Noch vor zwei Tagen war die Hoffnung auch am Medizin Campus Bodensee (MCB) groß, dass sich Mitarbeiter mit hohem Ansteckungsrisiko direkt in einem der beiden Krankenhäuser in Friedrichshafen und Tettnang gegen das Coronavirus impfen lassen können.

Zu wenig Impfdosen

Doch daraus wird nun nichts: Am Dienstag informierte das Sozialministerium die Krankenhäuser des Landes darüber, dass sich die Belieferung mit dem Impfstoff für die Beschäftigten verzögert. Das bestätigt Kliniksprecherin Susann Ganzert auf Nachfrage. Der Grund: Weil es zu wenig Impfdosen gibt, müssen sich nun auch die rund 700 MCB-Beschäftigten mit hohem Ansteckungsrisiko, die auf den Intensivstationen oder in der Notaufnahme arbeiten, in einem Impfzentrum impfen lassen. Organisatorisch sei der MCB bereits seit Dezember auf den Impfstart an den Kliniken vorbereitet, so Ganzert.

Dr. Sabine Merz, Leiterin der Klinik für Notfallmedizin am Klinikum Friedrichshafen: „Eigentlich müssten wir jetzt auf die Straße ...
Dr. Sabine Merz, Leiterin der Klinik für Notfallmedizin am Klinikum Friedrichshafen: „Eigentlich müssten wir jetzt auf die Straße gehen und demonstrieren.“ | Bild: Felix Kaestle

Umso größer ist der Ärger. „Eigentlich müssten wir jetzt auf die Straße gehen und demonstrieren. Aber das geht nicht, weil uns unser Verantwortungsgefühl in den Kliniken und bei unseren Patienten hält“, erklärt Dr. Sabine Merz, Chefärztin der Klinik für Akut- und Notfallmedizin des Klinikums Friedrichshafen.

Noch deutlicher wird Dr. Martin Eble, geschäftsführender Oberarzt der Klinik und leitender Notarzt des Bodenseekreises in Personalunion: „Ich bin ehrlich empört“, so Eble. „Seit acht Monaten kämpfen wir in den Kliniken an vorderster Front und erfahren, kurz bevor die Impfdosen in den Kliniken ankommen sollen, dass daraus nichts wird.“

Martin Eble, Geschäftsführender Oberarzt am Klinikum Friedrichshafen: „Ich bin empört. Seit acht Monaten kämpfen wir in den ...
Martin Eble, Geschäftsführender Oberarzt am Klinikum Friedrichshafen: „Ich bin empört. Seit acht Monaten kämpfen wir in den Kliniken an vorderster Front und erfahren, kurz bevor die Impfdosen in den Kliniken ankommen sollen, dass daraus nichts wird.“ | Bild: mcb

Dafür liefere das Sozialministerium seit Beginn der Pandemie etwa Masken ohne Zertifikat. Gelder gebe es vom Land für die Bereitstellung von Intensivbeatmungsplätzen, Spritzen und Kanülen für die Impfung, „aber keinen Impfstoff“, ist der Mediziner sauer. Im Gegenzug poche das Land auf fristgerechte Meldungen an verschiedene Portale und behalte Zuschüsse bei Missachtung ein. Zudem würden ungerechtfertigt Zuschüsse für die Schaffung von zusätzlichen Beatmungsgeräten infrage gestellt.

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MCB-Pflegedirektor Andreas Stübner spricht für die Pflegekräfte, die die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Impfung jetzt infrage stellen. „Das kann ja kaum das Ziel der teuren Kampagnen sein“, erklärt er. Weil die Anzahl der Covid-Patienten derzeit so hoch sei, müssten Zimmer in den Isoliereinheiten oft dreifach belegt werden. Auf der anderen Seite erkranken auch Mitarbeiter in der Pflege. Wer noch gesund ist, lege „ein ungeheures Engagement“ an den Tag. „Sie verzichten auf freie Tage und Urlaub oder den Abbau ihrer Überstunden. Wie sollen wir die Motivation der Mitarbeiter bei solchen Nachrichten halten können?“, fragt Andreas Stübner.

Andreas Stübner, Pflegedirektor am Klinikum Friedrichshafen: „Sie verzichten auf freie Tage und Urlaub oder den Abbau ihrer ...
Andreas Stübner, Pflegedirektor am Klinikum Friedrichshafen: „Sie verzichten auf freie Tage und Urlaub oder den Abbau ihrer Überstunden: Wie sollen wir die Motivation der Mitarbeiter bei solchen Nachrichten halten können?“ | Bild: Medizin Campus Bodensee

Die Personaldecke in den MCB-Krankenhäusern sei gerade in diesen Wochen sehr dünn. Trotzdem werde alles daran gesetzt, die Patienten zu versorgen. „Umso wichtiger wäre es, dass die Ärzte und Pflegekräfte an ihrem Arbeitsplatz geimpft werden können“, positionieren sich die Vertreter der Arbeitsgruppe, die den Impfstart am Klinikum vorbereitet haben.

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Dabei sei die Impfbereitschaft unter den MCM-Beschäftigten hoch. Nicht wenige nutzten seit Jahresbeginn die Möglichkeit, so Ganzert, sich in einem der Zentralen Impfzentren im Land (ZIZ) impfen zu lassen; investieren so zwei Mal Freizeit und Fahrkosten, um für die notwendige Doppelimpfung nach Ulm oder Stuttgart zu kommen.

Nur 500 Impfdosen pro Woche im Kreisimpfzentrum

Das Sozialministerium teilte mit, dass die Beschäftigten im Gesundheitswesen auch weiterhin in die ZIZ gehen könnten, dort seien ausreichend Kapazitäten vorhanden.

Vor Ort sieht das allerdings anders aus. Im Kreisimpfzentrum des Bodenseekreises, das am 22. Januar seine Arbeit aufnehmen soll, seien laut Schreiben des Ministeriums 20 Prozent der Impfdosen für die Mitarbeitenden des Gesundheitswesens reserviert. Das KIZ Bodenseekreis erwarte wöchentlich 500 Impfdosen. Ergo wären 100 davon für Klinikbeschäftigte dreier Krankenhäuser im Landkreis und der Schwerpunktpraxen vorbehalten. Allein beim MCB sind aber 700 Mitarbeiter mit Priorität eins zu impfen. „Wir setzen nun alles daran, hier entsprechende Slots für unsere Mitarbeitenden zu erhalten“, heißt es vom MCB.

Oberschwabenklinik kann doch impfen

An den Oberschwabenklinik in Ravensburg konnten am Donnerstag die ersten 52 Beschäftigten aber doch geimpft werden – „dank Hilfe der Uniklinik Ulm„, teilte OSK-Sprecher Winfried Leiprecht heute Nachmittag mit. Das Universitätsklinikum hatte am Mittwochnachmittag kurzfristig angekündigt, die OSK mit Impfdosen aus seinen Beständen zu unterstützen.