Wenn Markus Eberle über die Monate nach der Eröffnung des Gerrix spricht, schwingt auch ein Hauch Sentimentalität mit: „Es gab einige Momente, in denen wir beim Blick auf die Tanzfläche Gänsehaut bekommen haben, der Club war bis ins hinterste Eck gefüllt. Dass das Gerrix so gut anläuft, hätten wir uns nie vorstellen können.“ Die Zeiten, über die Eberle spricht, sind nicht allzu lange her. Erst Ende Oktober 2021 eröffnete der Club, der mit Kapazität für mehr als 1000 Besucher zu den größten der Bodenseeregion zählt – und trotzdem steht am Samstag, 18. Januar, der letzte Tanz an, bevor das Gerrix für immer seine Türen schließt.
Junge Leute gehen seltener und sparsamer feiern
„Es lohnt sich einfach nicht mehr, die Kosten sind so hoch, die Einnahmen so gering, deshalb haben wir den Pachtvertrag auslaufen lassen“, erklärt Betriebsleiter Eberle. Dabei war der Start vielversprechend, wenn auch mit Verspätung. Eigentlich sollte der Club schon im März 2020 aufmachen, dann kam den Betreibern jedoch die Corona-Pandemie in die Quere. Notgedrungen wurde der Club zu einem Schnelltestzentrum umfunktioniert, bis es im Oktober 2021 endlich so weit war und die ersten Nachtschwärmer im Gerrix begrüßt werden durften.

„Der Hype nach Corona war unvorstellbar, der Club war jedes Wochenende voll, wir hatten für gute Abende mit ungefähr 600 Gästen gerechnet – oftmals waren es dann weit über 1000“, berichtet Markus Eberle von den ersten Monaten. Doch die Freude der Menschen, endlich wieder ausgelassen tanzen und feiern gehen zu können, hielt nicht ewig. Stattdessen sei deutlich geworden, wie sich die Ausgehkultur bei der jungen Generation verändert habe.

„Es stehen eben mittlerweile andere Dinge im Fokus: Reisen, coole Klamotten, das neueste Smartphone. Da wird dann halt am Ausgehen gespart, sowohl in der Häufigkeit als auch beim Clubbesuch selbst.“ Eberle sieht das auch am Pro-Kopf-Verzehr: „Früher lag der pro Gast bei 25 Euro, jetzt gerade so noch über 10 Euro.“ Der wichtigste Punkt sei aber, dass es beim Ausgehen nicht mehr darum gehe, jemanden kennenzulernen. „In Zeiten von Dating-Apps und sozialen Medien muss niemand mehr in die Disco gehen, um seinen Partner zu finden“, sagt Eberle.
Auftritte von Stars lockten Menschen aus ganz Süddeutschland an den Bodensee
Stattdessen gehe es heutzutage eher darum, einen Schnappschuss vom Clubbesuch auf Instagram zu veröffentlichen. Eberle fiel das besonders auf, wenn bekannte Künstler im Gerrix aufgetreten sind: „Da sind manche Gäste gefühlt nur gekommen, um ein paar Videos vom Star zu machen.“ Trotzdem würden aus seiner Sicht viele der Künstlerauftritte zu den besten Abenden gehören, die im Gerrix stattgefunden hätten. Und mit diesen Auftritten konnte sich der Club auch weit über die Grenzen der Bodenseeregion einen Namen machen: „Wenn wir hier Stars wie Haftbefehl hatten, kamen Leute aus ganz Süddeutschland zu uns – die wären sonst nie an den Bodensee gekommen.“

Den Stars gefiel es so sehr in der Anton-Sommer-Straße in Friedrichshafen, dass sie ihren Kollegen davon erzählten. Oftmals habe es bei Buchungsanfragen Zusagen gegeben, weil der gefragte Künstler schon von anderen vom Gerrix gehört hatte. Dementsprechend erreichen Eberle und sein Team nun auch Nachrichten aus allen Teilen des Landes: „DJs, Rapper – viele Künstler fragen uns, ob wir wirklich schließen, sie wären gerne noch einmal gekommen.“
Dabei ist das Schicksal des Gerrix beileibe kein Einzelfall. So berichtet Markus Eberle, der schon lange in der Gastroszene vernetzt ist: „Vom Bodenseekreis über Ravensburg bis hoch nach Ulm, überall schließen Clubs, das Nachtleben stirbt langsam aus.“ Mit dem Gerrix geht nun die letzte große Adresse der Region – wobei sich Eberle nicht vorwerfen lassen will, nicht alles versucht zu haben: „Wir haben Partys für unter 18-Jährige veranstaltet, wir haben am Ende nur noch samstags geöffnet, um die Kosten gering zu halten, hatten trotzdem immer wieder besondere Veranstaltungen – das alles ändert nichts daran, dass die Leute einfach weniger feiern gehen.“
Eng zusammengewachsenes Team macht den Abschied nicht leichter
Am Ende sei sich das ganze Team um Betreiber Bruno Miguel Goncalves, der derzeit gesundheitlich verhindert ist, einig gewesen, dass es das Beste sei, den Club aufzugeben. Trotzdem steigt bei Eberle, je näher der Samstag und damit die letzte Party rückt, auch die Wehmut: „Wir hatten hier ein ganz besonderes Team, das Personal ist zu 90 Prozent von Beginn an gleichgeblieben. Da haben sich enge Freundschaften entwickelt, wir haben viel privat unternommen, manche waren sogar zusammen im Urlaub. Deshalb wird der Abschied mit Sicherheit wehtun.“

Immerhin etwas Positives kann Markus Eberle aus dem Ende des Gerrix ziehen: „Wenn es etwas gibt, auf das ich mich wirklich freue, dann ist es, die nächsten Wochenenden mal nicht arbeiten zu müssen und zu normalen Uhrzeiten ins Bett gehen zu können.“