Eine Schulnote wollten sie sich nicht geben. Dennoch haben sich Jürgen Holeksa und Simon Wolpold vom Netzwerk für Friedrichshafen sehr zufrieden gezeigt mit ihrer bisherigen Arbeit im Häfler Gemeinderat. Warum das so ist, führten der Fraktionsvorsitzende Holeksa und sein Stellvertreter Wolpold bei einem Pressegespräch aus – zudem brachten sie noch eine Idee für die Zeit nach Corona an.
Beteiligt am Stopp der Seewald-Rodung
Jürgen Holeksa zählte auf, wie viele eigene Anträge das Netzwerk seit Antritt im Gemeinderat 2019 eingebracht hat (28) und an wie vielen fraktionsübergreifenden Anträgen sie beteiligt waren (8). Doch interessanter als numerische Aufzählungen dürfte die thematische Rückschau sein. Als Erfolg nannte Holeska den im September 2019 eingebrachten Antrag zum Erhalt des Häfler Seewaldes. Damals standen 3,5 Hektar des Gebiets zur Disposition. Die Firmen Liebherr-Aerospace und Aerospace Transmission Technologies (ATT) wollten ihr bestehendes Werksgelände erweitern. Mehrere Parteien des Rats stellten sich gegen das Vorhaben. Das Projekt wurde im Spätsommer 2020 auf Eis gelegt.
Auch den 2019 eingereichten Antrag zur Vorlage eines Kosten- und Finanzierungsplans für die geplante Umgestaltung des Häfler Uferparks bewerten Holeksa und Wolpold positiv. Zur Wahl des Gemeinderats war das Netzwerk mit dem Versprechen angetreten, mehr Kostentransparenz für das geplante Großprojekt zu schaffen. Jürgen Holeksa: „Als die 50 Millionen, die wir geschätzt haben, nicht von der Stadt dementiert worden sind, war klar, dass das nicht leistbar ist.“ Aktuell ist nicht sicher, was von den ursprünglich großen Plänen übrig bleiben wird – etwa dem großen „Stadtbalkon“ am Ufer – und wann sie umgesetzt werden sollen. Für kleinere Verschönerungen möchte sich das Netzwerk einsetzen, etwa die Erneuerung der Mauer am Gondelhafen. Auch einen Molensteg und die Öffnung des Ufers sieht Holeksa als „eine charmante Idee“. Wie sich die Pläne entwickeln, ist noch offen. Denn auch anderen die Fraktionen des Rats haben sich zu Möglichkeiten der Umgestaltung geäußert. Die Debatte darüber steht noch aus.

Kritischer Rückblick auf Begrünung des Adenauerplatzes
Kritisch betrachten Holeksa und Wolpold rückblickend die Arbeit ihrer Fraktion in Sachen Adenauerplatz. Sie betonten, ihr Antrag zur Begrünung des Areals vor dem Rathaus habe zwar zunächst breite Zustimmung gefunden – im April könnten die Arbeiten beginnen. Allerdings hatten Entwürfe für das Vorhaben für rege Diskussionen gesorgt: Ursprüngliche Konzepte hätten den Umzug einiger Markttreibender vom Platz erfordert. Neue Pläne lösten das Problem letztlich. Jürgen Holeksa sagte rückblickend: „Eine Vorabstimmung mit den Fraktionen wäre nötig und denkbar gewesen.“ Stellvertreter Simon Wolpold ergänzte: „Nicht alle in der Fraktion sind mit der Lösung glücklich. Aber wir sind froh, dass das Projekt auf den Weg gebracht wurde.“

Doch was hat das Netzwerk mit Blick auf die Zukunft vor – in welchem Friedrichshafen wollen sie leben? Jürgen Holeksa schwebt eine Industriestadt vor, die auch nachhaltigen Tourismus anzieht und weiterentwickelt. „Und aus Bürgersicht könnte die Stadt ein liebenswürdigeres Gesicht entwickeln.“ Noch immer, so ergänzte Holeksa, sei die Stadt geprägt durch die Industrie – und auch den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Zudem möchte sich die Fraktion für nachhaltiges Bauen einsetzen, etwa zur Nutzung von Bestandsobjekten. Dies sei künftig für eine Kita geplant, konkreter zu diesem Vorhaben wollten sie sich noch nicht äußern. Aber auch bei einer Erweiterung der Albert-Merglen-Schule sei dies möglich, betonte Holeksa. Die Stadt Friedrichshafen plant einen Neubau, allerdings setzt sich besonders Biobauer Simon Wolpold gegen das Projekt ein.
Abriss des alten Zollhauses?
Einen Neubau wünschen sich die Ratsmitglieder für das alte Zollhaus, in dem die Fraktionen des Gemeinderats untergebracht sind. Bereits 2013 hatte die Stadt den schmucklosen Gebäuderiegel im L-Format in der Schanzstraße direkt neben dem Rathaus gekauft, als das Hauptzollamt in den Büropark Rotach umgezogen war. Seither ist von einem Filetgrundstück die Rede, das seiner Entwicklung harrt. Die Netzwerk-Vertreter wünschen sich einen Abriss des Gebäudes. Flächen für Einzelhändler und Wohnraum sollen an dieser Stelle entstehen. Dafür, so betonte Simon Wolpold, sei das jetzige Objekt schwer umzurüsten.
„Stadt hat über ihren Verhältnissen gelebt“
Trotz dieses Projektes wünscht sich Simon Wolpold im Grundsatz eine andere Ausgabenpolitik in Friedrichshafen: „Die Stadt hat lange Zeit durch die Zeppelin-Stiftung über ihren Verhältnissen gelebt, zum Beispiel beim Flughafen aber auch den Krankenhäusern.“ Als Beispiel nannte Jürgen Holeksa den Erwerb des Krankenhauses „14 Nothelfer“ in Weingarten: 2013 übernahm das Klinikum Friedrichshafen die Traditionsklinik, um einen kommunalen Klinikverbund zu begründen. Im Juli 2020 entschied der Häfler Gemeinderat dann, den Betrieb nicht länger zu finanzieren. Das Krankenhaus kam nie aus den roten Zahlen. Das „14 Nothelfer“ war zahlungsunfähig.
„Falsch“, findet Jürgen Holeksa rückblickend den Erwerb. „Man hat viele Millionen in den Sand gesetzt.“ Er hätte sich vielmehr gewünscht, den Klinik-Standort Friedrichshafen zu stärken. Auch an anderer Stelle finden die Netzwerk-Räte, die Stadt gebe zu viel Geld für die falschen Dinge aus. Zum Flughafen Friedrichshafen sagte Holeksa: „Der muss eine schwarze Null schreiben.“ Auf Rückfrage gab er zu, er rechne nicht damit, dass der krisengebeutelte Airport zumindest kostenneutral wird. „Wenn das nicht möglich ist, muss man sich mit der Schließung des Flughafen in seiner jetzigen Form nachdenken.“
Als zu wenig bürgernah bezeichnete Simon Wolpold diese Projekte – mit zu viel Fokus auf Prestige. Er wünscht sich, dass künftig mehr Geld für Lebensqualität der Anwohner und mehr Klimaschutz ausgegeben wird. Mit Arbeitsplätzen in der Innenstadt, aber etwa auch Sportstätten und Kitas.
Großes Fest nach der Pandemie?
Und noch etwas wünschen sich die Netzwerker für die Zukunft: Ein großes Fest nach der Pandemie. Grober Zeitrahmen ist die Zeit nach 2023. Jürgen Holeksa: „Das kann zum Beispiel eine internationale Bundes- oder Gartenschau sein. Wir wollen darüber nachdenken und Diskussionen darüber führen.“ Kollege Wolpold ergänzte: „Wir wollen wieder die Flamme hier in die Stadt kriegen. Ich glaube, dass sich viele engagieren würden, wenn wir die Möglichkeit dazu bieten.“