Drei Tische mit je vier Stühlen stehen nebeneinander auf grünem Untergrund. Dort nehmen sogar Menschen Platz, trinken einen Kaffee und plaudern. Teilweise über alltägliche Dinge, vorherrschend ist jedoch ein Thema: die autofreie Innenstadt.

Kein Wunder, die Sitzgelegenheiten befinden sich nicht auf der Wiese, sondern auf einem Filzteppich. Und dort, wo die Leute sich hinsetzen, stehen normalerweise Autos. Am Donnerstagvormittag fand in Markdorf der sogenannte Parking Day statt. Die Aktion wurde vom Kreisverband des Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem BUND, dem Car-Sharing-Verein "Bodensee Mobil" und dem Spezialrad-Händler Bobtec veranstaltet. Dazu wurde der Platz an der Ochsenlücke veranschlagt und sechs hintereinanderliegende Parkplätze umfunktioniert.

Diese Installation soll es vor Augen führen: Dort, wo sonst eine Fahrzeug steht, könnten acht Fahrräder abgestellt werden.
Diese Installation soll es vor Augen führen: Dort, wo sonst eine Fahrzeug steht, könnten acht Fahrräder abgestellt werden. | Bild: Heuser, Christoph

Bereits zu Jahresbeginn hat Armin Hansmann mit seiner Vorstellung einer autofreien Markdorfer Innenstadt eine Debatte angestoßen, worüber der SÜDKURIER ausführlich berichtete.

"Fußgänger und Radfahrer sollten mehr Vorrechte gegenüber Autofahrern bekommen. Trotzdem dürfen die Leute, die auf ein Auto angewiesen ...
"Fußgänger und Radfahrer sollten mehr Vorrechte gegenüber Autofahrern bekommen. Trotzdem dürfen die Leute, die auf ein Auto angewiesen sind, nicht ausgeschlossen werden."Otto Maier, Markdorf | Bild: Heuser, Christoph

Hansmann ist auch derjenige, der sich für einen Parking Day in Markdorf stark gemacht hat. Seit 2005 existiert die internationale Initiative, die sich regelmäßig am dritten Freitag im September der sogenannten Re-Urbanisieriung widmet – gewissermaßen der Vitalisierung von Innenstädten. Armin Hansmann erachtete jedoch den Donnerstag als Markttag für geeigneter. Diese Idee geht auf: Fortlaufend bleiben Passanten stehen und erkundigen sich mithilfe des von Hansmann zusammengestellten Materials.

"Wenn ich mal größere Dinge einkaufen muss, steige ich ins Auto, aber das ist selten der Fall."Anita Franke, Bermatingen
"Wenn ich mal größere Dinge einkaufen muss, steige ich ins Auto, aber das ist selten der Fall."Anita Franke, Bermatingen | Bild: Heuser, Christoph

Ein Ordner, voll gepackt mit Auswertungen, teilweise in Tabellenform, teilweise als Grafik, ist das Ergebnis der Arbeit des in Ruhestand befindlichen Ingenieurs. 80 bayerische Städte mit einer Einwohnerzahl von 10 000 bis 30 000 habe er analysiert, mit Bürgermeistern und Städteplanern gesprochen. "Überall gab es zunächst Vorbehalte gegen Fußgängerzonen", so Hansmann, "insbesondere vom Einzelhandel, weil sie glaubten, die Kunden bleiben weg". Das Ergebnis sei jedoch überall dasselbe: "Nach kurzer Zeit waren die Einzelhändler die größten Fürsprecher."

Brachte den Stein zu Beginn des Jahres ins Rollen und regte Diskussionen über Vor- und Nachteile einer autofreien Hauptstraße an: Armin ...
Brachte den Stein zu Beginn des Jahres ins Rollen und regte Diskussionen über Vor- und Nachteile einer autofreien Hauptstraße an: Armin Hansmann präsentiert persönliche Auswertungen, die belegen sollen, dass eine Fußgängerzone in Markdorf funktionieren würde. | Bild: Heuser, Christoph

Die Idee, die dahinter steckt: Weniger Autos bedeuten eine bessere Aufenthaltsqualität und diese sorge für mehr Kauflaune. Gegen zehn Uhr schlendert Anita Franke aus Bermatingen entlang der Hauptstraße und schaut sich das Treiben von der gegenüberliegenden Straßenseite aus an. "Ich befürworte eine autofreie Innenstadt." Franke fährt meist mit dem Rad nach Markdorf. "Wenn ich mal größere Dinge einkaufen muss, steige ich ins Auto, aber das ist selten der Fall", sagt sie. Den Parking Day begrüßt Franke deshalb, "um sich mal vorstellen, wie es aussehen könnte".

"Die Aktion ist super, weil sie dazu anregt, sich Gedanken über die Belebung der Innenstadt zu machen. Ich rege schon länger an, dass ...
"Die Aktion ist super, weil sie dazu anregt, sich Gedanken über die Belebung der Innenstadt zu machen. Ich rege schon länger an, dass die Ampel an der Kreuzung zum Stadtgraben wegkommt."Bernd Caesar, Kluftern | Bild: Heuser, Christoph

Den Platz an der Ochsenlücke nutzt Bob Jürgensmeyer, um seine Spezialräder auszustellen. "Etwa 80 Prozent meiner Kunden haben eine Behinderung", so der Inhaber und Namensgeber von Bobtech. "Viele Menschen mit Einschränkung glauben, ihnen bleibe keine andere Wahl als das Auto, aber das ist falsch", meint der ehemalige Dornier-Ingenieur.

"Ich finde es gut, wenn man in einem Café sitzt und nicht den Lärm der Autos hört."Brigitte Ballreich, Markdorf
"Ich finde es gut, wenn man in einem Café sitzt und nicht den Lärm der Autos hört."Brigitte Ballreich, Markdorf | Bild: Heuser, Christoph

Seine Angebotspalette ist vielfältig, jedes fertige Rad ein Unikat. Ab 10.30 Uhr belagern viele Interessierte seine Räder und erkundigen sich. "Manche Menschen mit künstlicher Hüfte oder nach erlittenem Schlaganfall können vielleicht kein Zweirad mehr fahren", so Jürgensmeyer, "aber noch zehn, fünfzehn Jahre oder sogar länger ein Dreirad".

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Hansmann blickt zufrieden auf die hinter ihm liegenden drei Stunden zurück. Viele Gespräche habe er geführt und einige Anregungen aufgenommen. Er wünscht sich ein städtebauliches Entwicklungskonzept. "Das erzeugt keine riesigen Kosten", unterstreicht er, "gleichzeitig möchten wir die Bürger beteiligen". Er breitet seine Arme aus, schaut nach links und rechts: "Deswegen sind wir heute hier."

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Das sagen die Einzelhändler

Sollte der motorisierte Verkehr aus der Hauptstraße verbannt werden, wären die Einzelhändler davon direkt bertroffen. Der SÜDKURIER hat sich bei den Händlern in unmittelbarer Umgebung der Aktion umgehört.

  • Ulrich Gölzer (Optik Gölzer): Der Augenoptikermeister hält überhaupt nichts von der Idee. "In der Marktstraße hat man auch geglaubt, ohne Autos wäre alles besser. Und was ist passiert?", fragt Gölzer rhetorisch: "Die Straße ist ausgestorben." Die Leute kämen bloß dorthin, wo Parkmöglichkeiten gegebeben sind. Dort, wo die Geschäfte in den Fußgängerzonen florieren, seien Parkhäuser in unmittelbarer Nähe. Ein Beispiel dafür sei Ravensburg. "Wenn dafür gesorgt wird, dass im direkten Umfeld genügend Parkraum zum dauerhaften Abstellen geschaffen wird, könnte das vielleicht funktionieren." Angesichts der aktuellen Gegebenheiten sieht Gölzer dafür in Markdorf allerdings keine Chance.
  • Susanne Kurz (Café Kurz): "Generell bin ich für eine Belebung der Straßen, egal in welcher Form", sagt Susanne Kurz. Sie vermisst allerdings in Markdorf die "dafür notwendige Infrastruktur". Dies sei kein Problem der letzten drei Jahre, viel mehr meint sie damit, dass man es vor zehn Jahren verschlafen hätte, den Weg hin zu einer Fußgängerzone zu ebnen. "Es hätten Parkflächen in der Nähe geschaffen werden müssen, damit man mit seinen Einkäufen keine zwei Kilometer laufen muss", sagt Kurz und schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Ulrich Gölzer. Dies müsse zunächst gewährleistet sein, bevor man den nächsten Schritt geht, um "die Lage für den Einzelhandel in Markdorf nicht noch explosiver zu machen".
  • Sonja Strunk (Rahmen und Kunst): Auch Sonja Strunk ist gegen eine Umwidmung der Hauptstraße. Sie begründet es mit ihrer besonderen Situation: "Dadurch, dass ich ein Geschäft habe, wo Kunden große Rahmen kaufen, die sich schlicht nicht zu Fuß oder auf dem Fahrrad transportieren lassen." Aufgrund der von ihr verkauften Ware, sei sie zwingend auf Parkplätze vor der Ladentür angewiesen, "die Einkäufe bei mir kann man nicht in eine Tüte stecken". Und weiter: "Deswegen bin ich auch von der Blauen Zone begeistert", sagt Strunk, die zuvor meist Dauerparker vor ihrem Geschäft stehen hatte.
  • Simone Keller (Heimatliebe unverpackt): "Wenn man das Untertor hinaufschaut, ist dort schon nicht mehr viel Leben, man muss Markdorf nicht noch mehr beruhigen", sagt Simone Keller. Die Blaue Zone habe sich bezahlt gemacht, seitdem kämen mehr Kunden, die direkt vor der Tür anhalten. "Aber wenn die Hauptstraße autofrei wird, kann ich meinen Laden zumachen", ist sich Keller sicher.