Manche Dinge schmecken immer gleich. Ein "Nogger"-Eis zum Beispiel, also Vanilleeiskrem mit Schokokern und Kakaoglasur. Der Klassiker der 1960er Jahre hat seit 50 Jahren fast dieselbe Rezeptur. Mit einem Strandbad-Besuch ist das ähnlich. Er beginnt mit der anstrengenden Suche nach dem letzten freien Parkplatz, geht mit einer Warteschlange am Kassenhäuschen weiter, dann folgt der Weg zum Stammplatz, der über die Umkleidekabine im Bodensee endet. Im Immenstaader Strandbad, dem heutigen Aquastaad, hat sich in den letzten 50 Jahren zwar viel verändert, aber manches ist eben doch gleich geblieben.

Badeplätzchen bereits im Mittelalter
Dass die Immenstaader am Kippenhorn baden, ist eher ein alter Hut. Hobbyhistoriker Gerhard Jehle beschreibt in den "Immenstaader Heimatblättern", dass es dort bereits im Mittelalter Badeplätze gab. Schließlich war es der junge Verkehrsverein, der Anfang der 1920er Jahre das erste Strandbad einrichtete – und zwar mit getrennten Badeplätzen für Knaben und Mädchen. Ein richtiges Badegebäude, die "Badstube", wurde 1929 nach den Plänen von Oberlehrer August Buckenmaier gebaut. Das Holzgebäude, das nahezu dort stand, wo sich der Eingang des heutigen Aquastaads befindet, blieb bis Ende der 1960er-Jahre erhalten.

Mit der Luftmatratze bis zur Umkleidekabine
Auch das Hochwasser im Juni 1965, bei dem die Badegäste auf ihren Luftmatratzen bis zu den Umkleidekabinen trieben, konnte dem Bau nichts anhaben. "Es gab einen Kiosk und irgendwann auch einen Bademeister, Jakob Prijatelli aus Tettnang", erinnert sich Reinhard König, Vorsitzender des Geschichts-und Heimatvereins Immenstaad. Der bereits ergraute Prijatelli stand in langen Hosen und Hemden am Badegebäude. Ob er jemals jemanden retten musste, ist nicht bekannt.
Ein modernes Bad sollte her – doch die Hürden waren groß

Doch die Zeiten änderten sich, der Bau der B 31 1956 sorgte für Anbindung, der Tourismus boomte und die Gebäude waren Mitte der 1960er-Jahre allmählich veraltet. Ein neues, modernes Bad sollte her – doch es gab noch einige Hürden zu überwinden. 1965 legte Architekt Schlichte aus Friedrichshafen dem Immenstaader Gemeinderat ein Gutachten über einen Neubau vor. Kostenfaktor: 650 000 Mark. Für den Neubau des Bads sollten der Fußballplatz und die Tennisplätze verlegt werden, außerdem sollte das Strandbad dann vom Verkehrsverein in Besitz der Gemeinde übergehen.

Das Bad wurde teurer und teurer
Am Ende machte ein etwas günstigerer Entwurf der Arbeitsgemeinschaft der Architekten Mohr und Roth das Rennen. Zunächst sollte das Strandbadgebäude mit Kassenraum, Kiosk und Räumen für den Bademeister und die DRLG, einer Bademeisterwohnung, Clubraum und Umkleidekabinen entstehen. Angesetzt waren 400 000 Mark. 1968 wurde das alte Gebäude abgebrochen, der Bau begann, doch die Kosten explodierten – und zwar um fast ein Drittel. Statt der geschätzten 400 000 Mark wurden 610 000 Mark fällig. Die Gründe: Mehrleistungen durch verbesserte Ausführungen und höhere Löhne
Die Bürger sammelten zinslose Darlehen ein
Doch dann passierte etwas, was heute in so einem Fall eher weniger denkbar wäre: Die Immenstaader Bürger organisierten sich in einer "Förderungsgemeinschaft Aktion Strandbad". "Die finanziellen Mittel der beiden Geldgeber, Gemeinde und Verkehrsverein, reichen derzeit nicht aus, um die Einrichtung des Bades sofort zu gewährleisten", schreiben die 31 Initiatoren, darunter Fremdenverkehrs-Geschäftsführer Hans Meichle, zahlreiche Gastronomen und Hoteliers und viele andere bekannte Bürger, im März 1969 an die Bevölkerung. Sitzbänke, Warmwasser-Brausen, Kinderspielgeräte, Planschbecken – all das sei nur möglich, wenn sich die Immenstaader durch die Gewährleistung eines "zinslosen Darlehens in einem Betrag von 200 Mark aufwärts" finanziell beteiligen würden. Die Gemeinde Immenstaad als Eigentümer des Strandbads verbürgte sich für die Rückzahlung des Darlehens. "Wir wollen daher als Bürger unserer Gemeinde alle mithelfen, ein Gemeinschaftswerk zu schaffen, auf das wir Immenstaader mit Stolz und Freude blicken können", schließt der Brief ab. Rund 30 000 Mark kamen so zusammen. Am 8. Juni 1969 wurde der Neubau feierlich eröffnet.
Heute lockt das Spaßbad Aquastaad tausende Besucher

Mitte der 1970er-Jahre, wurde das Bad durch ein Hallenbad ergänzt, der Grundstein zum heutigen Spaßbad Aquastaad (Baujahr 2003) war gelegt. Doch auch wenn sich baulich viel verändert hat: Ein Sommer im Strandbad schmeckt immer gleich – nach einer ordentlichen Portion Sonnencreme, erfrischendem Seewasser und viel Eiskrem.
Damals und heute
- Unsere Serie: In der großen SÜDKURIER-Serie „Gedächtnis der Region“ widmen wir uns in unseren Lokalteilen dem Wandel am Bodensee, am Hochrhein und im Schwarzwald. Anhand von historischen und aktuellen Bildern zeigen wir, wie sich das Leben in der Region verändert hat. In diesem Jahr werfen wir einen Blick in die 1960er-Jahre.
- Ihre Bilder: Wir suchen Ihre Bilder und Geschichten aus den 60er-Jahren. Wie sah das Leben in den Dörfern und Städten damals aus? Schicken Sie uns Ihre Erinnerungsschätze und Fotos per Post oder Mail und wir gehen dem Wandel der Zeit auf die Spur. Oder rufen Sie an: SÜDKURIER Medienhaus, (0 75 41) 70 70 57 48, Karlstraße 35, 88045 Friedrichshafen, E-Mail: friedrichshafen.redaktion@suedkurier.de
Hochwasser 1965: Die Fast-Katastrophe
Der Frühsommer 1965 war einer der schlechtesten und regenreichsten, den die Region je erlebt hat. Durch die starken Regenfälle im Juni kam es zum Monatsende hin zu Hochwasser im Bodensee.
- Die Messungen: In Konstanz wurden am 28. Juni 1965 5,41 Meter über Pegelnull gemessen, im schweizerischen Berlingen lag der Wasserstand einen Tag später bei 5,19 Meter über Pegelnull. Zuletzt hatte es im Juni 1926 ein Hochwasser in dieser Dimension am Bodensee gegeben. Erst 34 Jahre später, nämlich im Mai 1999, kam es erneut zu ähnlichen Pegelständen. Als in Konstanz damals Werte von 5,65 Meter über Pegelnull erreicht wurden, sprach man vom "Jahrhundert-Hochwasser". Seither gab es kein Frühjahr mehr, in dem der See so über die Ufer ging.
- Die Auswirkungen: Das Wasser trat vielerorts über die Ufer, die Strände – wie beispielsweise in Immenstaad – waren kaum mehr vorhanden, die Hafenbecken liefen über. Der Sturm sorgte für Treibholzdecken. Den wohl größten Schrecken gab es aber, als der Sturm und die Wassermassen die sich gerade im Bau befindende und höchst umstrittene ENI-Pipeline – eine Ölfernleitung (Genua–Ingolstadt) – aus ihrer losen Verankerung rissen und fünfzehn Meter weit auf die Bahnstrecke Lindau–Bregenz schleuderten. So kam es beinahe zu einer Umweltkatastrophe, die das Trinkwasser im See auf Zeiten verseucht hätte. Die Pipeline war bis 1997 in Betrieb.