Der 11.11. wird in diesem Jahr ohne Fasnetseröffnung verstreichen. „Das ist eine ganz komische Situation. Es wird etwas fehlen, die Fasnet gibt es einfach nicht, da ist eine Leere“, sagt Karl Haller, Präsident des Vereins zur Pflege des Volkstums in Friedrichshafen. Aber Arbeit gibt es in so einem großen Verein trotzdem immer genug. Man muss im Vereinsheim der Seegockel nach dem Rechten schauen. Und da ohnehin geplant ist, die Gockelwerkstatt zu renovieren, kann man die Zeit auch nutzen, um Pläne zu schmieden, nicht nur, was das Vereinsheim angeht, sondern auch, wie es nach Corona mit der Fasnet weitergehen soll. „Wir überlegen, wie man die Ballfasnet im Graf-Zeppelin-Haus künftig besser gestalten kann, denn wir merken seit Jahren, dass die Besucherzahlen zurückgehen“, sagt Karl Haller. Dass man in Zukunft nicht mehr schunkeln und singen darf, kann und will er sich nicht vorstellen.
Eigentlich hätte die Gockelwerkstatt im November wieder öffnen sollen
Auch Zunftmeister Oliver Venus sagt: „Bis jetzt ging es immer weiter, ich bin zuversichtlich, dass wir ein halbwegs normales Leben zurückbekommen.“ Einerseits genießt es der Zunftmeister, mehr Zeit für sich selbst und derzeit nicht so viel Verantwortung für den Verein zu haben. Andererseits fehlt ihm der Kontakt zu den Zunfträten und Mitgliedern. Die Gockelwerkstatt ist schon seit März zu. „Die Entscheidung, das Ganze abzusagen, war richtig, aber den Mitgliedern fehlt das Vereinsleben. Besonders die Älteren leiden. Es gibt viele Mitglieder, die jeden Dienstag und jeden Donnerstag hier oben waren. Denen fehlt ein Stück vom gewohnten Leben“, sagt Oliver Venus. Deshalb hätte die Gockelwerkstatt eigentlich im November wieder öffnen sollen. Das geht aufgrund der aktuellen Corona-Verordnung nun nicht.

Seegockel planen zum 11.11. Mitmachaktion per Video für die Mitglieder
Zum 11.11. soll es aber wenigstens eine kleine Überraschung für die Narren geben. Oliver Venus erzählt: „Wir haben spontan beschlossen, dass wir für die Leute, die wir normalerweise im Buchhorner Hof begrüßen, ein ‚11.11. Homekit‘ basteln.“ Die Mitglieder sollen Teil der Aktion sein: Sie bekommen ein Video mit einer Anleitung für eine Mitmachaktion und sollen sich bei der Umsetzung selbst filmen und die Aufnahmen teilen. „Damit trotz Corona im Verein mal wieder was läuft und damit man sich mal wieder sieht“, sagt Oliver Venus – und wenn es nur virtuell sei.

Hennenschlitter schauen mit Sorge, wie es die nächsten Jahre weitergeht
Auch die Hennenschlitter in Immenstaad sind melancholisch. „Der Optimismus, der da war, ist durch diesen zweiten Lockdown wieder gedämpft, das Schlimmste ist die Unsicherheit“, sagt der zweite Narrenvater Rüdiger Dube. Narrenvater Wolfgang Haas sieht es so: „Wir leiden darunter, vor allen Dingen, weil wir nicht wissen, wie es die anderen Jahre weitergeht.“ Niemand könne sagen, ob es nicht weiterhin Einschränkungen geben werde. „Das ist eine sehr traurige Sache. Wir Narren schöpfen in der Fasnet Kraft, Hoffnung und Mut fürs ganze Jahr. Dass wir auf das verbindende Miteinander verzichten sollen, das tut schon weh.“
Die Vorbereitungen für den 11.11. liefen auf Hochtouren, ebenso die Proben für die Hennensuppe. „Die Freude, die einem da immer gegeben wird, die fehlt uns“, sagt Haas. Ihm tut es vor allem für die Jugend leid, die nicht einmal Alternativen habe. „Wir sind Narren aus Überzeugung. Da fehlt zu dieser Jahreszeit ein wichtiger Bestandteil deines Lebens“, fasst Rüdiger Dube zusammen.

Narren hoffen, wenigstens im Freien Karbatschen schwingen zu können
Wolfgang Haas hofft, dass man am Dreikönigstag und am Schmotzigen Dunschtig wenigstens im Freien die Karbatschen schwingen kann, damit etwas Fasnet durchs Dorf klingt. „Wir überlegen ständig, was man machen könnte, aber wo du anfängst, scheiterst du an den Auflagen. Fasnet mit Abstand, das geht einfach nicht“, sagt er weiter und schüttelt ratlos den Kopf: „Bringt nix, goht itta, die Häser bleiben im Schrank und wir hoffen einfach, dass die Motten nicht zu eifrig sind.“ Am 11.11. wollen die Narrenväter die Narrengesellschaft wenigstens digital grüßen, damit der Tag nicht ganz so sang- und klanglos verhallt.

Kippenhauser Katzen planen für 11.11. ein kleines digitales Programm
Die Kippenhauser Katzen haben für den 11.11. ein kleines Programm geplant: „digital natürlich“. So sollen die neuen Narren am gewohnten Termin in den Verein aufgenommen werden, erklärt Schriftführerin Susi Scheinert. Mitnärrin Lena Morlock kommt im Häs angelaufen, ihr Geschell ist schon von Weitem zu hören, der helle Katzenpelz leuchtet vor dem grauen Himmel. „Es ist schön, es wenigstens einmal tragen zu können“, sagt sie ein wenig wehmütig.

Scheinert, die seit ihrem Zuzug nach Kippenhausen im Jahr 2003 der Katzenzunft angehört, findet es „ganz angenehm“ so, wie es ist. „Ich komme ja sonst nicht dazu, die Adventszeit zu genießen. Das wird in diesem Jahr anders.“ Was jetzt wegfalle, sei aber auch der schöne Teil, das Zusammensein, das Feiern: „Ich denke, das wird schon noch seltsam werden, wenn es dann so weit ist und wir nicht losziehen.“

„Mir tut es leid für die, die eigentlich ihre Aufnahme hätten“, sagt Morlock. Sie betont aber: „Ich finde es richtig und wichtig, alles abzusagen. Man hat schließlich auch Angst, ältere Verwandte anzustecken. Das ist bei mir genauso.“ Scheinert erinnert sich, dass das Coronavirus bereits die letzte Fasnetsaison berührt hatte: „Wir konnten die Häsabgabe deshalb nicht mehr machen. Es haben alle noch ihr Häs im Schrank.“ Am 14. Oktober hätten sie schließlich alle Termine abgesagt.
Auch von anderen Zünften kämen Absagen per Mail: „Normalerweise ist jetzt die Zeit, in der die ganzen Umzugseinladungen bei uns eintrudeln und wir uns an die Planung machen, wo wir zu- und wo wir absagen wollen.“ Die Absagen bedeuteten allerdings nicht, dass die Fasnet ganz sicher komplett ausfallen werde. „Wir warten ab und wenn wir dürfen, dann machen wir zumindest etwas Kleines, draußen und mit Abstand“, erklärt sie. Das sei dann auch schnell organisiert. Die Narrenratssitzungen finden vorerst online statt.

Bei den Hohstubenwibern steht dieses Jahr keine Aufnahme an
Für die gebürtige Immenstaaderin Ilse Weber gehört die Fasnet einfach dazu. Zur Kippenhauser Katzenzunft kam sie wegen ihrer Arbeitsstelle und einer guten Freundin. Gemeinsam mit dieser Freundin, Angelika, die im Verein als „Gela“ bekannt ist, gründete sie 1982 die Hohberger Rebhexen. Rund 20 Jahre später, im Jahr 2000, rief Ilse Weber dann die nächste Narrengruppe ins Leben: die Hohstubenwiber.

Die maskenlose Gruppe sei für diejenigen gedacht, die beim Umzug „nicht mehr mitspringen können“. Inspiriert habe sie ihre Kindheitserinnerung an die Kaffeekränzchen in der guten Stube (Hohstub), die die Frauen gemeinsam veranstalteten, die nicht beim Umzug mitgingen, „im besten Häs natürlich“. Kaffeekränze seien in dieser Saison coronabedingt nicht möglich. „Das kann man in meinem Alter auch mal verschmerzen“, sagt die 75-Jährige und lacht. Aufnahmen als Hohstubenwib hätten in diesem Jahr keine angestanden: Für den 11.11. sei daher auch ohne Corona nichts vorzubereiten gewesen.

Ailinger Narrenzunft hofft auf Termine im Freien – „wir sind ja winterfest“
Für Jochen Meschenmoser gibt es am 11.11. normalerweise gleich doppelt Grund zum Feiern: Der ehemalige Zunftmeister der Ailinger Narrenzunft hat am Fasnetsauftakt Geburtstag. Dieses Jahr ist alles anders: kein Anstoßen um 11.11 Uhr, kein traditionelles Spätzleessen, kein Fest am Abend. Ehrenzunftmeister Bruno Knapp, der bis 1991 im Amt war, erklärt: „Ganz früher sind wir an dem Tag ab 9 Uhr von Gaststätte zu Gaststätte gezogen.“ Inzwischen finde schon der Vormittag öffentlich in der Zunftstube statt. Gleich geblieben sei die Feier am Abend: „Ein echter halber Hausball war das immer, bumsvoll.“ In diesem Jahr ist eine solche Veranstaltung drinnen undenkbar. Die Narren hoffen auf Termine draußen: „Wir sind ja winterfest.“
Gang zur Gehrenmännlehöhle für Vorschulkinder soll stattfinden
Zunftmeister Michael Boch kommentiert: „Die Fasnet kann man nicht absagen. Man kann nur die Veranstaltungen absagen.“ Knapp ergänzt: „Das ist wie Weihnachten!“ Die Generalversammlung der Zunft Ende Oktober hätten sie abgesagt: „Das musste einfach nicht sein bei den rasant steigenden Zahlen.“ In einem Schreiben bat Boch die Mitglieder, ihr Häs nicht privat zu tragen. Offizieller Anlass werde etwa der traditionelle Gang zur Gehrenmännlehöhle sein, der trotz Corona stattfinden solle. „Man ist nur einmal Vorschulkind. Die Kinder freuen sich schon das ganze Jahr darauf“, erklärt er. Außerdem sei dieser Termin traditionell im Freien und gut mit Abstand zu realisieren.