Die defekte Ampelanlage an der Bahnkreuzung Gutenberg-/Ensisheimer Straße ist nach wie vor ein Dauerärgernis: Passiert ein Zug die Bahnkreuzung, werden alle Ampeln gleichzeitig auf Rot geschaltet, auch die für die bahnlinienparallel geradeaus fahrenden Autofahrer auf der Ensisheimer Straße. Das stört bei den Verkehrsteilnehmern auf Unverständnis – und nicht nur das: Mittlerweile passieren immer öfter Autofahrer, die parallel zur Bahnlinie geradeaus in die Bernhardstraße wollen, auch bei Rot die Kreuzung, weil sie es nicht einsehen, teils mehrere Minuten warten zu müssen. Das ist aber nicht erlaubt. Nachdem uns auch in der vergangenen Woche wieder zahlreiche Leseranfragen erreichten, wollen wir an dieser Stelle den Sachstand noch einmal erklären.

1. Warum kann man die Geradeaus-Ampel in der Ensisheimer Straße nicht einfach mit einem Plastiksack oder Ähnlichem abdecken? Dies ist verkehrsrechtlich nicht vorgesehen und laut Ordnungsamtsleiter Jürgen Hess hat die Deutsche Bahn AG der Stadt dafür auch die Zustimmung verweigert. Sie verweist auf ihr Notprogramm (siehe Infokasten), zu dem es keine Alternative gebe. Die Deutsche Bahn AG hat die Entscheidungsbefugnis über die Ampelanlage, da sie mit dem Bahnübergang gekoppelt ist. Die Stadt hat dort keine Entscheidungsbefugnis. Über diese Anordnung der Bahn, so Hess, könne sich die Stadt nicht hinwegsetzen, weil sie sich sonst dem Haftungsrisiko aussetzen würde. Die Technik der Ampel wiederum lässt sich nach Aussage der Bahn nicht so schalten, dass man auf das Notprogramm verzichten könnte.

2. Grundsätzlich darf man bei Rot nicht fahren. Gibt es aber eine "Höchst-Wartezeit", nach der ein Autofahrer trotz roten Signals dann zufahren darf? Ganz klar nein, sagt die Polizei. Es gelte zu unterscheiden zwischen einer tatsächlich defekten Anlage und einer Anlage, die bewusst so geschaltet sei, wie eben auch jene an der Markdorfer Bahnkreuzung, teilt die Polizeidirektion Konstanz auf Anfrage des SÜDKURIER mit. Die zumutbare Dauer bei einer defekten Anlage ist gesetzlich nicht geregelt, es gibt aber Urteile dazu. So hat etwa das OLG Hamm geurteilt, eine Wartezeit von "erheblich länger" als drei Minuten sei verpflichtend, ohne aber eine exakte Zeitdauer zu nennen. "Das in Markdorf bewusst geschaltete Rotlicht ist hingegen eine konkret getroffene Anordnung, die einzuhalten ist, auch wenn sie für den Verkehrsteilnehmer auf den ersten Blick vielleicht nicht nachvollziehbar ist", schreibt die Polizeidirektion. Rot heißt also tatsächlich Rot, eine Ausnahme gibt es nicht. Bei Verstößen beläuft sich laut Polizei das Bußgeld dafür auf 90 bis 360 Euro, je nach Gefährdung bzw. ob dadurch auch ein Unfall verursacht wurde.
3. Ließe sich das Problem mit einem grünen Pfeil für das geradeaus zeigende Ampelsignal beheben, so wie es dies bereits auch für das Rotsignal bei Rechtsabbiegespuren gibt? Die Straßenverkehrsordnung sieht einen grünen Pfeil ausschließlich für das Rechtsabbiegen vor, heißt es seitens der Polizei. Eine anderweitige Verwendung sei im öffentlichen Verkehrsraum nicht vorgesehen und wäre demnach auch nicht rechtmäßig.

4. Wie lange müssen wir uns nun noch ärgern? In ein bis zwei Monaten könnte die von der Stadt geplante abknickende Vorfahrtsstraße eventuell eingerichtet werden, hieß es zuletzt im Gemeinderat. Bis dahin soll die endgültige Freigabe durch die Deutsche Bahn AG und das Eisenbahnbundesamt vorliegen. Dann wäre die Gutenbergstraße bevorrechtigt, in der Ensisheimer Straße müsste gewartet werden und dann könnte die Stadt zum Beispiel auch das Rotsignal in der Ensisheimer Straße Richtung Bernhardstraße abdecken. Diese Lösung soll als Provisorium dienen, bis eine neue Ampelanlage eingerichtet werden kann. Dafür wiederum ist aber ein eigenes Planfeststellungsverfahren mit der Deutschen Bahn AG nötig, das erneut mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Pläne der Stadt für die abknickende Vorfahrtsstraße sind schon längst fertig, die Stadt ist für die Umsetzung bereits seit Wochen bereit. Doch die Entscheidungsprozesse bei der Bahn gestalteten sich offenbar als außerordentlich kompliziert: Sie ziehen sich seit Monaten hin, und die Stadt musste immer wieder neue Untersuchungen anstellen und Gutachter beauftragen, die die Untersuchungsaufträge der Bahn abarbeiten mussten. Eigenständig kann die Stadt respektive der Gemeinderat die abknickende Vorfahrtsstraße nicht beschließen, dafür ist das Einverständnis des Unternehmens nötig.
Das Notprogramm
Das Bahnnotprogramm schaltet das Ampelsignal für alle Fahrtrichtungen auf Rot, bevor sich die Schranken schließen. Damit sollen die notwendigsten Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Die Bahn geht dabei von einem Notfallszenario aus. Beispiel: Ein Sattelzug steht am Übergang in der Gutenbergstraße auf den Bahngleisen und kann, wenn sich die Schranke schließt, nicht in die Ensisheimer Straße einfahren, weil dort bei geradeaus Grün gerade dichter Verkehr herrscht. Durch das Notprogramm mit Rotlicht für alle Richtungen ist gewährleistet, dass der Bahnübergang in einem solchen Fall rasch wieder frei wird.