Gudrun Schäfer-Burmeister

Herr Schababerle, was ist das BBF?

BBF heißt Bildungs-Begegnungs- und Förderzentrum. Es ist eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können und die auch nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung betreut werden können, weil ihr Hilfebedarf zu groß ist.

Worin besteht Ihre Aufgabe hier in Oberteuringen?

Ich habe hier eine Doppelrolle. Ich leite das BBF mit zwölf Personen und das Wohnhaus in der angrenzenden Neubausiedlung mit 18 Personen.

Woher kommen die Menschen, die im BBF betreut werden?

Die meisten leben im Wohnhaus. Aber wir wollten auch Plätze für Menschen freihalten, die sonst hier in Oberteuringen oder in der Umgebung wohnen und nur zur Tagesstruktur kommen.

Was bedeutet Tagesstruktur?

Tagesstruktur bedeutet, dass wir mit den behinderten Menschen das Erleben von Alltag im sozialen Raum gestalten. Dazu gehört – je nach persönlichem Niveau – lebenslanges Lernen und ein Miteinander, soweit es individuell möglich ist. Beispielsweise gehen wir zusammen zum Bauern, um Äpfel zu kaufen, um danach einen Apfelkuchen zu backen und der wird dann gemeinsam gegessen. Also ganz praktische Beschäftigungen, Bildung im weitesten Sinne, aber auch künstlerische Betätigungen.

Welchen beruflichen Werdegang haben Sie?

Ich bin Heilerziehungspfleger. Nach meinem Realschulabschluss in Bad Waldsee fuhr mein Vater mit mir zum Tag der offenen Tür in Hegenberg, wo gerade das neue Kinderdorf eröffnet worden war. Ich war damals 16 Jahre alt und wusste schon immer, dass ich beruflich etwas mit Menschen machen wollte. Ich war begeistert und diese Begeisterung ist bis heute geblieben. Ich machte ein Praktikum in Hegenberg und dann die Ausbildung. Danach folgte die Karriere zum Teamleiter. Die Kinder und Jugendlichen von damals sind mit mir in der Stiftung Liebenau erwachsen geworden.

Wie lange sind Sie schon in Oberteuringen?

Ich bin seit Mai hier. Parallel zur Arbeit im BBF habe ich noch eine Gruppe in Liebenau geleitet. Mit einem Teil dieser Bewohner sind wir dann am 4. Juli hier ins Wohnhaus gezogen. Mich hat dieses Projekt gereizt: heraus aus der Institution in den offenen Bereich!

Für wie viele Menschen sind Sie zuständig?

Im BBF sind es zwölf Menschen im Alter von 25 bis 45 Jahren. In unserem Wohnhaus leben künftig 14 Männer und vier Frauen. Dass es so wenige Frauen sind, ist eher zufällig und liegt daran, dass die Männer alle in einer Wohngruppe in der Liebenau waren, die aufgelöst wurde. Das Zusammenleben ist ähnlich wie in einer Wohngemeinschaft. In drei Wohnungen haben jeweils vier bis fünf Bewohner in eigenen Zimmern ihren eigenen Bereich sowie einen Gemeinschaftsbereich mit Wohnküche und Bad. Außerdem gibt es vier Einzelappartements mit gemeinsamer Küche als Treffpunkt. Ein Raum steht uns als Büro zur Verfügung.

Welche Unterstützung brauchen die Bewohner?

Das ist sehr individuell. Im Vordergrund stehen geistige Behinderungen, teilweise kommen körperliche Einschränkungen dazu. Das fängt morgens beim Wecken, Waschen und Anziehen an. Manche stehen selber auf und frühstücken selber. Meistens aber müssen wir mehr Hilfe geben. Da sind wir als Heilerzieher herausgefordert. Wir sind ja kein Hotel, sondern wollen zum Selbermachen anleiten. Es geht um selbstbestimmtes Leben. Beispielsweise bekommt jeder Bewohner grundsätzlich einen eigenen Schlüssel. Nur wenn klar ist, dass jemand aufgrund seiner Behinderung diesen Schlüssel gar nicht benutzen kann, wird dagegen entschieden. Die Kommunikation ist extrem wichtig. Wir verwenden beispielsweise Piktogramme und Zeigetafeln, weil viele nicht oder schlecht sprechen können und so kann zum Beispiel ausgewählt werden, ob es aufs Frühstücksbrot rote oder gelbe Marmelade geben soll. Es werden inzwischen viele Hilfsmittel genutzt, die aber auch Zeit kosten und Eingliederungshilfe in die Gesellschaft anbieten.

Ist diese Verzahnung von Wohnen und Arbeiten üblich?

Nein, überhaupt nicht. Normal sind Arbeit und Wohnen zwei getrennte Säulen. Hier wird etwas ganz Besonderes ermöglicht. Diese Ausnahme ist möglich, weil die Einrichtung sehr klein ist. Die Betreuung erfolgt täglich von 8.30 Uhr bis 16 Uhr inklusive Mittagessen, das aus der Liebenau gebracht wird. Wir können aber auch selber kochen, wenn wir wollen und dann das Mittagessen abbestellen. Es gehört beispielsweise auch dazu, dass wir gemeinsam mit dem Kinderhaus den Garten nutzen oder wie jetzt gerade (Markus Schababerle begrüßt einen der Bewohner, der mit anderen einen Spaziergang durch das Café macht) am Ort unterwegs sind. Unser Ziel ist das Miteinander, die Integration, nicht das behütende Fernhalten der Behinderten aus der Gemeinschaft.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Hier im BBF streben wir für zwölf Betreute rechnerisch vier Vollzeitkräfte an. Die Arbeit kann jedoch auch auf mehrere Teilzeitbeschäftigte verteilt werden. Für die Zahlung ist der Landkreis zuständig, aus dem die betreuten Leute kommen. Die Kostenverhandlungen sind noch nicht ganz abgeschlossen. Am Ende werden es für beide Einrichtungen 15 bis 20 Personen sein, weil wir auch die Nachtbereitschaft mit einer Person abdecken müssen. Daraus ergibt sich, dass bei uns keiner wohnen kann, der zwischen 23 Uhr und 6 Uhr regelmäßig Unterstützung braucht. Aber es ist jemand im Haus, der gerufen werden kann.

Was wünschen Sie sich für das BBF im Haus am Teuringer?

Ich wünsche mir, dass wir hier im Ort eine gute Aufnahme finden, dass wir gerne gesehen werden. Bisher kann ich sagen, dass dies so ist. Wir wünschen uns, als Belebung wahrgenommen zu werden und so auch gelegentlich eine kleine Dienstleistung nachbarschaftlicher Art übernehmen. Das haben wir kürzlich schon ganz spontan gemacht. Eine Anwohnerin hatte Mühe mit dem wuchernden Unkraut zwischen ihrem Haus und dem Pflegeheim St. Raphael. Die Landschaftsgärtner hatten keine Zeit und eigentlich wollte sie wissen, an wen sie sich wenden könnte. Da haben wir kurzerhand zwei Säcke genommen und den Grünstreifen gemeinsam mit den Betreuten gesäubert. So einfach kann es manchmal sein, selbstbestimmt und ganzheitlich zu einer Gemeinschaft dazuzugehören.

Fragen: Gudrun Schäfer-Burmeister