Nach dem Suizid der Oberärztin Elke Küßner Anfang Dezember 2023 laufen umfassende Ermittlungen, was am Klinikum Friedrichshafen schieflief. Die Medizinerin, die auf der Intensivstation arbeitete, hatte über mehrere Monate hinweg intern auf Missstände hingewiesen, die Patientenleben gefährden würden. Sie nahm sich an dem Tag das Leben, als sie von ihrer Kündigung erfuhr. Seit dem Suizid versuchen Polizei und Staatsanwaltschaften, die Vorwürfe der Medizinerin aufzuklären. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Strafverfahren wegen möglicher Behandlungsfehler
Im Dezember 2024 hat die Kriminalpolizei Friedrichshafen die Ermittlungen wegen ärztlicher Fehlbehandlungen gegen mehrere Mediziner vorerst abgeschlossen. Dabei geht es um den Verdacht von unterlassener Hilfeleistung, Körperverletzung und fahrlässiger Tötung. „Die Akten sind vor Weihnachten bei uns eingegangen“, erklärt Oberstaatsanwältin Christine Weiß im Januar auf Anfrage unserer Zeitung.

Im nächsten Schritt erhielten die Anwälte der mittlerweile noch drei beschuldigten Ärzte Akteneinsicht. Die Frist zur Stellungnahme sei wegen des Aktenumfangs um einen Monat bis Ende April verlängert worden, teilt die Oberstaatsanwältin den aktuellen Stand des Verfahrens mit. Daher könne „noch nicht beurteilt werden, ob weitere Ermittlungen nötig sein werden“. Damit steht auch noch nicht fest, ob Anklage erhoben wird. Nach wie vor gilt die Unschuldsvermutung für alle Beteiligten.
Strafverfahren wegen Abrechnungsbetrugs
Wenige Wochen, nachdem die Staatsanwaltschaft Ravensburg Ermittlungen aufnahm, wurde ein Teil des Verfahrens abgetrennt. Der Verdacht auf Abrechnungsbetrug, gemeldet von der Krankenkasse AOK, wurde an die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Stuttgart abgegeben, da es sich dabei um ein Wirtschaftsdelikt handelt.
In diesem Verfahren richten sich die Ermittlungen inzwischen „gegen fünf Verantwortliche des Medizin Campus Bodensee“ (MCB), teilt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Damit erweitert sich der Personenkreis, gegen den strafrechtlich ermittelt wird. Im Fokus der Staatsanwaltschaft Ravensburg stehen drei Mediziner.
Bestätigt wird aus Stuttgart dabei erstmals, dass es um den „Verdacht des gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs“ geht. Gegenstand der Ermittlungen sei dabei auch der Einsatz von sogenannten Mitraclips bei Herzerkrankungen. „Die Ermittlungen dauern an.“
Von einem Abrechnungsbetrug spricht man, wenn im Gesundheitswesen Leistungen in Rechnung gestellt werden, die nicht oder nicht im abgerechneten Umfang erbracht wurden. Wird das vorsätzlich gemacht, also wissentlich und mit der Absicht, regelmäßig zusätzliche Einnahmen zu generieren, ist von einem gewerbsmäßigen Betrug die Rede. Bei dieser Straftat droht eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren, wobei das auch von der Höhe des Schadens abhängt. Über den möglichen Schaden in diesem Fall macht die Staatsanwaltschaft Stuttgart keine Angaben.
Kündigung zieht Zivilklagen nach sich
Inzwischen sind mehrere Klagen auch beim Arbeitsgericht anhängig. Zur Erinnerung: Im Juli vergangenen Jahres hatte der MCB-Aufsichtsrat beschlossen, das Arbeitsverhältnis mit einem Chefarzt des Klinikums zu beenden, gegen den strafrechtlich ermittelt wird. Die Entscheidung fiel nach einer internen Untersuchung, die „den dringenden Verdacht ärztlicher und arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen“ feststellte.
Gegen die Kündigung reichte der Mediziner Klage ein. In einem sogenannten Güterichterverfahren, das nicht öffentlich ist, wurde ein Vergleich ausgehandelt. Der Vergleich kam nicht zustande. Damit wird die Kündigungsschutzklage nun vor dem Arbeitsgericht verhandelt. Einen Termin dafür gibt es nach Angaben des Gerichts noch nicht. Sowohl das Klinikum als auch der Chefarzt möchten mit Verweis auf das laufende Verfahren auch auf Anfrage keine Stellungnahme dazu abgeben.
Erste Verhandlungen vor Gericht
Zwei andere, damit in Verbindung stehende Verfahren fanden bereits statt. Am 22. Januar wurde vor dem Arbeitsgericht Ravensburg öffentlich verhandelt. Hier hatte der Chefarzt eine einstweilige Verfügung gegen das Klinikum beantragt. Dabei ging es „um die Unterlassung der Weitergabe von Informationen aus und im Zusammenhang mit dem Güterichterverfahren“ der Parteien, teilt das Arbeitsgericht auf Anfrage mit. Dieses Verfahren sei mit einem Vergleich beendet worden. Was dieser Vergleich beinhaltet, darüber möchte Klinikum-Geschäftsführerin Anthea Mayer keine Angaben machen. Sie verweist auf eine „Vertraulichkeitsvereinbarung“, die beide Seiten im Rahmen des Güterichterverfahrens abgeschlossen haben.
Streit ums Zwischenzeugnis
Eine weitere Klage wurde Ende März ebenfalls vor dem Arbeitsgericht Ravensburg öffentlich verhandelt. In diesem Verfahren fordert der Mediziner ein Zwischenzeugnis, das das Klinikum bis dato nicht ausstellen möchte. Ob es dabei bleibt, ist fraglich. In der gut einstündigen Güteverhandlung signalisierten beide Seiten die Möglichkeit zur Einigung in dieser strittigen Frage.