In Markdorf verfügen 37 Prozent der Haushalte über ein Nettoeinkommen von mehr als 5000 Euro – die Stadt gehört damit beim Lebensstandard ihrer Bürger zu den reicheren Städten im Land. 70 Prozent des Wohnraums machen Ein- oder Zwei-Personen-Haushalte aus, nur 16,5 Prozent Vier-Personenhaushalte oder größer. Insgesamt gibt es in Markdorf knapp über 7000 Wohneinheiten, die Hälfte ist in privatem Eigentum, 260 davon stehen aktuell leer. Der Neubau von Wohnraum ist, gemessen am Bedarf und auch am Zuzugsdruck, unzureichend, was wesentlich auch am zu geringen Flächenpotenzial liegt: Gerade einmal zwei Prozent aller im Bodenseekreis in den vergangenen zehn Jahren erstellten Neubauvorhaben wurden in Markdorf realisiert.

Solche Details gab es noch nicht für Markdorf
Diese Zahlen präsentierte Heike Piasecki, Prokuristin und Niederlassungsleiterin des Immobilienbranche-Beratungsunternehmens bulwiengesa in München, bei der „I mein halt“-Bürgerrunde zum Thema Wohnbau im Zunfthaus Obertor. Die Studie ihres Unternehmens, die Piasecki mit nach Markdorf brachte, liefert aktuelle Zahlen (sie stammen von 2022), die es in dieser Detailgenauigkeit für die Gehrenbergstadt noch nicht gab. In Auftrag gegeben und finanziert wurde die Studie von Kai und Heiko Schafheutle, den Geschäftsführern des Markdorfer Bauträgers Kapitalpartner, die ebenfalls von Moderator Ernst Arnegger als Referenten im Obertor eingeladen waren.

Studie geht kostenlos ans Rathaus
Die Ergebnisse der Wohnraumanalyse dürften auch noch die kommunale Politik beschäftigen – und die kann daraus durchaus ihre Schlüsse ziehen, wo sie in den kommenden Jahren welche Schwerpunkte setzen möchte. Denn die Schafheutles haben die Studie unentgeltlich bereits dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung zukommen lassen. Man darf gespannt sein, ob und wenn ja, wie man im Rathaus diese Expertise nutzen wird.
Markdorf wird auch künftig weiter wachsen
Piasecki jedenfalls hat ihre Schlüsse bereits gezogen: 40 bis 50 Wohneinheiten jährlich müssten auch in Zukunft in Markdorf neu erstellt werden, um der Nachfrage gerecht zu werden, sagte sie im Obertor. Denn die Stadt werde auch künftig um rund 130 Menschen jährlich wachsen, durch im Schnitt 100 Zugewanderte und 30 Personen durch den Geburtenüberschuss – vorausgesetzt, die Zuwanderung, aktuell auch stark getrieben durch Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Krisengebieten, setze sich fort. „Kurz gefasst: Markdorf sollte seine Bautätigkeit in den kommenden Jahren beibehalten“, sagte Piasecki.

Dass dies schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein könnte, darauf verwies CDU-Stadträtin Martina Koners-Kannegießer, die auf Bitte von Arnegger die aktuelle Wohnraumlage aus Sicht der Kommunalpolitik skizzierte. Derzeit werde mit dem Klosteröschle das letzte größere Wohnbauprojekt der Stadt realisiert. In der Hinterhand habe die Stadt dann nur noch die restliche große Fläche in Markdorf-Süd, fünf bis sechs Hektar. Bis man die entwickeln könne, werde aber noch Zeit vergehen.

Auch die Gebrüder Schafheutle mahnten, den Wohnungsbau nicht zu vernachlässigen. Ihre Kapitalpartner GmbH errichtet derzeit in der Ensisheimer Straße Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 34 Wohneinheiten. Für Markdorf ein großes privates Wohnbauprojekt, aber gemessen am Bedarf kaum mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.
Vor 30 Jahren 3500 Normen, heute mehr als 19.000
In den vergangenen 20 Jahren, so Kai Schafheutle, habe die Kapitalpartner GmbH alleine im Bodenseekreis rund 130 Wohnungen auf den Markt gebracht, verteilt auf 15 bis 16 Mehrfamilienhäuser. Doch Planen und Bauen werde zunehmend erschwert durch die Bürokratie: „Hatten wir vor 30 Jahren noch rund 3500 Normungen im Bauwesen, sind es heute mehr als 19.000“, berichtete Schafheutle.
„Wenn man nicht in die Fläche bauen will, muss man in die Höhe bauen“, plädierte FW-Stadtrat Jens Neumann. Da sei aber nicht nur der Gemeinderat gefordert, sondern vor allem auch die Verwaltung und das Baurechtsamt, dies auch zuzulassen. Dass dies momentan noch reines Wunschdenken ist, verdeutlichte Architekt Karl Braunger, Inhaber des Markdorfer Büros planergruppe: „Wir sprechen bei den Höhen keineswegs um Geschosse, sondern in den Behörden und Ämtern geht es dabei nur um Zentimeter.“

Das Bischofschloss für Seniorenwohnungen freimachen
Ein interessantes Beispiel brachte Referentin Piasecki noch ein: In Ingelheim habe die zugegeben auf finanzielle Rosen gebettete Stadtverwaltung kurzerhand in der neu gestalteten Stadtmitte einen stadteigenen barrierefreien Wohnblock erstellt und den Senioren damit die Möglichkeit gegeben, ins Zentrum zu ziehen – ein Modell fürs Wohnen der Zukunft. Tausche Alt gegen Jung, sei das Projekt benannt worden. Denn in die „alten“ Einfamilienhäuser der Senioren seien dann junge Familien eingezogen.
Diesen Gedanken griff in der Diskussionsrunde Claudia Zanker auf: Die Stadt solle in ihrem seit Jahren leer stehenden Bischofschloss altersgerechte Wohnungen einrichten. Dann könnten auch hier die Senioren, die häufig am steilen Gehrenberghang wohnen, ins Zentrum ziehen – und ihrerseits Wohnraum für junge Familien freigeben. „Das wäre meine Anregung an die Verwaltung und an den Gemeinderat“, sagte Zanker.