Es kann ganz schnell gehen. Sebastian Volk (Name von der Redaktion geändert), Familienvater, pendelt an seinen Arbeitsplatz und zurück jeden Tag zwischen drei und vier Stunden. Ein Auto hat der 30-Jährige nicht, mit Fahrrad, Bus und/oder Bahn nimmt er die Strecke jeden Tag auf sich. Als er seinen Chef bittet, ihn in eine Niederlassung in der Nähe seines Wohnortes zu versetzen, lehnt dieser ab und stellt Sebastian Volk vor die Wahl: Entweder er bleibt oder er kündigt.
Sebastian Volk kündigt – ein Fehler, auf den Renate Hold vom Leitungsteam des Mehrgenerationenhaus sofort hinweist. Nie selbst kündigen. Denn dann sind die Betroffenen für drei Monate gesperrt und erhalten kein Arbeitslosengeld. Volk kann aufgrund der fehlenden Einnahmen die laufenden Rechnungen nicht mehr bezahlen. Da die Familie in einem älteren Haus wohnt und das Warmwasser über einen Boiler läuft, sind die Stromrechnungen sehr hoch angesetzt.
Hoher monatlicher Strombetrag
Dazu kommen Altschulden bei einem Energieanbieter. Den monatliche Satz von fast 200 Euro kann die Familie nicht mehr stemmen und wendet sich hilfesuchend an das Mehrgenerationenhaus. Renate Hold führt Gespräche mit dem Energieanbieter und versucht den monatlichen Satz zu senken. Mit geringem Erfolg. „Aufgrund der Restschulden war man da leider wenig gesprächsbereit“, so Hold. Als nächstes stehen Gespräche mit dem Vermieter an, damit der Boiler erneuert wird.
14.940 Euro spenden die SÜDKURIER-Leser
Damit die Familie weiterhin Strom hat, hilft der „Familien in Not“-Topf mit einem Darlehen aus. Diese Spendenaktion, bei der jeder Cent direkt an die betroffenen Familien geht, haben die SÜDKURIER-Leser vor Weihnachten unterstützt, nachdem in der Zeitung über einige Schicksale berichtet worden ist. 14.940 Euro kamen an Spenden zusammen. 102 Überweisungen zwischen 20 und 2000 Euro seien eingegangen – jede Spende wird wertgeschätzt.
Starkes Zeichen der Markdorfer
Davon wurden bereits 3600 Euro ausgegeben, berichtet Hold. „Wir finden es ein starkes Zeichen dafür, dass die Markdorfer Notlagen von Menschen hier wahrnehmen“, so Hold. Manche Spender seien persönlich vorbeigekommen und wollten speziell für die Familien spenden – auch Sachspenden. So hatte zum Beispiel Anna Müller dringend Winterreifen benötigt.
„Da gab es direkt Anrufer, die Winterreifen zu Verfügung stellen wollten, allerdings nicht die passenden“, erinnert sich Renate Hold an die Hilfsbereitschaft. Anna Müller hatte kein Glück, bei ihr ging dann auch das Auto mit einem Motorschaden kaputt. Gute Nachrichten kamen dann aus einer ganz anderen Richtung: Eine Familie wollte ihre alte Küchen spenden – und die geht nun an Anna Müller.
Gute Nachrichten von den betroffenen Familien
Auch bei Meike Groß gibt es Positives zu berichten. Die 35-jährige alleinerziehende Mutter ist erwerbsunfähig und kommt mit staatlicher Unterstützung auf 1000 Euro im Monat, was gerade zum Überleben reicht. Sie engagiert sich mittlerweile ehrenamtlich. „Plötzlich steht sie nicht mehr am Rand, sondern ist Teil der Gesellschaft, das tut ihr gut“, sagt Renate Hold.
Bei Familie Schmitt hat sich die Lage leicht entspannt. Aus dem „Familien-in-Not“-Topf wird ein monatlicher Ausbildungszuschuss von 150 Euro bezahlt, bis Vater Thomas Schmitt seine Ausbildung beendet hat. Auch gab es eine Gesetzesänderung beim Starke-Familien-Gesetz, so dass die Familie nun doch mit einem Kinderzuschlag oder Wohngeld rechnen kann. Die entsprechenden Anträge wurden gestellt.
„Die Spendenbereitschaft ist jedes Jahr aufs Neue beeindruckend“, bedankt sich Renate Hold. Für sie drücke es vor allem die Mitmenschlichkeit für die Menschen aus, die am Rand der Gesellschaft stehen, weil sie aufgrund ihrer finanziellen Notsituation gar nicht an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können.
Schnell eine neue Arbeitsstelle finden
Bei Sebastian Volk geht es nun darum, so schnell wie möglich wieder in eine Festanstellung zu gelangen. Erste Bewerbungen laufen. „Ich bin ein Mensch, der sich für Sachen begeistert und einsetzt“, so Volk. Daher ist er zuversichtlich, bald wieder eine Arbeitsstelle zu haben – am liebsten ohne Pendeln.