Markdorf – „Es war eiskalt, wir haben mit Handschuhen geturnt“, erinnert sich Monika Göbel (geb. Schuler) an die Zeit in den 50er Jahren in einer Holzbaracke (heutige Turmstube) in der Ravensburgerstraße zurück. Göbel war in diesen Jahren Teil der Turnerinnen, die mit ihren Erfolgen viel zum Ansehen des Turnvereins Markdorf beigetragen haben.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Bildung von Turnvereinen zunächst verboten. Ab 1948 gab es dann die Möglichkeit den Turnbetrieb wieder aufzunehmen, jedoch nur innerhalb der Abteilung eines Sportvereins. Bis 1954 war man Teil des SC Markdorf, dann trennte man sich und der „Turnverein Markdorf 1880“ wurde wieder ein selbstständiger Verein mit neuer Satzung. „Edwin Hugger und seine Frau Else haben damals die neue Abteilung Turnen fachlich dominiert und aufgebaut“, sagt Agnes Schröder vom TV Markdorf. Die Leistungen der Turner wurden schnell sehr gut und bei der 700-Jahrfeier der Stadt im September 1950 wirkten sie beim Festprogramm mit. Der Verein bot unter anderem Wettkämpfe, Vorführungen mit Geräteturnen, Dreikampf, aber auch Spiele zur Unterhaltung an. Dieses erste große Fest nach der Nachkriegszeit bildete einen kräftigen Antrieb für das Vereinsleben. Die sehr gut turnerische Ausbildung führte dann auch zu hervorragenden Ergebnissen. 1951 wurde Elfriede Kopp erste Landesmeisterin und ein Jahr später folgten ihr Ursel Beck und Hildegard Sailer. Beck nahm 1955 an den Deutschen Meisterschaften im Geräte-Acht-Kampf in Bochum teil. Die Turnerinnen waren bei vielen Wettkämpfen erfolgreich vertreten, unter anderem bei badischen Jugendmeisterschaften, Jugendbesten-Kämpfen, Gaubestenkämpfe, Deutsches Turnfest sowie südbadische und deutsche Meisterschaften.
Ein Höhepunkt für die Turnermädchen war der Auftritt im Rahmenprogramm der Schweizerischen Olympia-Ausscheidung in Frauenfeld 1956. „Das war für alle ein großes turnerisches Erlebnis“, berichtet Schröder, die 1959 in den Turnverein eintrat, und für die die Turnerinnen immer ein großes Vorbild waren. Auch Monika Göbel blieb dieser Tag in Erinnerung. Unter der Leitung von Else Hugger tanzten und turnten sie sich in die Herzen der Schweizer Turnfreunde. Aus dieser Veranstaltung ergaben sich weitere Ereignisse – wie zum Beispiel ein Jahr später der Besuch des Weltklasse-Turners Masami Ota, der zusammen mit namhaften Schweizern und Hegau-Bodensee-Turnern sowie den Markdorfer Turnerinnen in der Stadthalle vor 800 Zuschauern ein Schauturnen bot.
Aufgetreten wurde zu dieser Zeit auch bei der „Bunten Platte“, einer Veranstaltung der Markdorfer Narrenzunft. „Der Turnverein hat einfach tolle Darbietungen gezeigt“, berichtet Agnes Schröder. Die Stadthalle war fast zu klein, um die Besucher zu fassen, die die Turnerinnen auf der Bühne erleben wollten.
Die Leitung des Turnvereins lag von 1951 bis 1954 in den Händen von Konrad Porzelt, dann übernahm ab 1955 erneut Eugen Dieter, Vater von Berthold Dieter, den Vorsitz für fünf Jahre und verhandelte mit der Stadt wegen Übungsräumen. Er bemühte sich um ein Grundstück bei der „Wilhelmshöhe“ oberhalb Fitzenweiler und schloss einen Pachtvertrag mit der Stadt. Das Gelände bot Platz für Rasensport und es entstand eine gemütliche Turnerhütte in Eigenarbeit – mit tatkräftiger Unterstützung der Turnermädchen. 1958 wurde das Turnerheim am Waldrand eröffnet und die Stadthalle stand nach zehn Jahren „Ausharren“ in der Holzbaracke ab 1959 als Übungsraum zur Verfügung.
Damals und heute
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Turnen nach den strengen alten Regeln in einer Holzbaracke
Neben vielen alten Bildern hat Herta Bischof (geb. Fehr) noch ihren Turnerpass, der der heute 80-jährigen Markdorferin am 1. Januar 1955 ausgestellt worden ist. Sie trat mit 13 Jahren in den Turnverein ein und erinnert sich wie Monika Göbel noch gut an die 50er Jahre zurück. "Das Turnen lief sehr streng ab, also nach alten Regeln und manchmal sind wir auch mit Tränen in den Augen nach Hause gekommen", sagt die 74-jährige Göbel über die Zeit unter Else und Edwin Hugger.
Besonders die eigenen Showprogramme seien bei den verschiedenen Veranstaltungen gut angekommen, so Monika Göbel. Und man habe sich untereinander mit anderen Vereinen gut verstanden. So ging es 1957, als namhafte Turner in der Stadthalle aufgetreten waren, abends gemeinsam zum Tanzen in den "Adler". Auch als bei der Turnerhütte die Außenanlage Platz für Rasensport bot, kamen befreundete Vereine zum Volleyball-Spielen. Beim Bau der Hütte haben alle fleißig mitgeholfen. "Die Fundamente waren von einer Hütte der Wäscherei Sers", sagt Berthold Dieter. Diese habe man abgebaut und bei der Wilhelmshöhe wieder aufgebaut. (shn)