„Räumungsverkauf“ prangt in fetten weißen Buchstaben auf dem Banner am Stadtgraben. Der Räumungsverkauf des Haushaltswarengeschäfts Guldin erfolgt wegen Geschäftsaufgabe. Inhaberin Sylvia Ströer geht in Rente. Das Familienunternehmen hat sie 41 Jahre lang geführt. Unterstützt wurde sie dabei von ihrem Mann Wilfried Ströer und Tochter Stefanie Ströer. Eine Betriebsübergabe innerhalb der Familie sei nicht infrage gekommen. Sohn und Tochter hatten längst ganz eigene Berufswege eingeschlagen, so Sylvia Ströer.
Handwerk und Warenverkauf
Begonnen hat alles mit Emil Guldin. „Das war mein Opa“, erklärt Sylvia Ströer, „der hat hier einen Flaschnereibetrieb gegründet.“ Emil Guldin kümmerte sich in den frühen 50er-Jahren um Dächer und Regenrinnen, verkleidete im Außenbereich mit Blech. Sein Geschäftsfeld weitete er aber aus – auf den Sanitärbereich und damit aufs Hausinnere. Außer seinen Handwerkerleistungen bot Emil Guldin auch Waren an.
Neben die Werkstatt mit Rohrschraubstock und Lötlampe kam ein eigener Verkaufsbereich. Mit Töpfen, Kannen, Kesseln, mit Eimern, Besen und Bestecken sowie Porzellan und Backformen – kurz: mit allem, was der Haushalt braucht. Emil Guldin junior, Vater von Sylvia Ströer, übernahm Flaschnerei und Haushaltswarengeschäft von seinem Vater, gab den Handwerksbetrieb aber bald ab und konzentrierte sich auf den Verkauf von Geschirr, Geräten und Haushaltsutensilien.

Schon als Kind im Geschäft mitgearbeitet
„Im Geschäft habe ich schon als Kind mitgearbeitet“, erinnert sich Sylvia Ströer. Den Ausbau des ursprünglichen Hauses, die Vergrößerung der Ladenfläche erlebte sie ebenso mit wie den Abriss ihres Elternhauses im Zuge der Innenstadtsanierung 1971. Ihr Vater war bereits 1967 verstorben. Mutter Elsa Guldin hat das von ihr weitergeführte Haushaltswarengeschäft dann im Herbst 1972 in neuen Räumlichkeiten wieder eröffnet.
Das Problem der Nachfolge
Ihre Lehre zur Einzelhandelskauffrau hat Sylvia Ströer noch in einer Zeit gemacht, in der es fast selbstverständlich war, „dass die Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern treten – und Geschäfte oder Handwerksbetriebe übernehmen“. Bei allem Bedauern über die heutigen Probleme bei der Betriebsnachfolge in Familienunternehmen äußert Sylvia Ströer auch viel Verständnis für die Bedenken der Jungen. „Die Zeiten haben sich sehr verändert.“
Das zeige schon der Wandel in der Innenstadt. Hatten in den 50er- und 60er-Jahre noch vier Geschäfte mit Haushaltswaren im Angebot ihr Auskommen, so änderte sich das spätestens in den 1980er-Jahren gründlich. Immer mehr Möbelgeschäfte boten neben Sofas und Regalen auch Porzellan, Besteck und Deko-Artikel an. Und auch in der Bodenseeregion ging der Trend auf die grüne Wiese, wo Häuser mit großen Geschäftsflächen und niedrigen Preisen die Kunden anlockten. Endgültig in Bredouille sei der Einzelhandel dann mit dem Internethandel gekommen. Mit bitterem Humor erzählt Sylvia Ströer von einer Kundin: „Sie hat mich tatsächlich gefragt, ob ich nicht im Internet nachschauen kann, wie viel es dort kostet.“
Auf die eigenen Stärken gesetzt
Beratung, Beratung und noch einmal Beratung lautete das Rezept. Hinzu komme das unbedingte Achten auf Qualität, erklärt Sylvia Ströer. Weil ihre Kunden wussten, dass sie sich darauf verlassen konnten, kamen sie auch weiterhin – aus Markdorf, Bermatingen, Deggenhausertal, aus Pfullendorf, Tettnang und Überlingen. Und weil Sylvia Ströer auf dem Umweg über ihre Verkäufe gewissermaßen Einblick in die Haushalte ihrer Kunden hatte, „konnte sich oft beraten, was wozu passt“. Gerade diese Vertrautheit aber macht ihr den Abschied schon recht schwer. Nicht nur ihr, sondern auch den Kunden von Sylvia Ströer. Die mitunter bereits in der dritten Generation bei Guldin einkauften.