„Wenn ich hier eine Tomate abpflücke, dann kommt ein Kindheitsgefühl hoch“, beschreibt René Dittrich. „Und die kann man einfach essen; die sind nicht gespritzt.“ Alles bio also. „Da lege ich viel Wert drauf.“ Er sei auf einem Bauernhof groß geworden, habe die Sache mit dem Gemüseanbau von Oma und Opa gelernt. „Ich bin da richtig hinterher und probiere auch jedes Jahr was Neues aus.“Seit bald zehn Jahren hat er eine Parzelle in der Anlage der Gartenfreunde Seeblick in Manzell.
Dittrichs diesjährige Ernte: 15 Honigmelonen, zwei Wassermelonen, 40 Kilogramm Tomaten, Salate und Kräuter. Im Sommer seien viele Schmetterlinge da, schildert er. Es gibt Insektenhotels, Vögel finden hier Häuschen und Tränken. Bei den Blumen achte er darauf, dass Bienen etwas an ihnen fänden. Natur, Tiere, Mensch, die sollten eben harmonieren. „Für mich ist der Garten ein Garten und kein Freizeitpark. Ich freue mich über jede Pflanze, die wächst.“ Für ihn selbst habe sich durch die aktuellen Lebensmittelpreise nichts geändert, einen Unterschied merke er jedoch: „Ich gebe schon immer etwas von der Ernte ab, da ich das alles gar nicht allein essen kann. Das ist jetzt deutlich einfacher und gefragter geworden.“ Selbst Verwandte, die bisher immer dankend abgelehnt hätten, hätten kürzlich gern Tomaten und Salat abgenommen.
Nachfragen schnellen mit Pandemie-Beginn nach oben
Hegen in Zeiten von steigenden Preisen mehr Menschen den Wunsch, sich zumindest ein Stück weit selbst zu versorgen? „Wir könnten jede Parzelle dreimal verpachten“, sagt jedenfalls Siegfried Biggör, Vorsitzender der Gartenfreunde Seeblick. Das sei allerdings erst seit Beginn der Pandemie so, vorher seien es vielleicht zehn Anfragen pro Jahr gewesen. Inzwischen sage er jedem, der Interesse habe, sofort, dass er an die 15 Jahre warten müsse. „In der ersten Woche von Corona waren es direkt zwanzig Nachfragen“, erinnert sich Biggör. Die aktuelle Wirtschaftslage habe das nicht zusätzlich befeuert. Seit Corona sei die Nachfrage aber stetig hoch geblieben.
Viele junge Leute kämen jetzt dazu, die meisten seien zwischen 30 und 45 Jahre alt. „Das hat mich gewundert, aber Corona hat viel ausgemacht“, sagt Biggör. „Viele kaufen eine Wohnung mit kleinem Balkon, haben kleine Kinder und wollen dann raus.“ Doch die Parzellen seien eben stark begrenzt in Friedrichshafen – und auch in anderen Gegenden seien die Kleingärten knapp, weiß er von einer überregionalen Vorstandssitzung von vor zwei Monaten. „Bei uns hier jetzt sind die Gärten sicher noch die nächsten 15 bis 20 Jahren vergeben. Es sei denn, jemand verändert sich beruflich und zieht weg.“
Uta Dzimwas kommt auf dem Weg zu ihrer Parzelle in Manzell, wo sie an diesem Tag Kränze aus Hopfen und Blüten binden will, ins Schwärmen. „Ich habe hier hochschwanger Unkraut gejätet“, erinnert sie sich. Der Garten sei ihr Freiraum gewesen, als sie damals in einer Wohnung ohne Balkon und Garten in einem Haus direkt an einer befahrenen Straße lebten. „Als wir dann gehört haben, dass hier eine neue Gartenanlage öffnet und noch Parzellen zu haben sind, waren wir sofort dabei.“ Seit fast 43 Jahren werkeln ihre Familie und sie nun schon hier, bauen unterschiedliches Gemüse an.

Auch Wolfgang Ott von den Gartenfreunden Rotachbogen berichtet von einer Zunahme der Anfragen seit Beginn der Pandemie, spricht gar von einer „Flut“. Seine Beobachtung: „Mag es zu Beginn noch der Wunsch nach etwas Freiraum in der Natur gewesen sein, so ist es im Augenblick sicher auch der Wunsch nach einer Selbstversorgung.“ Auch hier sind die zur Verfügung stehenden Parzellen allerdings knapp. „Alleine im Rotachbogen habe ich nahezu 50 Interessenten auf der Warteliste, es stehen jedoch nur 22 Parzellen zur Verfügung.“ Leider hätten alle Vereine die Erfahrung machen müssen, dass gerade in der jetzigen Zeit der anfängliche Enthusiasmus oft schnell verfliege, wenn der Neu-Gärtner feststelle, dass die Bewirtschaftung einiges an aktivem Handeln abverlangt und die Natur keine Vernachlässigung dulde.