Das Café Momo und das Karls in Friedrichshafen gibt es nicht mehr. „Wir haben alles, was mit der Gastronomie zu tun hat, dauerhaft geschlossen“, sagt Simon Mitrenga. Gemeinsam mit Olivia Bucher betreibt er einen Friseursalon in der Friedrichstraße, sie waren aber auch in die Gastronomie eingestiegen. Der Grund für die Schließungen? „Das war eine Mischung aus allem – Corona, Personalmangel, Energiekrise. Das kann man nicht genau sagen, was da den Ausschlag gegeben hat“, sagt er. Traurig sei es jedenfalls.
Auch Gastronomen, die ihre Betriebe schon seit längerer Zeit führen, spüren den Einfluss der Krisen. Einer von ihnen ist Ralf Felder, seit 1981 in der Gastronomie tätig, seit 1993 selbstständig und seit 2011 Betreiber des Restaurants Felders direkt an der Häfler Uferpromenade. „Ich weiß, das ist verrückt, aber ich habe meine Preise mehrheitlich so gelassen, wie sie waren“, sagt er allerdings. Wenn er sehe, wie „so ein Jungspund“ seine Freundin zu ihm ins Restaurant einlade, zu einem guten Essen mit einer Flasche Wein dazu, dann wolle er das auch in Zukunft ermöglichen. „Und auch ein Familienvater, der ein normales Einkommen hat, soll sich das Essengehen weiter leisten können.“

Um die Preise halten zu können, hat Felder Sparmaßnahmen ergriffen und zunächst die Öffnungszeiten für die kühlere Jahreszeit stark reduziert. „So können wir ordentlich Energie einsparen, wenn wir das Restaurant nur wenige Stunden am Tag hochheizen.“ Auch habe er Produkte von der Karte gestrichen, bei denen die Preissteigerung besonders groß gewesen sei und achte noch stärker auf eine saisonale Küche als ohnehin schon. „Man braucht doch keine Tomaten im Winter, die sowieso nur nach Wasser schmecken.“ Lieber koche er drei Tage lang ein Wildhasengulasch. „Und die Zeit nehme ich dann gern auf mich, denn depressiv zuhause sitzen bringt ja auch nichts.“
Felder weiß nicht, ob sein Plan aufgeht, die Preise nicht nennenswert zu erhöhen; doch er möchte es erst einmal versuchen. „Wenn ich sehe, dass die Einkaufspreise, mit denen ich vor sechs Wochen kalkuliert habe, jetzt schon nicht mehr aktuell sind, dann ist klar, dass ich das so nicht aufschlagen kann“, betont er.
Lage des Restaurants kann helfen
„Es ist ja insgesamt eine Melange, in der die Gastronomie gerade steckt“, fasst Reinhard Klumpp zusammen. Er betreibt das Wirtshaus am See, die Pizzeria Bellavista und das Restaurant im Bahnhof Fischbach. „Da sind einerseits die gestiegenen Lebensmittelpreise – beim Fleisch sind das um die 50, bei Ölen und Frittierfetten um die 90 Prozent. Dann kommen wir direkt aus Corona raus und viele Betriebe haben Fachkräftemangel.“

Er selbst habe mit zwei seiner Restaurants eine glückliche Lage. Betriebe, die direkt am Bodensee oder auch an einer Skipiste liegen, könnten die gestiegenen Preise relativ gut an die Gäste weitergeben, sagt Klumpp: „Wer in eine solche Gegend fährt oder reist, ist im Geldausgebe-Modus.“
Obendrein gebe es in solchen Lagen eine viel höhere Frequenz an Gästen, sie verkauften mehr Gerichte pro Tag. „Wenn ich die gestiegenen Energiepreise mit ein bis zwei Euro pro Essen umlege, muss ein Betrieb im Hinterland, der einfach die Frequenz nicht hat, pro Gericht vier bis fünf Euro aufschlagen“, gibt er zu Bedenken. Erst kürzlich sei er selbst zu Gast in einem Landgasthof im Hinterland gewesen, dessen Preise inzwischen höher lägen als direkt am Seeufer.
Sorge gilt insbesondere dem ländlichen Raum
Tatsächlich bereitet dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga vor allem auch der ländliche Raum Kopfzerbrechen. Und dazu zähle der Großteil des Bodenseekreises. „Die Erfahrung zeigt: Schließt eine Gastronomie im ländlichen Raum, bleibt sie dauerhaft geschlossen“, sagt Pressesprecher Daniel Ohl. Auch der Generationenwechsel werde durch die aktuelle Lage zusätzlich erschwert. In Städten gebe es generell deutlich mehr Wechsel und obendrein mehr Neueröffnungen.
Wie weit sich die Zahl der Betriebe im Land bereits reduziert habe, sei aktuell noch nicht erhoben. Die Zahlen für 2020 lägen allerdings vor. „Während wir immer rund 30.000 Gastronomiebetriebe im Land hatten – mal ein Muggeseggele mehr und mal eins weniger – hat sich im Corona-Jahr 2020 die Zahl auf rund 27.000 reduziert“, zitiert Ohl aus Daten des Verbands. Man könne hier keine einfachen Schlüsse zu den Gründen ziehen und auch die Aussage „3000 Betriebe mussten schließen“ sei viel zu stark vereinfacht, bezeichnend sei die Zahl dennoch.
Viele Gastronomen seien derzeit besorgt, es gebe viele Anfragen um die gestiegenen Energiepreise aber auch den Personalmangel. Und die neuen Krisen träfen die Gastronomie in einer ohnehin schon geschwächten Lage durch die Corona-Jahre mit teilweise großen finanziellen Einbußen. „Die Staatshilfen konnten diese zu keinem Zeitpunkt kompensieren, sie haben lediglich das Überleben der Betriebe gesichert“, so Ohl. In vielen Gastronomiebetrieben seien die Rücklagen aufgebraucht.
Der Dehoga-Sprecher will aber nicht ausschließlich schwarzmalen: „Die Branche hatte einen guten Sommer, speziell auch im SÜDKURIER-Gebiet. Und das Verhalten der Gäste macht uns Hoffnung.“ So habe eine aktuelle bundesweite Umfrage des Verbands, an deren Teilnehmerzahl die Baden-Württemberger rund ein Fünftel ausmachten, ergeben, dass die Gästezahl trotz Inflation und gestiegener Preise kaum zurückgegangen sei: „Man merkt, dass Gastronomie eben nicht nur Essen bedeutet, sondern auch Geselligkeit und Beisammensein und das Bedürfnis danach ist groß.“