In wenigen Tagen endet eine Ära. Wie fühlt sich das an?

Die Idee war nie, das unendlich zu machen. Für mich stand fest, dass nach 15 Jahren an der Konzernspitze Schluss ist. Irgendwann hat man alles erreicht, jetzt kommt die nächste Generation dran. Eins darf man nicht vergessen, ich übergebe auch ein ganzes Paket an Verantwortung. Jetzt kann ich mich auf anderes konzentrieren, das auch viel mehr genießen. Ein bisschen Wehmut ist natürlich dabei, aber insgesamt fühlt es sich gut an.

Zeppelin-Chef Peter Gerstmann bei der Messe Bauma in München.
Zeppelin-Chef Peter Gerstmann bei der Messe Bauma in München. | Bild: Zeppelin GmbH

Wenn Sie die Jahre Revue passieren lassen: Was hat sich verändert?

Das ist auch ein Punkt: Ich habe heute manchmal meine Schwierigkeiten, mich am Nerv der Zeit zu orientieren. Manche Themen sind nicht mehr meine Themen. Für mich gab es immer den Grundsatz hier im Unternehmen: „Grafen ziehen den Hut“. Damit war alles an Respekt gemeint, gegenüber Hautfarbe, Geschlecht, Orientierung. Heute müssen Sie ein Diversity-Statement abgeben, möglichst auch in den sozialen Medien und die entsprechenden Likes einsammeln, das ist nicht unbedingt meine Welt. Verträge werden heute mit Heerscharen von Anwälten verhandelt; das Handschlaggeschäft findet nicht mehr statt. Es ist also ganz gut, wenn man das Fenster öffnet und es gibt ein bisschen Durchzug, eine neue Generation, die neue Themen mit der entsprechenden Glaubwürdigkeit vertritt.

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Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für den Zeppelin-Konzern?

Wir sind eine Vertriebs- und Serviceorganisation mit einem ehemaligen Schwerpunkt in Osteuropa. Aus Russland, wo wir einmal 20 Prozent unseres Umsatzes generiert haben, haben wir uns komplett zurückgezogen. Die Herausforderung für meinen Nachfolger Matthias Benz wird sein, diesen Verlust zu kompensieren und neue Märkte zu entwickeln. Außerdem wird der Technologiewandel eine Rolle spielen. Elektrisch, Wasserstoff oder alternative Treibstoffe – wohin die Reise geht, wissen wir noch nicht. Ganz aktuell steht die Bauindustrie zudem massiv unter Druck, und die ist unser Kernmarkt.

Sie haben es gerade schon angesprochen: Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Einfluss auf die Geschäfte des Zeppelin-Konzerns. Wie haben Sie diese neu ausgerichtet?

Zwei Jahre konnten wir Umsatzeinbrüche vor allem dadurch kompensieren, dass wir in unseren Kernmärkten außerhalb von Russland weiter gewachsen sind. Das lag auch am Rental-Geschäft, das wir sehr konsequent ausgebaut haben und das in meiner Verantwortung stark gewachsen ist. Heute sind wir der größte Anbieter von temporären Lösungen auf der Baustelle in Deutschland und einer der größten in Europa. In den vergangenen beiden Jahren war aber auch noch das Russlandgeschäft in Abwicklung. Wir haben die Genehmigung der Ausfuhrbehörden bekommen, alle Produkte, die sich in Russland befanden, unter Berücksichtigung der Sanktionen abzuverkaufen. Das gab noch einmal einen Umsatz, der uns seit diesem Jahr vollständig fehlt. Die Weltmärkte sind angesichts multinationaler Krisen und Spannungsfelder momentan insgesamt in keiner guten Verfassung. Dies trifft auch auf unseren wichtigen deutschen Markt zu. Aber die Konjunktur wird sich mittelfristig wieder erholen.

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Was erwarten Sie von der Politik?

Aktuell werden Investitionen in die Infrastruktur vernachlässigt, der energetische und digitale Umbau kommt nur schleppend voran. Wir haben regulatorische Rahmenbedingungen, die beschränken, begrenzen und verzögern und jegliche Einspruchs- und Klagemöglichkeit fördern. Das alles wirkt auf uns. Es muss ein völliger Wandel im Denken unserer Regierenden eintreten. Wir brauchen Investitionen als Zukunfts- und Wohlstandssicherung, die Sicherung des Industriestandortes Deutschland und damit eine Beschäftigungspolitik, die unsere Sozialsysteme langfristig sichert.

Viele Unternehmen stecken mitten in der Transformation. Wo macht sich der Wandel beim Zeppelin-Konzern besonders bemerkbar?

Transformation bedeutet für uns ein Wandel hin zu neuen Antriebskonzepten und digitalen Lösungen. Bei den Antrieben hat sich bei Baumaschinen noch keine Technologie durchgesetzt. Es gibt ganz viele Ansätze, keiner davon war bisher wirklich erfolgreich, wir sind also gespannt, was kommt. Die Transformation betrifft auch die digitalen Lösungen mit datenbasierten Assistenzsystemen und Servicekonzepten. Hier sind wir mit unserem Partner Caterpillar sehr gut aufgestellt.

Ihr letzter Arbeitstag steht kurz bevor, ein Fest zum Abschied gab es aber bereits. Wie sah das aus?

Unser Gesellschafter hat eine Abschiedsfeier für mich organisiert. Gemeinsam mit Geschäftspartnern, Mitarbeitenden, Kunden und Gesellschaftervertretern wurde gefeiert. Es hat mich sehr gefreut, dass an diesem Abend das Stadtorchester Friedrichshafen auf der Bühne stand, begleitet von einem Mitarbeiter, der auf dem Dudelsack „Amazing Grace“ gespielt hat. Damit wurde mir ein Wunsch erfüllt. Zum Schluss stand ein Auftritt der Zeppelin-Band auf dem Programm. Es war eine schöne Feier, es waren ganz viele meiner Weggefährten der letzten 25 Jahre dabei, was mich sehr gefreut hat.

Auch ein musikalischer Auftritt durfte nicht fehlen: Peter Gerstmann stand bei seiner Abschiedsfeier mit der Zeppelin-Band auf der Bühne.
Auch ein musikalischer Auftritt durfte nicht fehlen: Peter Gerstmann stand bei seiner Abschiedsfeier mit der Zeppelin-Band auf der Bühne. | Bild: Zeppelin Gmbh

Wie werden Ihre Tage künftig aussehen?

Zunächst einmal habe ich noch einige Gremienverpflichtungen, denen ich gern nachkomme. Ich werde im Aufsichtsrat des Zeppelin Museums, der Messe und im Beirat der Zeppelin-Universität weitermachen – solange es gewünscht ist. Außerdem habe ich einen ruhenden Lehrauftrag an der Uni München, den ich wieder aufnehmen möchte. Obendrein habe ich vor, mein Motorrad wieder mehr zu bewegen, ein paar Reisen zu machen, die schon länger auf dem Zettel stehen. Ich werde mich mehr im Bereich Kultur engagieren, mache weiterhin gern Musik, werde also auch der Zeppelin-Band als Special Guest erhalten bleiben. Und dann hat meine Frau noch ganz viele Ideen. Ich werde also sicher nicht unbeschäftigt bleiben.

Werden Sie auch der Bodenseeregion erhalten bleiben?

Mittelfristig werden wir uns eher in eine Großstadt orientieren. Wir möchten uns früher oder später nicht mehr um ein Haus kümmern. Auch was Kultur, Gesundheitsversorgung und das Thema Mobilität angeht, sehen wir uns im Raum München.

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Sie sind leidenschaftlicher Musiker. Wenn Ihr Abschied ein Song wäre, wie würde er klingen?

Wir haben an dem Abend meinen Abschiedssong mit der Zeppelin-Band gespielt: „Verdamp lang her“.

Nicht nur im Unternehmen, auch im Kulturleben der Stadt engagiert: 2018 präsentierte Peter Gerstmann in Friedrichshafen Lieder und ...
Nicht nur im Unternehmen, auch im Kulturleben der Stadt engagiert: 2018 präsentierte Peter Gerstmann in Friedrichshafen Lieder und Literatur, die ihn in den letzten 30 Jahren bewegt haben. | Bild: Corinna Raupach (Archiv)

Was wird Ihnen fehlen?

Diese Begeisterung, die das Unternehmen Zeppelin und seine Mitarbeitenden trägt. Bei der Bauma in München und bei anderen Firmenveranstaltungen spürt man den Spirit, die Begeisterung der Belegschaft für das Produkt, für unsere Kunden. Zeppelin und Caterpillar, das ist ein echtes Gefühl. Das wird mir fehlen, aber ich werde hoffentlich hin und wieder als Gast eingeladen.