Hintergrund: Am 18. März erließ die Stadt Friedrichshafen eine städtische „Allgemeinverfügung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona II)„, die zum 27. April nochmal modifziert wurde. Darin enthalten ist ein Aufenthaltsverbot für verschiedene Grün- und Erholungsflächen der Stadt, insbesondere im Bereich des Bodenseeufers. Unterzeichnet wurde die Verfügung durch Oberbürgermeister Andreas Brand. Am Dienstagnachmittag gab die Stadt überraschend bekannt, dass die Allgemeinverfügung zum Donnerstag, 7. Mai, aufgehoben wird. Wir hatten die Fraktionen bereits vor dieser Entscheidung zu ihrer Meinung zum Aufenthaltsverbot gefragt.

Achim Brotzer
Achim Brotzer | Bild: SK

Das sagt Achim Brotzer, CDU:

Das Verweil- bzw. Aufenthaltsverbot auf den öffentlichen See- und Grünflächen der Stadt FN wurde inzwischen von der Stadtverwaltung teilweise aufgehoben, somit hat die Frage nach der Berechtigung im Augenblick teilweise etwas an Brisanz verloren.

Die vorübergehende Einschränkung des „Verweilens auf den Sitzbänken“, die die Stadtverwaltung per Allgemeinverfügung ab 18. März bis 26. April angeordnet hatte, wurde zum Montag, 27. April aufgehoben und neu gefasst. Das ist gut so, denn seither dürfen in den maßgeblichen Bereichen z.B. und insbesondere des Uferparks nicht nur – wie bisher – allein die Wegeverbindungen zum Durchgehen genutzt werden. Vielmehr ist seit Montag 27. April in diesen Bereich zusätzlich auch wieder das Verweilen (!) auf den Sitzbänken, außerdem dürfen im Bereich Gondelhafen beim Antoniuseck die Sitzstufen genutzt werden. Wobei sowohl auf Bänken als auch auf den Sitzstufen die Regeln des Landes zum Abstandhalten und zur Kontaktbeschränkung, also maximal zwei bzw. im Familienverband natürlich zu beachten sind.

Dieses Wiedererlauben des Verweilens auf den Parkbänken im Uferpark und auf den Sitzstufen am Gondelhafen beim Antoniuseck war insoweit auch aus unserer Sicht richtig, ja geboten. Denn die zulässige Nutzung der Parkbänke entlang und auf den Wegeverbindungen sowie der Sitzstufen am Gondelhafen steht dem Ziel Eindämmung des nicht entgegen, nachdem auch hier die geltenden Abstandsregelungen einzuhalten sind.

Dass ein sog. „Verweilen auf den Wegen, den Grünflächen oder anderen Stellen“ im Übrigen als „nicht zulässig“ einstweilen weiter ausgeschlossen bleibt, hat laut Begründung der Stadt den Hintergrund, dass es Grundgedanke der Stadtverwaltung war und ist, besonders über die Ostertage größere Menschenansammlungen im Uferpark zu verhindern, was durch die sicherlich harten Einschränkungen gelungen ist.

Als CDU Fraktion stehen wir dabei grundsätzlich hinter der Stadtverwaltung. Das aktuelle Ergebnis – mit aktuell 283 bestätigten Fällen und nur noch drei aktiven Fällen steht der Bodenseekreis in Baden-Württemberg vergleichsweise sehr gut da – zeigt, dass es sich gelohnt hat, mit auch strengen Maßnahmen die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen.

Dass es dabei für Politik, Wissenschaft und Behörden nicht immer einfach war und ist, auf Anhieb das für alle gleichermaßen einleuchtende Mass an Einschränkung wie auch an Lockerung zu finden, ist eine Binsenweisheit, klar. Während es seit Anfang März zunächst darum ging, schnellstmöglich den Shutdownherbeizuführen, geht es aktuell zunehmend darum so schnell wie vertretbar Lockerungen zuzulassen.

Dreh- und Angelpunkt, von dem die rechtliche Zulässigkeit wie auch die gesellschaftspolitische Akzeptanz aller Corona-Maßnahmen gleich in welche Richtung entscheidend abhängt, ist zum einen die Wahrung des Gleichheitsprinzips, zum anderen die gebotene Verhältnismäßigkeit: Warum darf der eine, was dem anderen nach wie vor verboten sein soll? Welches ist jeweils das geeignete, angemessene und mildeste Mittel, um das vorrangige Ziel aller grundrechtseinschränkenden Maßnahmen zu erreichen? Dieses Ziel war und ist noch immer: Die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, damit dem Gesundheitssystem mehr Zeit zur Vorbereitung zu geben und die Bevölkerung, vor allem unsere höher gefährdeten Älteren gleichzeitig so gut es geht zu schützen.

Dass dazu massiv einschneidende Maßnahmen und Schritte ergriffen wurden und werden, ist schmerzhaft und Tag um Tag schmerzhafter, das ist uns allen klar. Hinzu kommen nicht wenige, auch wissenschaftliche, Unsicherheiten über den Virus und die die teils bestehende Sorge vor einer nicht möglichen „zweiten Infektionswelle“, von der niemand verlässlich sagen kann, ob überhaupt, wann und in welchem Umfang sie vielleicht kommen könnte.

Die Unsicherheiten führen zu hohe Verunsicherung bei vielen Menschen. Politik und Wissenschaft müssen immer auch deutlich erklären, Rechenschaft ablegen und benennen können, was sie tun, was sie wissen und auch was nicht wissen. Andernfalls geht viel Vertrauen verloren, es verunsichert noch mehr, treibt Menschen in die Arme von Spekulation und Zweifel an der Kompetenz. Abwägen ist keine Schwäche.

Meinungen auf Grundlage neuer Fakten zu ändern, ist im Gegenteil verantwortungsbewusst. Und zuzugeben, etwas ganz offen nicht zu wissen, ist besser, als sich auf Mutmaßungen zu verlassen und sie zu verbreiten, mag das auch noch so überzeugend klingen.“

Dagmar Hoehne
Dagmar Hoehne | Bild: Andrea Fritz

Das sagt Dagmar Hoehne, Freie Wähler:

„Die Stadtverwaltung von FN hielt und hält sich an die Coronaverordnungen des Landes B-W. Das erscheint mir auch sinnvoll und geboten. Entgegen anderer Orte am See war ein Betreten der Parks weiterhin erlaubt, allerdings kein Aufenthalt. Hier hat die Stadt diesen Zusatz für notwendig erachtet, da gerade der Uferbereich sehr beliebt für Aufenthalte ist und dadurch nicht vermieden hätte werden können, dass sich Gruppen bilden. Auch FN macht sich laufend Gedanken darüber, wie die Regeln angepasst und für die Bevölkerung handhabbar gemacht werden und dies mit dem Gesundheitsschutz vereinbar ist. Auch sollten Kinderspielplätze unter entsprechenden Bedingungen wieder geöffnet werden. Die Landesverordnung sieht dies ab 6. Mai wieder vor. Hier halte ich eine Öffnung für sehr wichtig.

Wenn es bezüglich der Frage des Aufenthaltes dabei zu „Härten“ gekommen ist, tut mir das leid, aber es gibt auch ohne Corona Regeln, die ich persönlich nicht immer für geboten halte, aber mich daran halten sollte. Natürlich kann ich sie jederzeit hinterfragen, vielleicht käme ich in manchen Fällen auch zu einer anderen Bewertung, aber diese Frage stellt sich aus meiner Sicht nicht. Im Einzelfall kann ich mir dabei sicherlich nicht anmaßen, die Entscheidungen vor Ort zu kritisieren, dazu müsste ich beide Seiten gehört haben.

Als Medizinerin ist es mir wichtig, dass wir uns möglichst alle an die Vorgaben halten und nicht denken, weil wir wenig Infizierte zu haben scheinen, dass die Regeln überflüssig sind. Ich denke unsere bisher sehr gute Bilanz hat auch damit zu tun, dass die Bevölkerung sich in vorbildlichem Maße an die Vorgaben gehalten hat. Abzuschätzen, ob dies geboten und notwendig ist obliegt nicht meiner Einschätzung und ich beneide keinen verantwortlichen Politiker, der dies momentan tun muss!
Dass wir uns alle Normalität zurück wünschen ist verständlich. Und trotzdem werden wir alle lernen müssen, mit diesem angepassten Ausnahmezustand noch längere Zeit zu leben und ihn sukzessive in mehr Normalität hin weiter zu entwickeln, immer das Wohl Aller im Auge habend.“

Gaby Lamparsky
Gaby Lamparsky | Bild: Samuel Groesch

Das sagt Gaby Lamparsky, FDP:

„Zu Beginn der Pandemie, also ab Mitte März standen zu Recht der Gesundheitsschutz und die Sorge um die Überforderung des Gesundheitssystems im Vordergrund. Die Kontakte, besonders Kontakte von 15 Minuten und mehr, zwischen den Menschen sollten minimiert werden, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Das Verweilverbot galt in Friedrichshafen nur an einigen besonders beliebten und frequentierten Uferabschritten, keineswegs überall in der Stadt.

Mittlerweile, nachdem die befürchtete Infektionswelle zu Ostern ausblieb und es seit Tagen kaum noch bestätigte neue Infektionsfälle im Bodenseekreis gibt, ist es Zeit für Lockerungen. Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung kann und darf nicht mehr über anderen Grundrechten stehen! Die Bevölkerung kann nicht nur vor CoVid 19 erkranken, sondern auch anderen körperlichen und seelische Krankheiten. Einschränkungen der Grundrechte müssen nun immer genauer begründet werden und nicht vage etwa mit der Furcht vor einer zweiten Infektionswelle.

Als Liberale appelliere ich immer an die Vernunft der Menschen. Die Lebenswirklichkeit zeigt jedoch, dass unser Rechtsstaat ganz ohne Androhung von Strafen oder Bußgelder nicht funktioniert. Das Verweilverbot war eine staatliche Anordnung aufgrund der Pandemie.

Die Allgemeinverfügungen der Ortspolizeibehörde fußen auf der Landes-Corona-Verordnung, denn sie ist im Auftrag des Landes tätig. Dass jede Gemeinde örtliche Besonderheiten berücksichtigen kann, halte ich für eine Stärke unseres föderalen Systems. Im Großen und Ganzen hat sich die Stadt bis jetzt bemüht, angemessen mit der Coronakrise, für die keine Blaupause vorlag, umzugehen. Mit sinkenden Fallzahlen erwarten viele Menschen, z. B. Familien oder Gastronomen, zu Recht weitere Lockerungen.“

Sylvia Hiß-Petrowitz
Sylvia Hiß-Petrowitz | Bild: SK

Das sagt Sylvia Hiß-Petrowitz ÖDP/parteilos:

„Inzwischen denken wir, dass das Verweilverbot auf den öffentlichen See-und Grünflächen dahingehend aufgehoben werden könnte unter der Auflage, dass die Abstandsregeln sowie auch die Hygienegebote eingehalten werden. Diese können überwacht werden, aber nicht von Hinz und Kunz , sondern von örtlich beauftragten Personen, die mit einem freundlichen Hinweis bei Verstößen reagieren.

Die Maßnahme war anfangs sicherlich gerechtfertigt, aber angesichts der niedrigen Ansteckungszahlen wäre eine weitgehende Lockerung angebracht. Es ist uns durchaus bewusst, dass die Ansteckungszahlen nur eine Teil der Wahrheit abdeckt, weil nicht flächendeckend getestet wird.
Die von Ihnen beschriebenen Situationen halten wir für nicht hinnehmbar, vor allem, wenn sich umgreifendes Denunziantentum breit macht und in keiner Relation zur Situation und dem Ziel des Infektionsschutz steht.

Als Alternative würden wir eine sofortige Aktualisierung der Allgemeinverfügung vornehmen und den Aufenthalt im öffentlichen Raum wie zum Beispiel Uferstraße, Uferpark, Freizeitgelände Manzell und Weilermühle , die nach §3 Corona-VO eingeschränkt waren unter den oben genannten Auflagen mit sofortiger Wirkung freigeben wollen. Es hat sich gezeigt, dass die Häfler*innen durchaus für sich Verantwortung übernehmen und sich an die Distanzgebote im Freien halten – das sollte honoriert werden.

Ich würde mir wünschen, wenn beim Einkaufen eine striktere Konsequenz gelten würde, da sich in diesem Bereich eine zwischenzeitliche Ignoranz und Aggressivität ausbreitet.“

Anna Hochmuth
Anna Hochmuth | Bild: Lena Reiner

Das sagt Anna Hochmuth, Bündnis 90/Die Grünen:

„Da wir es mit einer Situation zu tun haben, die wohl niemand von uns vorher schon einmal erlebt hat, war es anfangs sicher richtig und wichtig, die Maßnahmen sehr strikt zu handhaben und umzusetzen.

Mittlerweile ist klar, dass die Bevölkerung verstanden hat und sich größtenteils an die Vorgaben hält. Insofern sind wir der Meinung, dass die anfangs getroffenen Maßnahmen, wie das Verweil- bzw. Aufenthaltsverbot auf den örtlichen Ufer- und Grünflächen der Stadt, zu lockern – im Rahmen dessen, was die Landesregierung an Spielraum zulässt. Konkret bedeutet das, dass alle Sitzbänke wieder genutzt werden dürfen, aber auch, dass die Grünflächen – mit dem nötigen Abstand – wieder zum Sitzen und Spielen genutzt werden können.

Es ist wichtig, der Bevölkerung, Freiräume zu verschaffen – immer unter Berücksichtigung der Auflagen der Landesregierung. Dazu gehört, insbesondere auch für Kinder und Ältere, die Bewegung, aber auch der Aufenthalt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die meisten Menschen wahrscheinlich nicht über einen eigenen Garten verfügen. Viele besitzen auch keinen Balkon.

Gleichzeitig könnten von der Verwaltung, und hier insbesondere aus den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit sowie der Seniorenarbeit, Anregungen für die Gestaltung von Spaziergängen und Aufenthalten im Freien gegeben werden, so dass es bei jetzt anstehenden Lockerungen nicht zur Überfrequentierung einzelner Örtlichkeiten kommt.

Wenn nächste Woche der Gemeinderat erstmals seit zwei Monaten zusammenkommt, sollten die angelegten Kriterien und Maßnahmen diskutiert werden.

Jürgen Holeksa
Jürgen Holeksa | Bild: Wienrich, Sabine

Das sagt Jürgen Holeksa, Netzwerk für Friedrichshafen:

„Das Netzwerk hat sich bereits im Kontext der Zeppelinflüge mit Polizei sehr deutlich dazu bekannt, dass auch in der Corona-Krise nicht alles erlaubt ist. Aus unserer Sicht leidet auch der Rechtsstaat zur Zeit unter Corona und wir sehen den wichtigen rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in FN nicht immer gewahrt.

Ganz grundsätzlich halten wir viele der beschlossenen Maßnahmen aus epidemiologischer Sicht für notwendig und sinnvoll. Es geht uns auch nicht darum, zum Widerstand gegen Maßnahmen aufzurufen, die beitragen können, diese Pandemie einzudämmen. Der Staat, das Land und auch die Stadt dürfen in der jeweiligen Umsetzung die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger einschränken, aber jeder Eingriff, jede Einschränkung muss verhältnismäßig sein und allein dazu dienen, die Pandemie zu begrenzen. Und jede Maßnahme darf aus unserer Sicht nur solche Menschen betreffen, die eine Gefahr darstellen und eben nicht jeden unterschiedslos einschließen.

Bei einer Reihe der erlassenen Einschränkungen erscheint uns dies zumindest zweifelhaft, bspw. beim sog. Verweilverbot. Bewegung an der frischen Luft ist erlaubt, nur herumsitzen nicht mehr. Worin besteht hier bspw. die konkrete Gefahr, wenn eine Mutter mit ihrem Kind an der Uferpromenade, im Uferpark auf der Bank, damit das Kind Licht, Luft und Sonne bekommen kann und nicht alle in der Wohnung die Nerven verlieren? Wen kann diese Mutter anstecken, wenn sie nur mit ihrem Kind auf der Bank sitzt? Warum darf sich älterer Mann nicht kurz auf einer Bank ausruhen, wenn völlig allein auf dieser Bank sitzt, wen soll er dabei anstecken? Eine Pause beim Spazierengehen ist notwendiger Bestandteil der Bewegung an der frischen Luft. Eine angenommene Erhöhung des Infektionsrisikos ist hier nicht nur unbewiesen sondern aus unserer Sicht auch völlig sach- und lebensfremd, eine wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung liegt bisher nicht eindeutig vor.

Der Staat darf nicht nur aus unserer Sicht in Ausnahmesituationen wie dieser nur soweit in die Substanz unserer Grundrechte eingreifen, als dies unbedingt erforderlich und ein milderes Mittel nicht ersichtlich ist. Alle Maßnahmen unterliegen daher dem wichtigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und nicht nur uns drängt sich manchmal der Eindruck eines insbesondere kommunalpolitischen Überbietungswettbewerbs auf, der mehr mit politischer Profilierung und weniger mit effektivem Gesundheitsschutz zu tun hat. Wie wäre sonst zuerklären,dass innerhalb unseres Bundeslandes, sogar innerhalb unseres Landkreises die jeweiligen Corona- Verordnungen des Landes so unterschiedlich umgesetzt werden.

Für uns sind Grundrechte kein Luxusartikel unserer Verfassung, auch nicht in Corona- Zeiten. Es wäre aus unserer Sicht verhältnismäßig gewesen, das Sitzen auf den Bänken allein im Rahmen des Kontaktverbotes zu erlauben, dh Mindestabstand, nicht mehr als 2 Personen, Ausnahmen bei Familien. Wäre die Stadtverwaltung so vorgegangen, wäre nicht nur aus unserer Sicht eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu erwarten gewesen.“

Wolfgang Sigg
Wolfgang Sigg | Bild: Samuel Groesch

Das sagt Wolfgang Sigg, SPD:

„Die Zahlen in Bezug auf Neuinfektionen und Krankenhausbehandlungen haben sich zwar verringert, die Corona-Pandemie ist aber immer noch eine existenzielle Bedrohung. Wir müssen mit Einschränkungen unserer Freiheitsrechte leben, die wir uns vor drei Monaten noch nicht vorstellen konnten. Wir akzeptieren sie, weil es um unser Leben und das unserer Mitmenschen geht. Diese Einschränkungen müssen aber immer wieder neu bewertet und justiert werden, entsprechend der sich ändernden Gefahrenlage.

Die Stadt Friedrichshafen setzt mit ihrer Corona-Allgemeinverfügung die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg um. Diese Corona-Verordnung sah ein Kontaktverbot im öffentlichen Raum für mehr als zwei Personen, die nicht zu einem Haushalt gehörten, vor. Um diese Regelung umzusetzen, hat die Stadt den Aufenthalt und das Verweilen (nicht das Betreten) in bestimmten Grünanlagen (u.a. im Uferpark) verboten. Dadurch sollten dort Gruppenbildungen und Ansammlungen von mehr als zwei Menschen verhindert werden. Diese Maßnahme ist nachvollziehbar, weil Grünanlagen besonders dazu verlocken, auch in größeren Gruppen zusammen zu stehen oder zu sitzen.
Die Stadt hat auf die positive Entwicklung der Zahlen reagiert, indem sie in den Grünanlagen wieder die Nutzung der Bänke zuließ.

Sollte das Land das Kontaktverbot lockern – was wohl zu erwarten ist – indem Ansammlungen und Gruppen bis zu fünf Personen zugelassen sind, würden wir auch der Stadt empfehlen, das Aufenthalts- und Verweilverbot in den Grünanlagen ganz aufzuheben. Das würde für viele Bürgerinnen und Bürger eine große Erleichterung bedeuten. Man mag nun unterschiedlicher Auffassung über die Notwendigkeit des Aufenthaltsverbots in den Grünanlagen sein, dass es aber zu einer Reduzierung der Kontakte geführt hat und damit zu einer Reduzierung der Gefahr der Infektion, ist sehr wahrscheinlich.

Auf jeden Fall haben die aufgrund wissenschaftlicher Empfehlungen getroffenen einschneidenden Maßnahmen von Bund, Land und Kommunen dazu geführt, dass die Bundesrepublik im Vergleich zu fast allen anderen Ländern die Corona-Pandemie bisher gut bestanden hat. Insbesondere das Kontaktverbot hat offensichtlich dazu geführt, dass sich die Zahl der Neuinfektionen stark verringert hat. Unsere politischen Institutionen und die Verwaltungen funktionieren. Gerade der Bodenseekreis und die Stadt Friedrichshafen haben hier gute Arbeit geleistet.

Die näheren Umstände der von Ihnen geschilderten Fälle sind uns nicht bekannt. Durch Anzeigen, die möglicherweise zu Bußgeldbescheiden führen, findet aber keine „Kriminalisierung“ der Betroffenen statt. Wir gehen davon aus, dass das Rechtsamt als Bußgeldbehörde von seinem Ermessensspielraum Gebrauch macht und mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl vorgeht. Bei geringfügigen Übertretungen kann die Entscheidung bis zur Einstellung gehen. In den von Ihnen geschilderten Fällen hätte möglicherweise auch ein Hinweis oder eine mündliche Verwarnung ausgereicht. Die Einschränkung der Freiheitsrechte ist ja wirklich gravierend.

Leider werden wir noch länger mit starken Einschränkungen leben müssen, schon um unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger und die mit Vorerkrankungen zu schützen. Die Häflerinnen und Häfler halten sich vorbildlich an die durchaus notwendigen und sinnvollen Regelungen. Politik und Verwaltungen bleiben aufgefordert, ständig aufgrund veränderter Bedrohungslage neu zu justieren.“