Ein ICE hält in Friedrichshafen! Mit dieser Nachricht sorgte die Deutsche Bahn im Mai für Begeisterung bei vielen Bahnfahrern. Ein moderner ICE4 sollte ab Mitte Juni die Strecke Dortmund-Innsbruck bedienen – mit Stopp am Stadtbahnhof. Und nicht nur das: Ein zweiter Fernzug – ein Railjet 890 – sollte auf dem Weg von Wien nach Frankfurt in der Zeppelinstadt stoppen. Soweit die Theorie.

Die Praxis sieht nämlich ein wenig anders aus. In den vergangenen Tagen hielt kein einziger ICE am Häfler Bahnhof. Was ist da los, Deutsche Bahn?

Die Antwort können sich versierte Bahnfahrer fast denken: Es gibt mal wieder Baustellen. Dieses Mal direkt am Stadtbahnhof Friedrichshafen, der seit vielen Monaten barrierefrei umgebaut wird.

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„Leider lassen sich durch die hohe Bautätigkeit an der Infrastruktur Einschränkungen im Fahrplan nicht vermeiden. So können die ICE aktuell wegen Bahnsteigarbeiten in Friedrichshafen dort nicht halten“, erläutert ein Sprecher der Deutschen Bahn. Der ICE in Richtung Dortmund und Innsbruck, der normalerweise um 12.35 Uhr und um 15.16 Uhr in Friedrichshafen hält, wurde seit 19. September kurzerhand durch einen Nahverkehrszug ersetzt. Der fährt bis nach Ravensburg, wo die Fahrgäste schließlich in den ICE umsteigen können. Heißt: In Friedrichshafen hielt jetzt seit Wochen kein ICE mehr.

Erst fällt der ICE aus, dann der Railjet

Die gute Nachricht: Ab Samstag, 7. Oktober, soll der ICE – so lauten die aktuellen Pläne der Deutschen Bahn – wieder in Friedrichshafen halten. Allerdings folgt dann eine Unterbrechung der zweiten Fernzug-Verbindung Frankfurt-Wien. Dieses Mal liegt es allerdings nicht an Bauarbeiten der Deutschen Bahn, sondern an den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die den Railjet als „modernsten Hochgeschwindigkeitszug“ ihrer Flotte betreiben. Ab kommendem Montag, 9. Oktober, taucht die direkte Verbindung zwischen Frankfurt und Wien in keinem Fahrplan mehr auf. Der Grund: Die Arlbergbahnstrecke wird für Fernzüge bis 6. November zwischen Bludenz und Ötztal gesperrt. Für Reisende werde ein Schienenersatzverkehr mit Bussen eingerichtet, melden die ÖBB.

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Vier Fernverkehrszüge pro Tag – ist das wenig?

Wenn alles nach Plan geht, sollte Friedrichshafen (62.923 Einwohner) also täglich von vier Fernzügen angesteuert werden. Ist das wenig für eine Industriestadt dieser Größe? Der SÜDKURIER macht den Vergleich mit vier anderen Städten mit einer ähnlichen Einwohnerzahl: Offenburg (61.670 Einwohner), Frankfurt/Oder (58.230 Einwohner) und Wetzlar (54.187 Einwohner).

Während es in Friedrichshafen lediglich vier Abfahrten täglich und keine Nachtzüge gibt, ist Offenburg Bahn-Knotenpunkt mit 73 Abfahrten – und Nachtzügen. Aber auch Frankfurt/Oder, das geografisch in ähnlicher Randlage Deutschlands liegt wie Friedrichshafen, hat immerhin 18 Abfahrten und Nachtzüge. In Wetzlar fahren täglich 16 Fernzüge ab. Friedrichshafen schneidet im Vergleich also deutlich schlechter ab – und scheint vom Fernverkehr abgehängt zu sein.

Regionalbahn statt Fernzug: Friedrichshafen ist deutlich schlechter an den Fernverkehr angebunden als andere Städte vergleichbarer Größe.
Regionalbahn statt Fernzug: Friedrichshafen ist deutlich schlechter an den Fernverkehr angebunden als andere Städte vergleichbarer Größe. | Bild: Wienrich, Sabine

Die Deutsche Bahn sieht das freilich anders. „Grundsätzlich ist die Menge an Fernverkehrshalten nicht unbedingt von der Größe einer Stadt abhängig, sondern insbesondere von ihrer Lage im Schienennetz. So resultieren aus einer Lage entlang einer nachfragestarken Fernverkehrsroute in der Regel deutlich mehr Fernverkehrshalte als bei einer Lage abseits der großen Verkehrsströme“, erläutert eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Nachfrage. Im Fall von Friedrichshafen liefen die nachfragestarken Routen über Stuttgart–Ulm–München oder Zürich–Lindau–München und eben nicht durch Friedrichshafen.

Was würden mehr ICEs nutzen?

Doch würde es überhaupt etwas nutzen, wenn die Deutsche Bahn mehr Fernzüge über Friedrichshafen schicken würde? Die Antwort ist ernüchternd: Die Bahnstrecken zwischen Friedrichshafen und Ulm lassen nur Höchstgeschwindigkeiten von 160 km/h oder weniger zu. „Pläne zur Erhöhung der Streckengeschwindigkeit sind uns nicht bekannt“, sagt die Bahnsprecherin. Heißt: Auch mehr ICEs würden auf dieser Strecke keine wirkliche Zeitersparnis bringen, allerdings wäre der Komfort trotzdem deutlich besser, wenn Friedrichshafen deutschland- oder sogar europaweit mehr Reiseziele in direkter Verbindung ansteuern würde. Denn: Jeder Umstieg mehr bringt Unsicherheit, ob der Anschluss wirklich auch erreicht wird.

Zwischen 26. Oktober und 5. November klemmt es

Hinzu kommt: Auch der Nahverkehr an den Anschlussbahnhof Ulm läuft nicht immer reibungslos. Die Deutsche Bahn kündigte bereits an, dass zwischen 26. Oktober und 5. November – also in den kompletten Herbstferien – aufgrund von Brückenarbeiten kein Zug zwischen Friedrichshafen und Ulm verkehrt. Wer in den Herbstferien also reisen will, sollte sich andere Verbindungen suchen.