Neele Onnen lebt in der Nähe der Gemeinschaftsschule Schreienesch. Jeden Morgen kann sie beobachten, wie viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren. „Ich habe das Gefühl, dass es immer mehr werden und durch die Vielzahl der Autos wird die Straßensituation wiederum gefährlicher für Kinder auf dem Rad.“ Ein Teufelskreis ihrer Schilderung nach: Denn durch die zunehmend unsichere Situation stiegen dann noch mehr Eltern aufs Auto für den Schulweg um. Sie habe den Eindruck, dass die Stadt generell vor allem auf den Kraftfahrzeugverkehr ausgelegt sei. „Die Zubringerstrecken der Radwege sind okay“, sagt Neele Onnen, die die Fahrraddemo für Samstag angemeldet hat. Aus Richtung Fischbach etwa komme man gut nach Friedrichshafen, dort aber beginne dann das Problem.
„Die Stadt bräuchte ein besseres Gesamtkonzept für Radwege, vielleicht auch einen eigenen Verantwortlichen für diesen Bereich.“Neele Onnen, Friedrichshafen
„In der Innenstadt gibt es viele unlogische Stellen, die auch nicht ausreichend beschildert sind“, sagt die zweifache Mutter. Sie fände es schön, wenn Kinder ab einem bestimmten Alter selbstständig zur Schule fahren könnten, nach der Fahrradprüfung in der vierten Klasse. Doch die aktuelle Verkehrssituation mache das eigentlich unmöglich: viel zu gefährlich seien viele Stellen, teilweise gebe es gar keinen offiziellen Radweg, dann wieder lediglich einen Radstreifen auf der Fahrbahn. „Als Erwachsener, da schafft man das irgendwie“, sagt Onnen. Kindern könne man das nicht so einfach zumuten, für sie sei es auch deutlich schwieriger, die Verkehrslage zu überblicken.
Kritik an Situation in Charlotten- und Friedrichstraße
„Die Charlottenstraße etwa ist brandgefährlich“, meint die Häflerin. Auch der kombinierte Fuß- und Radweg entlang der Friedrichstraße sei eine schwierige Stelle: „Sobald Kinder fahren, egal ob in Begleitung oder allein, wird es schwierig. Da braucht man einfach etwas mehr Breite und entlang der Friedrichstraße sollen Fußgänger und Radfahrer jeweils in beide Richtungen alle Platz finden.“ Das sei eigentlich unmöglich und immer wieder herrsche auch Verwirrung über die nicht vorhandene Trennung zwischen Fuß- und Radweg. Die Steine am Boden wirkten wie eine solche, dabei sei die gesamte Wegbreite sowohl auf zwei Beinen als auch auf zwei Rädern gleichermaßen nutzbar.
Dann gebe es den Radschnellweg, der an sich sehr gut sei. Nur ende auch dieser stellenweise abrupt und dann führe der Weg auf einmal über einen Zebrastreifen. Dann wieder seien da Kreisverkehre, an denen schwer erkennbar sei, wie Radfahrer sich verhalten sollten. „Die Stadt bräuchte ein besseres Gesamtkonzept für Radwege, vielleicht auch einen eigenen Verantwortlichen für diesen Bereich“, schlägt sie vor. Dann könnten Hindernisse und unlogische Wegeführungen schnell ausgemerzt werden. Auch könnten dann gute Ansätze zu Ende geführt werden. Neben dem Radschnellweg ergänzt sie ein weiteres Beispiel: „Diese neue Fahrradbrücke ist an sich super, aber es fehlt eben eine gute Anbindung.“
Auch Gesa Burghoff, die an der Demo am Samstag teilnehmen will, sieht in ihrem Wohnort Potenzial für ein gelungenes Radwegekonzept: „Die Wege hier sind kurz, die Topografie passt, man könnte die Stadt komplett fahrradfreundlich gestalten.“ Zudem werde aktuell sowieso der Bereich vor dem Stadtbahnhof neu geplant – eine gute Gelegenheit, um die Interessen der Radfahrer mehr in den Fokus zu rücken.

Burghoff lebt zentral in der Stadt, ihre Tochter besucht die Schreieneschschule, ihr Sohn das Graf-Zeppelin-Gymnasium. Beide Radstrecken seien ihr daher vertraut, auch wenn ihr Sohn aufgrund der kurzen Distanz derzeit zu Fuß gehe. „Aber ich kann hier gut beobachten, wie andere Schüler zur Schule radeln und auf was für Hindernisse sie stoßen.“
„Das Potenzial für eine fahrradfreundliche Stadt ist da“
Morgens stellen nach Ansicht von Gesa Burghoff auch die Autos der Eltern ein Problem dar, die eilig ihre Kinder zur Schule brächten. Da fehle oft der Blick auf den Gehweg, wo sich eventuell ein Fahrradfahrer nähere. Die Gehwege seien morgens der Parkplatz für Eilige und entsprechend eilig werde dann auch weitergefahren. Nicht nur deshalb wünscht sich die Häflerin sichere Radwege. Auch in der übrigen Stadt fehlten gute Lösungen, gerade für Schulkinder: „Entlang der großen Straßen wurde eben so ein Streifen eingezeichnet, aber man fährt praktisch auf der Bundesstraße. Für Kinder ist das keine Lösung.“

Als überzeugte Radfahrerin, die sich ein Lastenrad zugelegt hat, als sie aus Stuttgart nach Friedrichshafen zog, sieht sie ein weiteres Problem: „Lastenräder werden jetzt mehr und mehr gefördert. Das ist grundsätzlich großartig, aber so ein Rad braucht eben auch seinen Platz und das wird bisher nicht berücksichtigt.“ Sie hoffe daher sehr, dass die Stadt Friedrichshafen bald mehr Wert auf Verkehrsberuhigung und mehr Platz für Fahrräder legen werde: „Anders als in Stuttgart, wo die topografische Lage das Radfahren bereits erschwert, sind die Bedingungen hier gegeben: Das Potenzial für eine fahrradfreundliche Stadt ist da.“