Genau genommen ist die Friedrichstraße nach wie vor eine Bundesstraße. Obwohl die neue B 31 seit Oktober vergangenen Jahres komplett in Betrieb ist, hat das Regierungspräsidium (RP) Tübingen die Ortsdurchfahrt im Stadtzentrum immer noch nicht zur Gemeindestraße umgewidmet. Das, so hieß es im Mai 2021 aus dem Rathaus, sei aber Voraussetzung, um die Straße in städtischer Regie attraktiver zu gestalten und vom Verkehr zu entlasten.
Trotzdem kann die Stadt nun zumindest planerisch Nägel mit Köpfen machen. Dank einer Einzelfallentscheidung des RP dürfe schon jetzt umgebaut werden, informierte Stadtbauamtsleiter Wolfgang Kübler am Dienstagabend den Bauausschuss des Gemeinderats. Der war letztlich einstimmig für die Umbaupläne, womit der Ratsbeschluss Ende April nur Formsache sein dürfte. Und doch werden Fußgänger und Radfahrer mehr als ein Jahr darauf warten müssen. Laut Zeitplan soll die Neugestaltung erst im Frühjahr 2023 erfolgen.

Dass es zwei Jahre vom Beschluss bis zur Umsetzung dauert, brachte im Ratsausschuss niemanden auf. Ganz im Gegenteil: Er habe nicht zu hoffen gewagt, dass die Friedrichstraße noch in dieser Legislaturperiode umgestaltet wird. „Ich fass‘ es noch gar nicht, dass das 2023 kommen wird“, freute sich Philipp Fuhrmann vom Netzwerk nach Jahrelangen Diskussionen. Das werde die Renaissance der einstigen Prachtstraße einläuten.
Der erste Schritt ist allerdings als Provisorium gedacht. Ein Feldversuch also, der testen soll, ob man die Straße mit diesen Maßnahmen tatsächlich aufwertet und den Verkehr beruhigen kann. Der ist mit Kosten von derzeit rund 600.000 Euro alles andere als billig zu haben und belastet den Doppelhaushalt 2023/24 der Stadt quasi im Voraus schon mit knapp einer halben Million Euro. Dabei ändert sich baulich nur wenig.
Wie die Friedrichstraße umgestaltet wird
Die größte Veränderung im Straßenbild bilden mehrere Podeste, die auf der Fahrbahn entlang der Häuserzeile auf dem Niveau des Gehwegs aufgebaut werden. Dafür werden Stahlrahmen auf die Straße geschraubt und Platten darauf montiert, erläuterte Wolfgang Kübler. Der Hohlraum darunter dient der Entwässerung und soll mit Schaumglas aufgefüllt werden, damit sich hier keine Nager einnisten.

Auf den Podesten ist Platz für Bänke und Tische, Pflanztröge und Fahrradständer, Schirmhülsen, Brüstungen oder Abfallbehälter. Wie die einzelnen Podeste genutzt werden, will die Stadt mit den Anliegern besprechen. Dazwischen ist Platz für weitere Pflanztröge sowie drei Parkbuchten für den Anlieferverkehr. Mit dieser Gestaltung wird die Friedrichstraße automatisch auf zwei Spuren verengt und der nördliche Gehweg enorm aufgewertet.

Auf der Straße gilt dann Tempo 20, denn der Radverkehr soll künftig im Autoverkehr „mitschwimmen“. Der heute kombinierte Geh- und Radweg bleibt den Fußgängern vorbehalten. Am Stadtbahnhof und an der Kreuzung Karlstraße/Metzstraße werden sogenannte Shared Space eingerichtet, also Zonen, wo kein Verkehrsteilnehmer Vorrang hat, jeder auf jeden achten muss. Für all diese Regelungen werden umfangreiche Markierungen und Piktogramme auf die Straße gebracht. Nicht zuletzt wird – ebenfalls provisorisch – ein Kreisverkehr an der Olgastraße mit vier Fußgängerüberwegen eingerichtet.

Für die gelungene „Aufpolsterung“ der Fußgängerzone entlang der Straße zollte Heinz Tautkus (SPD-Fraktion) der Verwaltung ein „hohes Kompliment“, forderte für den Rat bei der Auswahl von Pflanztrögen und Bänken aber ein Mitspracherecht. Doch was, wenn das Miteinander von Auto und Rad auf der Straße bei Tempo 20 nicht klappt, weil E-Biker gern schneller unterwegs sind? Und wie reagiert die Stadt, wenn sich der Pkw-Verkehr in die Nordstadt verlagere oder sich schnellere Wege sucht?
„Wir wollen den Verkehr ja raus haben aus der Friedrichstraße“, antwortete Wolfgang Kübler. Ansonsten sei die Straße schon heute kein Unfallschwerpunkt und werde wohl auch keiner werden.