Geht es nach dem Chef der deutschen Orchestervereinigung „Unisono“, Gerald Mertens, ist dieses Geschäft ein Schnäppchen. „Nur 41 Cent“ müsse der Gebührenzahler entrichten, damit unsere Rundfunk-Orchester erhalten bleiben. Dafür seien sie unter anderem ein „wesentlicher Bestandteil der Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche, auch in ländlichen Räumen“, wie sie überhaupt „regional in den Sendegebieten unterwegs“ seien als „echte Kulturbotschafter für ihre Anstalten“.

Viel Ertrag also für wenig Geld? 14 von 16 Landesregierungen sehen das anders. Sie fordern ARD und Deutschlandradio auf, eine Reduzierung ihrer Klangkörper zu prüfen. Dafür gibt es zunächst auch gute Gründe.

Übers Jahr werden aus 41 Cent knapp fünf Euro. In den Ohren von Geringverdienenden hört sich das schon ganz anders an. Wer überdies am Bodensee wohnt und für diese fünf Euro den „Kulturbotschafter im ländlichen Raum“ wirklich live hören möchte, muss mindestens nach Freiburg fahren. Neben vier Stunden Fahrtzeit kostet der Spaß dann noch Eintritt. Und das ist ja sogar richtig so. Denn wozu bräuchten wir eine steuerfinanzierte Bodensee-Philharmonie in Konstanz, wenn der gebührenfinanzierte SWR hier regelmäßig das Konzil bespielte?

Der eigentliche Auftrag ist ein anderer

Das lenkt den Blick auf das eigentliche Ärgernis in dieser Debatte. Seit Jahren nämlich entfernen sich die Befürworter dieses Systems in ihrer Argumentation immer weiter von dessen eigentlichem Auftrag. Bei den Klangkörpern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, heißt es beispielsweise aus der Hamburger Senatskanzlei, handele es sich um „über Jahrzehnte gewachsene, herausragende Kultureinrichtungen“, die „aus der regionalen und lokalen Musik- und Kulturlandschaft nicht wegzudenken“ seien. Aus der Baar nicht wegzudenken? Aus dem Hotzenwald? Aus Stockach? So ein Quatsch.

Rundfunkorchester und ihre Gebühren beziehen ihre gesellschaftliche Akzeptanz aus der Verwendung für das, was der Name schon sagt: Rundfunk. Und sollte sich der Bedarf dafür reduzieren, kann man sich nicht einfach ein anderes Betätigungsfeld ausdenken. Wenn SWR-Musiker mit Projekten wie „Classic Mobil“ punktuell soziale Einrichtungen im äußersten Südwesten besuchen, ist das zwar lobenswert. Es rechtfertigt aber nicht fünf Euro pro Beitragszahler.

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Dass eine regionale Kulturlandschaft öffentlicher Unterstützung bedarf, ist bereits zentrales Argument für staatliche Institutionen und freie Kulturförderung. Wo diese fehlen, muss man für sie eintreten. Rundfunkbeiträge als verkappte Steuern für Kultur vor Ort dagegen sind der falsche Ansatz.

Es besteht dafür auch gar keine Notwendigkeit. Die betreffenden Orchester investieren nämlich noch immer einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeit in die Produktion von Rundfunkaufnahmen. Diese finden auch nach wie vor Platz im Radioprogramm. Ja, die Anstalten bauen sogar ihre Präsenz auf digitalen Plattformen aus, bringen damit also tatsächlich klassische Musik in den ländlichen Raum – auf medialem Weg, also ganz wie es dem Auftrag entspricht.

Rundfunkorchester tun also das Richtige, streiten dafür aber mit falschen Argumenten. Ob es für dieses Richtige wirklich 20 Klangkörper für rund 187 Millionen Euro braucht: Das steht auf einem anderen Blatt.