region so wichtige Infrastrukturprojekt im Zeit- und Kostenrahmen liegt. Aber nicht nur deshalb.

Die B31 ist landesweit das erste Projekt, das der "Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau" (DEGES) übertragen wurde. Seit 2014 ist sie für die Abwicklung und Durchführung des Baus zuständig. Den Job macht das Unternehmen gut, denn jetzt folgen weitere Aufträge – und zwar in großem Umfang. Die Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg hat ein Auftragspaket im Wert von 2,6 Milliarden Euro geschnürt, das an die DEGES geht.

Zu wenig eigene Kapazitäten

Aus gutem Grund, denn allein 117 Straßenbauprojekte in Baden-Württemberg mit einem Investitionsvolumen von rund 9,5 Milliarden Euro stehen im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans und harren der Umsetzung. Ein zu großes Paket für die Landesstraßenbauverwaltung, deren Kapazitäten für ein solches Auftragsvolumen nicht ausreichen. Deshalb soll die DEGES im Auftrag des Landes ein Teil der Projekte operativ betreuen – von der Planung bis zum Bau.

1991 vom Bund gegründet

Dabei ist die DEGES kein gewöhnliches Unternehmen, sondern eine Projektmanagementgesellschaft, die für ihre Mitglieder als Bauherrin fungiert. 1991 vom Bund gegründet, um Neu- und Ausbau von 1200 Autobahnkilometern in der früheren DDR zu planen und zu bauen, gehören heute neben den fünf neuen Bundesländern die Städte Hamburg und Bremen sowie vier Bundesländer im Westen zu den Gesellschaftern, darunter seit 2014 auch Baden-Württemberg. Als Pilotprojekt betreut die DEGES den B 31-Ausbau zwischen Friedrichshafen und Immenstaad – mit „durchweg positiven Erfahrungen“, wie das Landes-Verkehrsministerium befindet.

An der Tunnelbaustelle in Waggershausen nah der ZF-Werke (links) beginnt die sieben Kilometer lange Baustelle für die neue B 31.
An der Tunnelbaustelle in Waggershausen nah der ZF-Werke (links) beginnt die sieben Kilometer lange Baustelle für die neue B 31. | Bild: Stefan Hilser

Darum folgen nun neue Aufgaben. Nach Auskunft der Pressestelle des Ministeriums wurden drei Abschnitte der A98 sowie Erhaltungsarbeiten im Abschnitt an der Landesgrenze zu Bayern bis zum Autobahnkreuz Weinberg an der A81 bereits beauftragt. „Die weiteren Maßnahmen sollen bis Anfang kommenden Jahres stufenweise noch beauftragt werden“, teilte die Pressestelle mit. Dazu gehören der sechsstreifige Ausbau der A 5 zwischen den Anschlüssen Heidelberg und Walldorf, der sechsstreifige Ausbau der A 6 zwischen Weinsberg und Crailsheim sowie weitere Aufträge an der A81.

Gesellschaft stellt weitere Mitarbeiter ein

Um dieses Auftrags-Portfolio auch im Zeit- und Kostenplan abarbeiten zu können, werde die DEGES weitere Mitarbeiter in Planung und Management einstellen, die die Projekte in Baden-Württemberg betreuen. Bei der Umsetzung komme der Gesellschaft „ihre umfangreiche Erfahrung bei der bundesweiten Abwicklung großer und komplexer Infrastrukturprojekte zugute“, erklärt die Pressestelle der DEGES in Berlin ihr Vorgehen im Südwesten. Die Verwaltungs- und Projektierungskosten werden dabei bis zum Jahr 2020 vom Land getragen, nachlaufend vom Bund erstattet und danach direkt vom Bund finanziert.

Mit der Einbindung der DEGES will das Land aber auch einen möglichst reibungslosen Übergang zur IGA schaffen. Die Abkürzung steht für „Infrastrukturgesellschaft Autobahnen“, die auch in Baden-Württemberg ab dem Jahr 2021 die operativen Aufgaben an den Autobahnen übernehmen wird. „Mithilfe der DEGES steigern wir die Planungskapazitäten im Straßenbau. Es wird einen geordneten Übergang geben. Bis die DEGES die Projekte übernimmt, arbeiten die Regierungspräsidien weiter daran“, so Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Landes-Verkehrsministerium.

Die Planungen für eine Umgehung/einen Ausbau der Bundesstraße 31 reichen bis in die 60er Jahre zurück

  • 1963: Bundesverkehrsminister Seebohm (CDU) verspricht die gesamte Umgehungsstraße „noch in diesem Jahrzehnt“ (vor 1970).
  • 1972: Bundesverkehrsminister Leber (SPD) an OB Grünbeck: „Die gesamte Umgehungsstraße wird Ende der 70er Jahre befahrbar sein.“ Bau in zwei Abschnitten: erster Abschnitt bis Ehlersstraße, zweiter Abschnitt vom Stockerknoten bis Dornier-Knoten. Geplant: Südumgehung Schnetzenhausen.
  • 1985: Das Planfeststellungsverfahren für den zweiten Abschnitt beginnt.
  • 1987: Planfeststellungsbeschluss für den gesamten zweiten Abschnitt mit Nordumfahrung Schnetzenhausen.
  • 1990: Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses ab Waggershausen bis Dornier-Knoten durch Verwaltungsgericht wegen unrichtiger Angaben über Grundstücksbeschaffung.
  • 1992: Straßenbauverwaltung verspricht: neuer Planfeststellungsbeschluss für 1994/1995 mit Umweltprüfung. Prüfung der Dornier-Bahntrasse bei Fischbach.
  • 1994: Planfeststellungsbeschluss für 1996 angekündigt.
  • 1996: Planfeststellungsbeschluss für 1999 angekündigt.
  • Anfang 1999: Planfeststellungsbeschluss für 2001 angekündigt.
  • Oktober 1999: Planfeststellungsbeschluss für 2003 angekündigt.
  • März 2002: Gründung der Bürgerinitiative „Pro Kluftern“.
  • November 2002: Das Planfeststellungsverfahren wird beantragt. Kosten bei rund 68,5 Millionen Euro.
  • Mai/Juni 2003: Die erste Planauslegung erfolgt. Es gehen 1857 Einwendungen ein.
  • März 2005: Gründung der Initiative Pro B 31.
  • 2005: zweite Anhörung zur Planfeststellung in Schnetzenhausen.
  • Juni 2008: Der Planfeststellungsbeschluss wird erlassen.
  • August 2008: Klagen gegen das Bauvorhaben werden beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim eingereicht. Diese sollen laut Gericht bis Juni 2009 behandelt werden.
  • September 2008: Die IHK und die Vorstandsvorsitzenden von ZF, MTU/Tognum und Zeppelin setzen sich bei Staatssekretärin Roth im Ministerium für Verkehr für den schnellen Bau der B31-neu West ein.
  • Januar 2009: Das Konjunkturpaket der Bundesregierung wird verabschiedet. Ob daraus auch Mittel für den Bau der B31-neu West zur Verfügung stehen, ist noch nicht klar.
  • 20. Mai 2010: Eine Revision gegen das Urteil des VGH zur B.31 Friedrichshafen wird zugelassen. Der Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums wird rechtskräftig.
  • 31. Januar 2013: Das Bundesverkehrsministerium hat den so genannten Gesehensvermerk für die zweite Kostenfortschreibung zum Waggershauser Tunnel erteilt und 1,5 Millionen Euro in diesem Jahr für die Verlegung des Mühlbachs im Zuge des Ausbaus der B.31 zugesagt.
  • Bis Freitag, 31. Mai 2013, lässt das Regierungspräsidium (RP) Tübingen für die geplante Verlegung der B.31 zwischen Immenstaad und Friedrichshafen Bodenuntersuchungen erledigen, um gesicherte Kenntnisse über den Baugrund für die baureife Planung der Strecke und der Bauwerke zu erhalten. Nachdem das Bundesverkehrsministerium im Februar einer Verlängerung des Tunnels Waggershausen auf 700 Metern zugestimmt hat, werden derzeit Unterlagen für ein ergänzendes Planfeststellungsverfahren erarbeitet. Das RP beabsichtigt, im Herbst den Antrag auf Einleitung des Verfahrens bei der Planfeststellungsbehörde zu stellen. Ebenso hat das Ministerium der Verlegung des Mühlbachs und der Umsiedlung von Bachmuscheln zugestimmt.
  • 30. April 2014: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Lothar Riebsamen vermittelt ein Gespräch zwischen Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Der Termin soll am 23. Mai sattfinden.
  • 29. Juli 2014: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ruft den Bundestagsabgeordneten Lothar Riebsamen (CDU) auf dem Handy an und teilt mit, dass insgesamt 97 Millionen Euro für den Bau der Umgehungsstraße B.31-neu zwischen Friedrichshafen und Immenstaad fließen werden. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums bestätigt, dass die Mittel im Bundeshaushalt 2014 eingestellt wurden.
  • 24. November 2014: Symbolischer Spatenstich für den Bau der B31-Umgehung zwischen Friedrichshafen-Schnetzenhausen und Friedrichshafen-Sparbruck mit rund 500 Teilnehmern. Winfried Hermann (Grüne), Verkehrsminister des Landes, machte deutlich, dass das Land auf einen durchgehenden Ausbau der B 31 als Hauptverkehrsachse setze. OB Andreas Brand wie auch der Tübinger Regierungspräsident Hermann Strampfer hoben den Einsatz des Häfler Bündnisses „Pro B 31“ hervor, dass trotz mancher Rückschläge nie aufgegeben habe. Brand wie Dorothee Bär vom Bundesverkehrsministerium erinnerten an Rolf Schilpps für das Projekt hilfreiche Nadelstiche. Und Bär verwies auf die mehrfachen Anfragen des CDU-Bundestagsabgeordneten Lothar Riebsamen in dieser Sache. Hermann ging als einziger Redner auch auf die Protestplakate ein, die Gegner des Straßenbaus mitgebracht hatten. Angelehnt an die auf den Plakaten zu lesenden Forderungen, sprach er sich für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in der Region aus.
  • 18. Mai 2015: In öffentlicher Gemeinderatssitzung erklärten Vertreter der beauftragten Bausgesellschaft Deges, dass im Jahr 2020 der Verkehr auf der B-31-Umgehung zwischen Friedrichshafen und Immenstaad rollen werde. Ende 2015 sollen vier Brücken gebaut werden. Außerdem fallen höhere Kosten für die Verlängerung des Waggershauser Tunnels an.
  • 5. April 2016: Offiziell wird mit dem Bau von vier Brücken für die B31-neu Friedrichshafen-West begonnen. Fertig werden soll die Gesamtstrecke 2020. Bis dahin werden die Bauarbeiten voraussichtlich auf Jahre Verkehrsbehinderungen mit sich bringen, so Oberbürgermeister Andreas Brand.