Erstaunlich, was sich in einer kleinen Gemeinde in einem Jahr tut, auch wenn man den Eindruck hat, das Leben stehe wegen Corona weitgehend still. Bürgermeister Volker Frede war zum Jahresgespräch mit dem Dienstrad gekommen, dem Lasten-E-Bike, das 2019 angeschafft wurde, um der neuesten Errungenschaft des Bauhofs die angemessene Reverenz zu erweisen: Der Klein-LKW vom Typ „Goupil G4“, der mit einer Reichweite von 90 Kilometern und einem extrem kleinen Wendekreis für die Aufgaben innerhalb der kleinen Seeanrainergemeinde gut gerüstet ist, kann sowohl mit einer Kippfläche als auch mit einem Müllverdichter als Aufsatz betrieben werden. Damit besitzt Hagnau zwei CO2-freie Fahrzeuge. „2021 planen wir auf dem Bauhofgelände eine Solaranlage, die für „grünen Strom“ sorgen wir. Dann sind diese Fahrzeuge komplett klimaneutral“, freut sich Frede.

Unerfreuliche Verzögerungen beim neuen Gewerbegebiet
Zwei große Projekte überragen an Wichtigkeit allerdings alles andere. „Wir sind jetzt mit unserem Gewerbegebiet Langbrühl-Ost endlich auf der Zielgeraden. Wegen der vielen Einsprüche und daraus resultierender Änderungen hat sich der Vorgang um knapp zwei Jahre verzögert. Das war für alle Beteiligten nicht erfreulich und hat auch höhere Kosten verursacht. Jetzt fehlt nur noch die Zustimmung des Landratsamtes, dann können wir im Frühjahr die Erschließung starten. Im Spätsommer oder Herbst können die ersten dann hoffentlich mit ihren Bauten beginnen.“

Bürger reden mit bei Neugestaltung des Westhafen-Areals
Das andere Großprojekt wurde zunächst im Gemeinderat in mehreren Sitzungen vorbereitet, ehe es jetzt auch die Bevölkerung aktiv mit einbezieht. Das gesamte Areal rund um den Westhafen soll neu gestaltet werden, mit dem Hafen selbst, dem Sanitärhäuschen, dem kleinen Park mit Spielplatz und der Uferböschung westlich vom Anleger.
„Auf zum neuen Ufer“ nennt Frede das Projekt, für das der Gemeinderat die Agentur „Translake“ engagiert hat, die den Prozess der Bürgerbeteiligung begleiten und anleiten soll. „Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme; daran arbeiten wir gerade. Ab Ende Januar geht der Prozess dann immer mehr über in eine konkrete Planung. Eine „Spurgruppe“ von Bürgern hilft dabei, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mit einzubinden. „Leider wird vieles virtuell stattfinden müssen, denn Bürgerversammlungen sind ja noch nicht möglich“, bedauert der Schultes, dass auch hier Corona stört. „Jedenfalls bin ich sehr gespannt, wie es weitergeht, denn schließlich ist dieses Areal eine der Visitenkarten Hagnaus!“

Grundsatzbeschluss zur Umplanung des Anlegers im Frühjahr
Ganz unabhängig sind die Hagnauer bei ihren Plänen übrigens nicht: „Es gibt rechtliche Vorgaben, gerade für den Hafen selbst, die wir berücksichtigen müssen. An Land sind wir hingegen weitestgehend frei.“ Im April oder Mai soll der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss fassen. Dann könnten bei idealem Verlauf im Winter 2021/22 – je nach Wasserstand – die Arbeiten im und am Wasser beginnen. Die Landarbeiten sollen dann im Winter 2022/23 folgen.

Neue Informationstechnik spart „enorm viel Papier“
„Wir haben 2020 auch eine Reihe von Maßnahmen der Vorjahre zu Ende geführt: am Friedhof mit neuen Bänken und der Sanierung der Aussegnungshalle oder den Abschluss der Umrüstung unserer Leuchten auf LED, da fehlten noch die historischen Leuchten“, so Frede. „Überhaupt haben wir einiges in die Umstellung auf digitale Technik und damit Umweltfreundlichkeit gesteckt.“ So spare das Rats-Informations-System enorm viel Papier, weil jetzt alle Vorlagen auf dem Tablet oder Notebook vorlägen. Allein beim Haushalt seien das je Person über 100 Blatt. „Gerade in diesen Zeiten bewährt sich auch die KiTa-App für Eltern und Erzieherinnen“, beschreibt Frede weiter, „die funktioniert in beide Richtungen“. So könnten die Eltern Krankmeldungen per App losschicken oder erhielten Infos zu den neuesten Corona-Bestimmungen. Schließlich: „Im Gwandhaus wird die Akustikanlage umgerüstet, damit sie für Konferenzen und Sitzungen geeignet ist.“

Kompliment für „angemessenes Verhalten“ der Wirte
Angesichts abgesagter Kulturveranstaltungen sind die vergleichsweise guten Zahlen im Tourismus umso erstaunlicher. „Wir haben knapp 18 Prozent weniger Übernachtungen. Die erlaubte Zeit war übervoll und wir hatten deutlich gestiegene Zahlen in der Nachsaison“, bilanziert Frede. Es seien auch mehr jüngere Gäste und junge Familien da gewesen als früher.“ Den Wirten machte Frede ein Kompliment: „Sie haben sich sehr gut und angemessen verhalten.“ An den neuralgischen Punkten wie Badestelle, Uferpark und Schiffslandestelle habe die Gemeinde einen Sicherheitsdienst beauftragt, die Abstandsregeln zu kontrollieren. Und mit den Nachbargemeinden hatten wir Absprachen, um Verschiebungen der Besucherströme zu vermeiden.“ Sogar die in Hagnau neu „quasi geräuschlos eingeführte Echt-Bodensee-Card“ wurde nach Aussage vieler Gastgeber positiv aufgenommen.
Corona-Konsequenz: „Wir haben unsere Flexibilität enorm erhöht“
Im Rathaus selbst hatte man sich schnell auf die Pandemie eingerichtet. „Wir haben gleich am Anfang sehr gute Möglichkeiten geschaffen, elektronisch zu arbeiten.“ Schon nach wenigen Tagen seien wir per Videokonferenz und mit mobilen Arbeitsplätzen voll arbeitsfähig. Wir haben Bereiche halbiert und konsequent in zwei Schichten ohne Berührung gearbeitet. Im Sommer haben wir die technischen Möglichkeiten dann für alle Mitarbeiter ausgebaut, also auch in der Touristinfo und im Kinderhaus. Wir haben unsere Flexibilität enorm erhöht, das ist sogar ein Vorteil gegenüber früher. Und durch den Umzug ins Gwandhaus ist auch nur eine Ratssitzung ausgefallen.

Bürger und Mitarbeiter verhielten sich laut Frede diszipliniert
„Finanziell haben wir durch die Landeshilfen weniger Einbußen als befürchtet“, meint Frede. Die Auswirkungen der fehlenden Steuerzahlungen werde die Gemeinde erst ab 2022 so richtig spüren, meint er. Das Wichtigste sie jedoch, „dass wir bislang vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sind und dass möglichst alle gesund bleiben“. Der Bürgermeister lobt: „Unsere Bürger und Mitarbeiter haben sich vorbildlich verhalten und mit großer Achtsamkeit und hohem Engagement jeder auf seine Weise dazu beigetragen, dass das Infektionsgeschehen beherrschbar geblieben ist.“
Frede bittet um Wohnraum für Flüchtlinge
Zum Schluss hat Frede noch eine Bitte an die Bevölkerung: „Wir haben zur Zeit 16 Flüchtlinge in Anschlussunterbringung. Die leben auf engstem Raum; aber wir haben als Gemeinde nun keine Möglichkeiten mehr. Deshalb bitte ich alle Besitzer von Wohnungen, der Gemeinde als sicherem Mieter Wohnraum anzubieten, um hier den Menschen zu helfen.“