Die Häfler strömten am Sonntagabend in Massen herbei, um den ersten großen Auftritt des neuen Oberbürgermeisters mitzuerleben. Unter den Gästen waren zahlreiche Vertreter aus Politik, Industrie, Handwerk, Kultur und des öffentlichen Lebens. Mit Spannung wurde die Rede von Simon Blümcke beim Jahresempfang im restlos ausgebuchten Graf-Zeppelin-Haus erwartet.
Amtseinführung mit Patzern
Doch bis es soweit war, mussten die Besucherinnen und Besucher erst die Rede von Klaus Tappeser überstehen. Bereits bei der Verabschiedung von Ex-OB Andreas Brand Ende Oktober hatte der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Tübingen sein Publikum etwas irritiert zurückgelassen. Dieses Mal war es nicht besser. Neben eher allgemeinen Betrachtungen zu den Aufgaben eines Oberbürgermeisters und der Rolle des Regierungspräsidiums erfuhren die Häfler von Tappeser, dass sie in einer Residenzstadt wohnen und über einen funktionierenden Flughafen verfügen, was mit einigem Schmunzeln quittiert wurde. Die Amtseinsetzung von Simon Blümcke fand im Vorbeigehen per Handschlag auf der Bühnentreppe statt.

Dann aber setzte Simon Blümcke an. In seiner Antrittsrede schlug der Oberbürgermeister einen großen Bogen, verband das historische Erbe der Stadt mit der Gegenwart. Stolz sein auf das Erreichte, mutig Neues wagen, ohne den Blick auf die Realitäten zu verlieren – gut 20 Minuten reichten Simon Blümcke, um den Häflern zu erläutern, was er damit meint.
Stolz auf Stadtentwicklung
Bei der Stadtgründung 1811 sei Friedrichshafen nur ein Name gewesen, eine kühne Idee, die auch hätte schiefgehen können. Die rasante Erfolgsgeschichte im 19. Jahrhundert sei geeignet, Friedrichshafen als „eine der besten und mutigsten Ideen“ im neuen Königreich Württemberg zu bezeichnen. Gerichtet an die zahlreichen Parlamentarier im Saal, mahnte er unter Beifall mehr „19. Jahrhundert“ an: ausgefallene Züge, Dieselloch auf der Gürtelbahn und eine verstopfte B31 und B30 seien „leider ein erlebbarer Wohlstandsverlust, das werden wir uns auf Dauer nicht leisten können“.

Zu Zusammenhalt und Zuversicht rief Blümcke die Bürger auf und wurde leidenschaftlich: „Friedrichshafen war und ist ein Versprechen. Ein Versprechen, dass Energie und Mut in dieser Stadt liegen, dass man gemeinsam anpackt.“ Frei nach Graf Zeppelin sieht er im „Scheitern eine durchaus edle Sache“. Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau: „Wer versteht, woher diese Stadt kommt, was sie geprägt hat und was die Menschen hier zu leisten bereit sind, der kann mit Fug und Recht behaupten, dass wir Häflerinnen und Häfler Zukunft können und Zukunft auch machen werden.“
Projekte überdenken und priorisieren
Der Rathaus-Chef mahnte eine neue Ehrlichkeit an angesichts der enger werdenden finanziellen Spielräume. „Wesentlich werden“ sei das Gebot der Stunde. Darin liege die Chance, sich von alten Ideen zu trennen und neue tatsächlich umzusetzen. Alte, nie begonnene Projekte von über 63 Millionen Euro und neue, dringend gebrauchte wie Kitas und Schulen müssten in eine Reihenfolge gebracht werden. Und nicht alles Wünschenswerte sei machbar. Applaus zeigte, dass die Häfler da mitgehen.
Fehler machen erlaubt
„Wir werden Dinge ausprobieren, vielleicht auch Fehler machen, aber wir werden machen“, versprach Blümcke. Ein strategisches Ziel: den Wohnungsbau ankurbeln. Mit der Städtischen Wohnbau, der Zeppelin Wohlfahrt und Zeppelin Rental habe man drei starke Unternehmen, die dabei koordiniert und professionell helfen können.

Als eine der wichtigen persönlichen Herausforderung sieht Blümcke die Entwicklung des Klinikums. „Wir sind alle betroffen und tieftraurig, dass es bis zum Suizid von Frau Dr. Küßner kam. Wir alle trauern um sie, auch heute.“ Es gebe viel aufzuarbeiten: „Hier helfen nur Verfahren vor ordentlichen Gerichten“, nur so komme man zu Rechtsfrieden. Was man bei alldem nicht übersehen dürfe, sei die „unglaubliche Arbeit, die jeden Tag dort durch motivierte Mitarbeitende geleistet wird“.

Einen Aufruf zu Toleranz und gegen Panikmache platzierte der Oberbürgermeister mit Blick auf die Bundestagswahl: „Es hilft nicht, ganze Gruppen auszuschließen“, sagte er und erinnerte an die Zuwanderer, denen seit dem 19. Jahrhundert der Wohlstand Friedrichshafens und des Landes mitzuverdanken sei. „Wir wissen in Friedrichshafen, wie es ist, mit Menschen aus 120 Nationen in einer Stadt zusammenzuleben. Wer hier lebt und wer sich einbringt, wer mitmacht, dass diese Stadt jeden Tag besser wird, der ist Häflerin oder Häfler.“
Worte, die ankamen, wie der tosende Applaus zeigte: Simon Blümcke hat den richtigen Ton getroffen und klare Botschaften gesendet in Zeiten großer Unsicherheiten.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung vom Stadtorchester mit Symphonischem Jugendblasorchester sowie von der Bezirkskapelle der Häfler Musikvereine. Im Foyer ließen die vielen Besucher den Abend bei Getränken, Häppchen und Gesprächen ausklingen.