Schon seit sieben Uhr warten die Menschen vor dem Dornier-Museum, um ganz vorne mit dabei zu sein, wenn die Antonow mit der "Landshut" landet. Doch vor acht Uhr darf keiner rein, nur Ehrengäste und die vielen Pressevertreter, die bereits emsig filmen, fotografieren und interviewen. Auch auf der Aussichtsplattform am Flughafen geht nichts mehr. Um viertel nach acht sagt der Mann vom Sicherheitspersonal: "Es ist voll!" "Seit wann?" fragt ein Gast, der noch auf der Treppe steht. "Seit jetzt!" "Dann haben wir noch Glück gehabt, oder?" "Nein, es ist voll." "Aber da ist doch noch Platz!", beschwert sich ein anderer, der mit einem Kaffee in der Hand die Treppe heraufkommt. "Das sieht für Sie vielleicht so aus, aber von der Sicherheit her betrachtet ist es voll", sagt der Mann in der Weste. Wenig später lässt er sich doch erweichen und die Terrasse ist in kürzester Zeit bis auf den letzten Quadratzentimeter besetzt.

Maria Engler aus Ravensburg ist wegen des Geräuschs gekommen. "Die Bilder, die kann ich mir ja auch im Fernsehen oder im Internet anschauen, aber das Motorengeräusch von der Antonow, das will ich live gehört haben." Vor ein paar Jahren ist die Antonow schon mal über ihr Haus geflogen, das Wummern der Maschine hat sie nie vergessen. "Die ganzen tausend Fotos, die schaut man doch nie wieder an. Wichtig ist, du hast es selbst gesehen!", sagt ihre Schwester Rita Schneider. Sie sind schon um halb acht mit dem Zug angekommen. "Dass die Landhut da drin ist, finde ich auch interessant, da haben wir doch damals alle mitgefiebert, sagt Engler. "Aber wenn sie jetzt die Einzelteile in einem LKW angefahren hätten, wären wir nicht gekommen, meint ihre Schwester.
Ganze Familien stehen hier und warten. Manche sind gut ausgerüstet mit Keksen, Brezeln, Teleobjektiven und Leiterchen, andere frieren jetzt schon. Trotzdem harren alle aus. "Das sind einfach Raritäten, die Antonow und die Iljuschin, die sieht man in Friedrichshafen sonst nicht", sagt Marvin Schenk. Während sie warten, spekulieren die Zuschauer: "Ich habe gehört, sie soll von Meckenbeuren kommen", sagt einer. Bereits seit 6 Uhr ist Dirk Schimkat aus Freiburg vor Ort. Der 48-Jährige hat im Hotel am Flughafen übernachtet und an diesem Morgen nicht nur seine Kamera eingepackt. Eine großzügige Spende ermöglicht ihm den Zugang zum Bereich für geladene Gäste und Medienvertreter. Für ihn ist dieser Tag ein großes Ereignis – in doppelter Hinsicht: "Ich wollte schon immer eine Antonow 124 live erleben. Dass jetzt auch noch die 'Landshut' darin transportiert wird, ist einfach großartig."

Vom Dornier-Museum aus hat sich zu diesem Zeitpunkt der Pressetross an den Rand der Rollbahn begeben. Gespanntes Warten und Gedrängel um den besten Platz. Währendessen eskortiert Museumsdirektor David Dornier seine Ehrengäste ans Rollfeld. Der ehemalige Co-Pilot der Landshut, Jürgen Vietor, ist dabei, die Stewardess Gabriele von Lützau, auch Passagierin Diana Müll. Aus der Politik sind wenige Vertreter gekommen: Landrat Lothar Wölfe, SPD-Kreisvorsitzender Norbert Zeller, und CDU-Landtagsabgeordneter Claus Paal. Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand fehlt, wegen anderer Termine, wie es heißt. Auch aus dem Häfler Gemeinderat sind nur zwei Vertreter der CDU gekommen: Norbert Fröhlich und Bruno Kramer. Als man David Dornier bittet, sich mit seinen Gästen für ein Bild zur Presse zu drehen, kann er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Die schlechte Presse vom Bodensee will ein Foto – dann bitteschön!"

Um 9.20 Uhr ist es dann endlich so weit: silberglänzend setzt die riesige Maschine mit dezentem Rauschen auf und rollt an den Zuschauern vorbei. "Ich habe gar nichts gesehen, beschwert sich ein Junge, der mitten im Getümmel steht. "Wir gehen jetzt dahin, wo sie entladen wird", tröstet sein Vater. Bei der Presse brechen derweil alle Dämme. Als die Antonow auf ihrer Parkposition steht, hält die Journalisten nichts mehr – alle wollen dabei sein, wenn sich der Bug des Frachtfliegers öffnet und die "Landshut" sichtbar wird. Dann ist der Jubel groß – David Dornier, Jürgen Vietor, Diana Müll und Gabriele von Lützau begrüßen den Flieger – von ihnen werden in wenigen Minuten Abertausende Fotos geschossen.

Sie sind überwältigt von diesem Moment. "es ist einfach wunderbar, dass unsere 'Landshut' jetzt hier ist", freut sich der 75-jährige Jürgen Vietor und bedankt sich auch bei David Dornier, der die Landung des Fliegers in Friedrichshafen möglicht gemacht hat. Dornier selbst ist ebenfalls sichtlich erleichtert. "Ich bin glücklich – heute fängt ein großes Projekt an", sagt er. Ob er Oberbürgermeister Andreas Brand vermisse? "Nein, ich vermisse ihn nicht", sagt David Dornier, fügt dann aber schnell hinzu, dass man "freundschaftlich in Kontakt sei". Landrat Lothar Wölfle versucht, ein wenig die Wogen zu glätten, die sich im Laufe der Zeit zwischen der Stadt Friedrichshafen und dem Direktor des Dornier-Museums gebildet haben. "Die Kommunikation zwischen beiden war sicher unglücklich. Aber jetzt ist die 'Landshut' da und nun starten wir durch. Das ist eine echte Chance für die Region", so der Landrat.
Diana Müll und Gabriele von Lützau geben Interviews am laufenden Band. "Ich möchte, dass die Geschichte lebt – die 'Landshut' soll ein Mahnmal werden, um für immer an die Entführung zu erinnern", sagt Diana Müll. "Mogadischu lässt einen nicht mehr los, das trage ich immer in mir", sagt auch Aribert Martin aus Fulda. Er war als Mitglied der Spezialeinheit GSG 9 bei der Stürmung der "Landshut" in Mogadischu dabei. Um an diesem Samstag in Friedrichshafen mitzuerleben, wie die Maschine heimkehrt, hat er alle anderen Termine gestrichen – selbst die Geburtstagsfeier seines Sohnes wurde verschoben. Dass die "Landshut" nun da ist, bezeichnet er als "göttlich". Die Maschine sei ein Symbol der Freiheit. "Hier wurden Menschen aus höchster Not befreit und mit dieser Aktion haben wir begonnen, die RAF nieder zu ringen. Das muss doch in Erinnerung bleiben." Während er erzählt, kommen dem ehemaligen GSG-9-Mann immer wieder die Tränen.

Erst jetzt können die Techniker der Lufthansa mit der eigentlichen Entladung beginnen – an Bord der Antonow sind der Rumpf, beide Tragflächen und das Seitenleitwerk der "Landshut". Vorsichtig arbeiten die Techniker – auf den letzten Metern soll kein Fehler mehr passieren. Im Dornier-Museum läuft derweil das Bürgerfest auf vollen Touren. Im Hangar stehen Biertische, eine Liveband spielt und auf einer großen Leinwand können die Besucher die gelandete Antonow sehen. Sie hat ihren Bug hochgeklappt, die Vorbereitungen zum Ausladen der Landshut laufen. "Es ist gut, dass die Landshut jetzt hier ist, sagt Ottmar Schneider, der einen Sticker trägt, auf dem steht: "Willkommen zu Hause, Landshut."
Familie Rönsch kommt mit den sechs- und achtjährigen Kindern öfters ins Dornier-Museum. Sie wollen ihnen auch die Landshut zeigen, wenn sie aufgebaut ist. "Ich war zwei, als das passiert ist. Jetzt, wo es etwas zum Angucken und Anfassen gibt, ist diese Geschichte für mich viel realer, sagt Markus Rönsch. Obwohl es die Leinwand gibt, stehen viele Besucher draußen und beobachten durch den Zaun, wie die Landshut sich langsam aus der Antonow heraus bewegt. "Das Flugzeug bekommt ein Baby!, ruft der sechsjährige Lukas Lehmann. Sein Vater Tobias kommt mit seinen Söhnen öfters zum Flughafen. "Es ist schon beeindruckend, wie groß die ist, so etwas haben wir hier noch nicht gesehen, sagt er.

So kam die Maschine nach Friedrichshafen
"Die Landshut ist das Symbol des Deutschen Herbstes"
Noch vor wenigen Monaten wussten nur wenige, dass die "Landshut" künftig am Bodensee eine neue Heimat finden würde. Eine Chronologie der Ereignisse:
- Februar 2017: in Medienberichten wird darüber spekuliert, ob die Landshut, die auf dem brasilianischen Flughafen Fortaleza vor sich hin rostet, nach Deutschland zurück geholt werden könnte.
- Frühjahr 2017: Die Städte Flensburg und Landshut bewerben sich darum, die Lufthansa-Maschine auszustellen
- April 2017: David Dornier meldet sich beim Auswärtigen Amt und bietet an, die "Landshut" im Dornier-Museum auszustellen.
- 27. Juli 2017: Das Auswärtige Amt und das Dornier-Museum bestätigen, dass die Landshut nach Friedrichshafen ins Museum kommt.
- 14. August 2017: Außenminister Sigmar Gabriel besucht das Dornier-Museum und verkündet offiziell, dass ein Team der Lufthansa demnächst in Brasilien mit der Demontage der Maschine beginnen werde.
- 21. August 2017: Die Techniker der Lufthansa beginnen im brasilianischen Fortaleza mit der Demontage der Maschine. Die Arbeiten gestalten sich schwierig.
- 22. September: Eine Antonow AN-124 und eine Iljuschin IL-76 starten in Richtung Friedrichshafen.
- 23. September, 9.20 Uhr: Ankunft der ersten Frachtmaschine auf dem Bodensee-Airport. An Bord sind der Rumpf, die beiden Tragflächen und das Seitenleitwerk. Um 13.02 Uhr landet die zweite Maschine mit den restlichen Teilen. (mom)

Jürgen Vietor, Co-Pilot der entführten Lufthansa-Maschine, und Passagierin Diana Müll waren bei der Ankunft in Friedrichshafen dabei. Für beide ein bewegender Moment.
Wie finden Sie es, dass die Landshut in Friedrichshafen angekommen ist?
Vietor: Das finde ich toll. Das war jetzt auch die allerletzte Chance. Sonst wäre sie zerlegt worden und es wären Cola-Dosen draus gemacht worden.
Müll: Ich habe Gänsehaut und freue mich sehr, dass sie da ist. Als ich die Landshut das erste Mal in Fortaleza gesehen habe, da war das für mich nicht leicht. Ich werde Angst davor haben, wieder in die Landshut zu gehen, wenn sie restauriert wurde, wenn wieder alles so ist, wie früher. Ich glaube, das wird für mich schwieriger.
Was sagen Sie zum Anblick der Maschine in der Antonow?
Vietor: Ich finde die Antonow toll. Ich kenne die auch nur aus Dokumentationen im Fernsehen. Und unser Bobby – das ist der Spitzname der Landshut – der macht sich doch gut darin. Das ist einfach großartig.
Wie wichtig war es für Sie, dass die Landshut nach Deutschland kommt?
Vietor: Sehr wichtig, denn die Landshut ist das Symbol des Deutschen Herbstes. Es waren schlimme Tage damals – die Schleyer-Entführung und -Ermordung und die Landshut-Entführung. Das war sehr bewegend. Von den Zeitzeugen sind schon viele gestorben, ich selbst bin 75 Jahre alt. Nur die Landshut ist das letzte feste Stück, das man begehen kann und deshalb ist es auch so wichtig, dass sie hier ist.
Wie soll Ihrer Meinung nach das museale Konzept aussehen?
Müll: Ich finde, sie muss genau so wiederhergestellt werden, wie sie war. Es gibt spezielle Dinge, die da reingehören. Das sind die Sitze und das ist der Vorhang zur Ersten Klasse, der für mich immer so wichtig war, weil dahinter die Terroristen agierten. Und eines war für uns alle wirklich wichtig: Das weiße Läppchen. Das waren diese Stoffe an der Kopfstütze. Denn wir hatten ja nichts dabei, keine Taschentücher, nichts. Wir haben dann immer diese Läppchen abgemacht und uns damit abgewischt oder wir haben versucht, damit Zähne zu putzen. Danach haben wir sie wieder an die Kopfstütze zum Trocknen gehängt. Das sind so verrückte Dinge, die sind einfach wichtig. Wenn das dann alles wieder in der Landshut zu sehen ist, kommt in mir die Angst wieder hoch.
Fragen: Kerstin Mommsen