Ortschaftsrat behalten, Ortschaftsrat abschaffen oder Ortschaftsrat abschaffen und den Salemer Weg mit einem Ortsreferenten gehen? Diese drei Varianten stehen im Immenstaader Ortsteil Kippenhausen zur Diskussion. Hier geht es um Kosten von 15.000 Euro Kosten und um Grundsatzfragen. Bevor der Ortschaftsrat selbst am Montag berät, waren Bürger am Mittwochabend zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Der Bürgersaal im Rathaus Immenstaad war voll besetzt. Bürgermeister Johannes Henne kommentiert im Anschluss: „Es wäre auch eine Aussage gewesen, wenn wir vor einem leeren Saal gestanden hätten. Ich war mir aber sicher, dass das nicht passiert.“

Salem setzt seit 50 Jahren auf Ortsreferenten

Arthur Herz, Ortsreferent des Salemer Teilorts Buggensegel, fasst für die Zuhörer seinen Aufgabenbereich zusammen: „Wir machen das Mädchen für alles und sind Bindeglied zwischen Ort und Gemeinderat. Da kommt der Eine, der seinen Bauantrag bringt, und dann kommt der Nächste, der fragt: Kannsch dich darum kümmern, dass das geht?“ Dabei könne er bei Problemen direkt zum Bürgermeister ins Rathaus gehen: „Ich habe nie erlebt, dass es hieß: Was will der kleine Ortsreferent hier?“ Die Gemeinde Salem habe nun seit 50 Jahren dieses Modell, bei dem Ortsreferenten nominiert werden und dann ihre Ortsteile vertreten.

„15.000 Euro, das muss uns die Demokratie von ganz unten wert sein.“
Josef Kiefer

Josef Kiefer, vor 71 Jahren in Kippenhausen geboren, betont: „Es ist eine alte Erkenntnis, dass Demokratie Aufwand bedeutet und Geld kostet. Deswegen sage ich: 15.000 Euro, das muss uns die Demokratie von ganz unten wert sein.“ Dafür erhält er viel Applaus. Dass aktuell vier Mitglieder des Gemeinderats aus Kippenhausen stammen, sei keine Garantie für die Vertretung des Ortsteils in der Zukunft: „In fünf oder zehn Jahren kann das natürlich anders sein.“

Klaus Lindemann lebt seit 1978 in Kippenhausen, sein Anliegen ist die B31. Der geplante Bau der Trasse habe starke Auswirkungen auf den ...
Klaus Lindemann lebt seit 1978 in Kippenhausen, sein Anliegen ist die B31. Der geplante Bau der Trasse habe starke Auswirkungen auf den Ort. „Jetzt brauchen wir einen starken Ortschaftsrat, der uns in der Sache selbstbewusst vertritt.“ | Bild: Lena Reiner

„Aktuell braucht es einen starken Ortschaftsrat“

Klaus Lindemann, ebenfalls aus Kippenhausen, betont, gerade mit aktuell brennenden Themen wie der Trasse der B31-neu sollte man die Debatte über die Auflösung verschieben: „Jetzt brauchen wir einen starken Ortschaftsrat, der uns in der Sache selbstbewusst vertritt.“

Ortsvorsteher Martin Frank
Ortsvorsteher Martin Frank | Bild: Lena Reiner

„Gespräche eher auf der Gassirunde mit dem Hund“

Ortsvorsteher Martin Frank erklärt, er wolle keine neuen Gräben zwischen Immenstaad und Kippenhausen sehen. Als jedoch Vorwürfe laut werden, mit der Abschaffung des Ortschaftsrates werde die Demokratie eingeschränkt, äußert er sich deutlich: Es brauche die Unterstützung aller. Seine Bürgersprechstunden würden kaum wahrgenommen, Gespräche kämen eher auf der Gassirunde mit dem Hund zustande. Auch sonst lasse die Beteiligung zu wünschen übrig, dabei sei diese essenziell: „Wir allein können gar nichts bewirken.“ Er resümiert: „Jetzt habe ich den Eindruck, wir brauchen den Ortschaftsrat. Wenn der heutige Abend bewirkt, dass wir für die Zukunft ein lebendiges Dorf haben, wo ein Dorffest nicht um 15 Uhr aufhören muss mangels Personal, dann hat er sich schon gelohnt.“

Gemeinderat Markus Böhlen
Gemeinderat Markus Böhlen | Bild: Lena Reiner

„Volle Hütte würde ich mir bei vielen Entscheidungen wünschen“

Gemeinderat Markus Böhlen bezieht Stellung, weil sein Namen falle als derjenige, der die eventuellen Abschaffung des Ortschaftsrates wiederholt ansprach. „Ich finde schon toll, dass die Hütte voll ist. Das würde ich mir bei vielen Entscheidungen hier wünschen. Das hat etwas mit Demokratie zu tun.“ Oft sei der Gemeinderat unter sich. „Wenn es um wirklich wichtige Themen geht, sind wir oft allein da und wissen gar nicht, was der Ort eigentlich will.“ Mit Blick auf die emotionale Debatte bilanziert er: „Ich glaube, es war gut, die Frage zu stellen. Allein die Diskussion darüber zeigt, dass da Leben drin ist.“

Irmgard Ragg
Irmgard Ragg | Bild: Lena Reiner

„Die ganzen guten Leute wären dann im Gemeinderat“

Es gibt aber auch Stimmen für eine Auflösung des Ortschaftsrates. „Ich sehe es keinesfalls als Abschaffung der Demokratie, wenn wir den Ortschaftsrat nicht mehr hätten“, sagte etwa die Kippenhauserin Irmgard Ragg. Sie schaute hinüber zu den Ortschaftsräten: „Die ganzen guten Leute, die jetzt hier sitzen, hätten wir dann im Gemeinderat und sie hätten dann was zu entscheiden und könnten nicht nur Empfehlungen aussprechen.“ Es gehe ihr dabei nicht ums Geld.

Martina Mohr
Martina Mohr | Bild: Lena Reiner

„Ich freue mich auf volle Kandidatenlisten“

Gemeinderätin Martina Mohr erinnert an Kommunalwahlen. Es sei schwierig gewesen, genug Kandidaten zu finden: „Auf den meisten Listen fehlten Namen.“ Mit Blick in den Saal sagt sie: „Ich freue mich jetzt also in Zukunft auf volle Listen!“

„Ich fühle mich wirklich überflüssig“

Ortschaftsrat Jürgen Eberle sagt: „95 Prozent dessen, worüber wir abstimmen, sind Bauvorhaben.“ Echte Entscheidungskompetenz hätten sie eigentlich nicht und vor allem fehle das Interesse der Bevölkerung: „Bei den vielleicht 15 Sitzungen im Jahr sind vielleicht zehn Leute da.“ So gehe es bei der Debatte um die Abschaffung eher weniger um die Kosten: „Ich fühle mich wirklich überflüssig.“

Jens Kuhn
Jens Kuhn | Bild: Lena Reiner

„Herr Eberle, da verrupft‘s mi!“, ruft Jens Kuhn, der in Kippenhausen lebt. Zuvor sprach er sich bereits für den Erhalt des Ortschaftsrates aus. Die Bewegung der aktuellen Zeit sei es, in Richtung mehr direkte Beteiligung und gerade mehr Demokratie zu gehen. An Ortsvorsteher Martin Frank wendet er sich mit einer Idee: „Vielleicht machst du dann offizielle Hundespaziergänge.“

Ortschaftsrätin Sonja Heß
Ortschaftsrätin Sonja Heß | Bild: Lena Reiner

„Es könnte mehr gehen, man müsste sich nur mal Gedanken machen“

Ortschaftsrätin Sonja Heß kritisiert die Darstellung der Kompetenzen des Ortschaftsrates: „Wir können durchaus mehr Entscheidungen treffen, als bisher angesprochen wurde.“ Sie sagt: „Es könnte mehr gehen. Man müsste sich nur mal Gedanken machen.“

Ortschaftsrätin Ulrike Seitz
Ortschaftsrätin Ulrike Seitz | Bild: Lena Reiner

„Eine Bürgerbefragung in Kippenhausen wäre sinnvoll“

Ortschaftsrätin Ulrike Seitz bemängelt den Zeitpunkt der Abstimmung: „Ich würde es sinnvoll finden, dass wir eine Bürgerbefragung in Kippenhausen machen. Dann haben wir es Schwarz auf Weiß, was die Bürger eigentlich wollen. Ich finde es schwierig, dass wir am Montag da schon abstimmen sollen.“ Sie sei nun gespannt, ob am Montag entschieden oder die Abstimmung vertagt werde.