Herr Riedmann, beim Klimaschutz hat sich die Stadt sehr ehrgeizige Ziele gesetzt: Die Verwaltung möchte bis 2030 klimaneutral werden, die Gesamtstadt soll es bis 2035 sein. Aktuell scheinen die Schritte dorthin zu langsam zu sein.

Nein, das glaube ich nicht, wir arbeiten daran. Wir haben uns diese Zielmarken gesetzt, damit wir ein Ziel vor Augen haben und ich denke, wir haben Jahr für Jahr erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Erst jüngst durften wir bekannt geben, dass wir mit einem durchaus bemerkenswerten Ergebnis die EEA-Zertifizierung erreichen konnten, die ja inzwischen deutlich strenger ist, als noch vor wenigen Jahren. Die Zertifizierung zeigt, dass wir in vielen Bereichen auf einem guten Weg sind. Und die Dinge, die wir im Jahr 2023 auf den Weg gebracht haben, sind dabei noch nicht berücksichtigt, da der 31. Dezember 2022 für den EEA der Stichtag zur Bewertung war. Was mir aber auch wichtig ist: Klimaschutz ist für mich kein Einzelthema, sondern Klimaschutz ist ein Querschnittsthema. Das heißt, alles, was wir tun, müssen wir vor dem Hintergrund Klimaschutz bewerten. Das Wichtige ist, dass wir in jedem Tätigkeitsfeld unsere Entscheidungen vor dem Hintergrund plausibilisieren, welche Auswirkungen sie auf den Klimaschutz haben.

Bürgermeister Riedmann zum Klimaschutz Video: Grupp, Helmar
Das Foto trügt ein wenig: Nicht immer verliefen die Kontakte zwischen der Stadtverwaltung um Bürgermeister Georg Riedmann (rechts) und ...
Das Foto trügt ein wenig: Nicht immer verliefen die Kontakte zwischen der Stadtverwaltung um Bürgermeister Georg Riedmann (rechts) und der Gruppe Klimaplan (von links Silja Beck, Jonas Koch und Leon Beck) reibungslos. | Bild: Klimaplan Markdorf

Jetzt gibt es zum Klimaschutz in Markdorf eine bürgerschaftliche Gruppierung, die Ihnen sehr genau auf die Finger schaut und die Ihnen sicherlich auch das ein oder andere Mal ein ziemlicher Dorn im Fuß gewesen ist. Zwischen der Verwaltung und der Gruppe Klimaplan gab es immer wieder auch Misstöne. Wie ist Ihr Verhältnis zu den Mitgliedern von Klimaplan inzwischen?

Also, ein Dorn im Fuß waren die sicher nicht. Das ist doch ganz logisch, dass eine Gruppe, die sich ausschließlich einem Thema widmet und diesem Thema alles andere unterordnet, dass eine solche idealisierende Gruppierung natürlich nie zufrieden sein kann mit den Ergebnissen von Menschen, die sich tatsächlich in der Breite dem kompletten Aufgabenspektrum und der Gewinnung von Mehrheiten widmen müssen. Insofern ist es für mich vollkommen klar, dass da Kritik geäußert wird an der Geschwindigkeit oder auch Kritik an Einzelentscheidungen. Für mich ist das ein ganz normaler Prozess der politischen Auseinandersetzung, damit haben wir im Rathaus überhaupt kein Problem. Im Gegenteil, wir haben einen sehr guten und regelmäßigen Austausch mit Klimaplan.

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Letzten Endes ist es für die Verwaltung die Herausforderung, wie man idealistische mit realistischen Zielen vereinen kann.

Das haben Sie auf den Punkt gebracht, genauso ist es.

Bürgermeister Riedmann über die kommunale Aufgabenfülle Video: Grupp, Helmar

Mit Blick auf 2024, welches Thema bewegt Sie selbst, aber auch die Verwaltung in besonderem Maße?

Ein ganz globales Thema ist die Frage der Aufgabenbewältigung durch den Staat und die öffentliche Verwaltung. Ich glaube, in unserem Land haben wir in einer fabelhaften wirtschaftlichen Entwicklung über viele Jahrzehnte uns daran gewöhnt, dass der Staat und die öffentliche Hand für jedes Einzelproblem und für jedes Einzelthema eine staatliche Aufgabenerledigung entwickelt hat. Und wir stellen zwischenzeitlich fest, dass wir damit in eine Überforderung der öffentlichen Hand und des Staates kommen. Aber wir werden unsere Verwaltungen nicht immer weiter ausbauen können, um immer neue Aufgaben zu übernehmen.

Da soll‘s langgehen: Innenstadtberater Reiner App (rechts) bei einem Bürgerworkshop zur Innenstadtentwicklung.
Da soll‘s langgehen: Innenstadtberater Reiner App (rechts) bei einem Bürgerworkshop zur Innenstadtentwicklung. | Bild: Jörg Büsche

Ich glaube, dass wir mit den Menschen sorgsam besprechen müssen, dass wir wieder mehr Eigenverantwortung einfordern müssen, nicht nur hier in der Stadt, sondern im ganzen Land. Wir haben gerade in Markdorf unzählige Menschen, die sich im Ehrenamt und in Vereinen engagieren. Aber es gibt auch sehr viele Menschen, die mehr oder weniger passiv die Dienstleistungen von Vereinen, aber auch von staatlichen Institutionen einfach konsumieren. Ich weiß, das ist ein ganz heikler Punkt und ich möchte da auch keinesfalls belehrend sein, aber ich glaube, dass es auch unserem gesellschaftlichen Miteinander sehr gut tun würde, wenn jeder an seiner Stelle auch wieder einmal darüber nachdenkt, welchen Beitrag er für das Gemeinwohl leisten kann. So wie John F. Kennedy gesagt hat: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.“

Bürgermeister Riedmanns Neujahrswunsch an die Markdorfer Video: Grupp, Helmar
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Zu der Aufgabenfülle der öffentlichen Hand, die Sie angesprochen haben, gehören natürlich auch jene Aufgaben, die von Land und Bund an die Kommunen übertragen werden, zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe. Als Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion haben Sie da jüngst eine sehr deutliche Botschaft gesendet. Worum geht es Ihnen konkret?

Vor dem Hintergrund der Aufgabenerfüllung, aber auch vor dem Hintergrund dessen, was wir als Gesellschaft bewältigen können, brauchen die Kommunen ein ganz klares Signal einer Anpassung der Migrationspolitik. Wir wollen ganz klar das Signal aussenden, dass Deutschland weiterhin ein Land und Europa ein Kontinent ist, in und auf dem Schutzsuchende auch Schutz finden. Aber wir brauchen, und da sind die Stichworte ja mehrfach genannt, Anpassungen, damit wir diesen Zustrom besser verarbeiten können, ohne unseren gesellschaftlichen Frieden aufs Spiel zu setzen.