„Eigentlich leben wir doch alle in einer Überflussgesellschaft“, sagt Jasminka Hund. Sie sitzt in ihrer Wohnung in Immenstaad und scrollt durch eine WhatsApp-Gruppe. Diese heißt „Ab Größe 116 Give away“. Hier werden silberne Ballerinaschuhe angeboten, Kleidchen mit Regenbogen-Druck, ein Bobbycar. „Die Kinder können gar nicht alles tragen, was ihnen mal gekauft wurde“, sagt Jasminka Hund.
Angefangen hatte alles mit ihrem Sohn. Sie habe irgendwann festgestellt, dass ihr Sohn sehr schnell aus seiner Kleidung herausgewachsen sei. „Wir hatten Kisten mit Kleidung, die teilweise neu war“, sagt Hund. Besonders ganz am Anfang habe ihr Sohn seine Kleidung kaum länger als sechs Wochen getragen.

Aufschwung während Corona
Und Jasminka Hund bemerkte, dass es anderen Müttern ebenfalls so ging. Also gründete sie eine WhatsApp-Gruppe, mit Mamas aus der Krabbelgruppe, vom Rückbildungskurs, alten Schulkameradinnen. „Am Anfang waren wir 30, 40 Mütter“, erzählt Hund. Die Frauen tauschten in der Gruppe Kleidung ihrer Kinder aus.
Das ist jetzt bereits viele Jahre her. Hunds ältester Sohn ist inzwischen zwölf Jahre alt. Irgendwann stellte sich heraus, dass es eine zweite, ganz ähnliche Gruppe gibt. Also legten die Frauen die Gruppen zusammen. Während der Corona-Zeit erlebt der WhatsApp-Flohmarkt dann einen richtigen Aufschwung. „Ich habe selbst gemerkt: Mein Sohn braucht Schuhe, die Läden haben aber zu“, erzählt Jasminka Hund. Da habe sich die Gruppe bezahlt gemacht. Unkompliziert habe Jasminka Hund nachfragen können, ob jemand ein Paar Schuhe in der entsprechenden Größe abzugeben habe.
Fast 300 Mütter tauschen inzwischen Kleidung aus
Dass es so eine Gruppe gibt, erfahren während der Lockdowns viele Mütter aus dem Umkreis. Inzwischen hat die WhatsApp-Gruppe 344 Mitglieder. „Zu 90 Prozent sind das Mamas, vielleicht sind ein oder zwei Papas dabei“, sagt Jasminka Hund. Sie kommen hauptsächlich aus Immenstaad und den Ortsteilen Kippenhausen und aus dem benachbarten Fischbach. Und es bleibt nicht bei dieser einen WhatsApp-Gruppe. Fast 70 WhatsApp-Flohmärkte gibt es inzwischen – sie haben alle einen unterschiedlichen Schwerpunkt: „Flohmarkt 86/92 – 122/128“, „Kinder Skibasar FN“, „Ab 140 Teenager“ – für fast jeden Lebensbereich gibt es eine eigene Gruppe.
Einige der Gruppen sind aus Jasminka Hunds Gruppe entstanden. Irgendwann hätten die Mamas festgestellt, dass ihre Kinder aus der Babykleidung herausgewachsen waren. „Die Babysachen brauchte niemand mehr. Also wurden dafür andere Gruppen gegründet“, sagt Hund.
Noch nie gab es Probleme
Das Prinzip ist recht einfach: Wer etwas abzugeben hat, stellt ein Foto mit einer Preisvorstellung in die Gruppe. Außerdem muss angegeben werden, wo das Kleidungsstück oder Spielzeug abgeholt werden kann. „Meistens sind die Sachen innerhalb weniger Stunden oder Tage weg“, erzählt Jasminka Hund. Sie selbst verkauft weiterhin regelmäßig. „Oft kläre ich mit den Mamas, dass ich die Kleidung einfach vor unsere Haustür lege.“
Das Geld überweisen die Mütter dann über den Online-Bezahldienst PayPal oder werfen es in den Briefkasten. Das habe bisher immer gut funktioniert, sagt Jasminka Hund: „Es ist noch nie etwas weggekommen.“
Geld geht in die Spardose der Kinder
Doch warum haben diese Gruppen solch einen Zulauf? Für Gruppengründerin Jasminka Hund ist das ganz klar: „Es ist unkompliziert. Man muss keinen Stand auf dem Flohmarkt aufbauen, dort extra hingehen, sich vielleicht an Öffnungszeiten halten.“ Einige Mütter wollten durch den WhatsApp-Flohmarkt Geld sparen, anderen gehe es um ökologische Aspekte: „Viele Mamas finden es schade, dass so viel weggeworfen wird. Sie freuen sich dann, wenn andere Kinder die Teile weiter tragen.“
Und ein wichtiger Aspekt ist laut Hund der lokale Bezug: „Man kennt sich. Alle Gruppenmitglieder sind die Freundinnen von Freundinnen.“ Daher herrsche viel Vertrauen. Das Geld, das Jasminka Hund mit der verkauften Kleidung und dem verkauften Spielzeug einnimmt, geht übrigens in die Spardose ihrer beiden Söhne. Sie dürfen sich dann davon selbst neues Spielzeug oder neue Bücher kaufen. „Dadurch sind sie viel eher bereit, Spielsachen auszusortieren“, sagt Jasminka Hund und lacht. Für sie haben die WhatsApp-Gruppen ausschließlich Vorteile – so viel Kleidung wie früher sammelt sich jetzt nicht mehr an.