Gut Ding will Weile haben, sagt der Volksmund. Doch in Sachen Zollhaus-Areal dauert es vielen Leuten inzwischen deutlich zu lange. Bereits 2013 hatte die Stadt den schmucklosen Gebäuderiegel im L-Format in der Schanzstraße direkt neben dem Rathaus gekauft, als das Hauptzollamt in den Büropark Rotach umgezogen war. Seither ist von einem Filetgrundstück die Rede, das seiner Entwicklung harrt.

Das alte Zollhaus (blau eingefärbt) am Kirchplatz gilt als innerstädtisches Filetstück für die Stadtentwicklung.
Das alte Zollhaus (blau eingefärbt) am Kirchplatz gilt als innerstädtisches Filetstück für die Stadtentwicklung. | Bild: Gerhard Plessing

Die wäre auch dringend nötig, kämpfen Händler und Gewerbetreibende in der Innenstadt nicht erst seit der Corona-Pandemie durch starke Konkurrenz des Online-Handels mit einem zunehmenden Trading-Down-Prozess. Dieser Begriff beschreibt die Entwicklung eines Zentrums vom vollständigen Angebot hin zu zunehmenden Leerständen und ausbleibender Kundschaft. Nicht umsonst positionierte sich das Häfler Stadtforum als deren Interessenvertreter vor der Ratssitzung klar und deutlich: Eine zeitnahe Planung mit Bürgerbeteiligung zum Zoll-Areal sei „überfällig“.

Was die Stadt mit dem Zollhaus-Areal vorhat

2015 war das Thema im Rathaus in der Schublade verschwunden, als nicht nur Ratsfraktionen, sondern auch städtische Bedienstete hier Büroräume beziehen konnten. Was als Zwischenlösung gedacht war, blockiert seit fünf Jahren offensichtlich Überlegungen für das Danach. Mehr als Ziele für ein Konzept gibt es bisher nicht. Und die sind sehr allgemein gehalten.

Eingang zum ehemaligen Zollhaus: Seit fünf Jahren haben hier die Ratsfraktionen und Mitarbeiter des Rathauses ihr Büro.
Eingang zum ehemaligen Zollhaus: Seit fünf Jahren haben hier die Ratsfraktionen und Mitarbeiter des Rathauses ihr Büro. | Bild: Mommsen, Kerstin

Mit einem städtebaulichen Konzept, das nun entwickelt wird, soll das Areal am Kirchplatz aufgewertet und attraktiver gestaltet, der Bereich um die Schanz- und Eugen-Bolz-Straße belebt werden. Prinzipiell wäre denkbar, dafür sogar den Kirchplatz zu verkleinern, steht in der Ratsvorlage. Ziel ist ein Gebäudekomplex, der möglichst viele Nutzergruppen anspricht. So böte sich mit einer Neubebauung die Gelegenheit, wieder Kaufkraft zu binden und „in der Kernstadt ein attraktives, ergänzendes Sortimentsangebot im Einzelhandel zu schaffen“. Darüber hinaus sind Wohnungen, Büros und Gastronomie vorgesehen, aber auch Räume für die Stadtverwaltung. Egal, was die Stadt hier plant: Bauen will sie nicht selbst, sondern dafür in einem Wettbewerb den passenden Investor finden.

Netzwerk hatte das Thema 2019 wieder auf die Tagesordnung gesetzt

Im Dezember 2019 hatte das Netzwerk für Friedrichshafen mit seinem Antrag das Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Stillstand war lange genug, befand die gerade erst in den Gemeinderat eingezogene Fraktion. Und siehe da: Eine große Mehrheit beschloss, nun endlich mit der konkreten Planung zu beginnen und die Bürger dabei einzubeziehen. Im ersten Halbjahr 2020 war eine Planungswerkstatt geplant. Doch dann kam Corona.

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Ein halbes Jahr später bringt die Pandemie immer noch Pläne durcheinander oder wirft sie ganz über den Haufen. Wie nun weiter machen mit dem Projekt altes Zollhaus? Am Montagabend entschied sich der Gemeinderat mit großer Mehrheit dafür, die Planungswerkstatt jetzt anzugehen, auch wenn sie hauptsächlich digital stattfinden muss und es wohl noch Jahre braucht, bis die Bagger anrollen. „Wir sollten nicht in den Corona-Lockdown gehen“, warb Netzwerk-Fraktionschef Jürgen Holeksa bereits im Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt dafür, ein Zeichen zu setzen, dass es weiter geht. Die Verwaltung hatte als Option vorgeschlagen, die Planungswerkstatt auf 2022/23 zu verschieben.

CDU-Fraktion will keine Erwartungen wecken

Während die SPD im Ausschuss noch skeptisch war, ob die Planerei jetzt überhaupt Sinn macht, wenn die Umsetzung noch Jahre dauert, schwenkte Heinz Tautkus in der Ratssitzung am Montagabend voll und ganz auf die Linie des Netzwerks ein. „Wenn wir den Trading-Down-Prozess aufhalten wollen, müssen wir jetzt einsteigen“, sagte er, „und dabei die Bürger und die Fachleute einbinden.“

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Dieser Haltung schlossen sich auch die Freien Wähler – „Auf dem Zoll-Areal liegen viele große Hoffnungen“, so Dagmar Hoehne -, FDP und ÖDP ein. Auch die Grünen stimmten letztlich mit Ja, auch wenn Felix Bohnacker zu bedenken gab, dass die Innenstädte gerade einem Wandel unterliegen, der noch voll im Gange sei. Für die Mehrheit der CDU-Fraktion ist es sogar „unproduktiv und unseriös“, mit der Planungswerkstatt bei den Bürgern „jetzt Erwartungen zu wecken, die sich nicht zeitnah umsetzen lassen“, so Fraktionschef Achim Brotzer. So sei Enttäuschung zwangsläufig vorprogrammiert.

Stadtforum: Umsetzen statt Zerreden

Doch genau diese Aktivität erwartet das Häfler Stadtforum. Die Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt sei eines der Kernthemen, teilte das Forum vor der Ratssitzung mit. Deshalb habe der Vorschlag, bereits dieses Jahr mit der Planungswerkstatt zu beginnen und sie in digitaler Form umzusetzen, Priorität. „Das Stadtforum positioniert sich klar für mutiges Handeln und gegen ein Hinausschieben guter Ansätze“, steht in dem Schreiben. Statt Angst vor Veränderungen zu haben, wäre es besser, die Chancen, die in einer Neugestaltung gerade des Zollareals liegen, zu würdigen. Wichtig ist es nach Ansicht des Vorstands, dass es zeitnah mit konkreten Planungen und ersten Umsetzungen weitergeht, „ohne dass man dabei die Gesamtplanung für die Innenstadt aus den Augen verliert“.