Kehrtwende an der umstrittenen Bahnkreuzung in Markdorf: Einen Tag, nachdem die Stadt angekündigt hatte, den gefährlichen Bahnübergang mit zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen zu entschärfen, tritt nun nach mehr als zweijährigem Stillstand plötzlich auch die Deutsche Bahn AG aufs Gaspedal – und vollzieht auf den ersten Blick eine Rolle rückwärts. Das Unternehmen will bis zum Sommer 2022 die bestehende Ampelanlage erneuern.

Abknickende Vorfahrtstraße soll wieder zurückgebaut werden

Bislang hatte die Bahn lediglich einen kompletten Neubau der Steuerungsanlage am Bahnübergang verfolgt. Inklusive eines dafür nötigen Planfeststellungsverfahrens hatte sie dafür einen Zeitraum von sieben Jahren veranschlagt. Bis zuletzt hieß es, man strebe den Neubau der Bahntechnik bis 2027 an.

Von Beginn an, als die abknickende Vorfahrtstraße im April 2019 eingerichtet worden war, häuften sich gefährliche Situationen und ...
Von Beginn an, als die abknickende Vorfahrtstraße im April 2019 eingerichtet worden war, häuften sich gefährliche Situationen und Unfälle. Auf diesem Archivfoto vom August 2019 nimmt der Fahrer des schwarzen Autos im Vordergrund den beiden Radfahrern und dem von links kommenden Auto die Vorfahrt. | Bild: Ganter, Toni

Bei der Bahn spricht man mit Blick auf die Ampelerneuerung von einem „zweistufigen Bauverfahren“. Im ersten Schritt soll die bestehende Ampelanlage bis Sommer 2022 erneuert werden. In einem zweiten Schritt könne dann die Verkehrssituation „optimiert“ werden, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens vom Donnerstag.

Im Klartext bedeutet das den Rückbau der erst im April 2019 eingerichteten abknickenden Vorfahrtstraße, die den Bahnübergang seither zu einem Gefahrenpunkt werden ließ. Das hieße, dass dann Gutenberg-, Bernhard- und Ensisheimer Straße wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt werden: Die Markierungen und die jetzt erst beschlossenen weiteren Sicherheitselemente wie Schwellen und Schilder werden wieder entfernt und die Ensisheimer Straße wäre gegenüber der Gutenbergstraße wieder bevorrechtigt.

Komplettneubau bis 2027 bleibt das Ziel

Ob hingegen der komplette Neubau der Steuerungsanlage bis 2027 tatsächlich noch umgesetzt werden soll, bleibt in der Mitteilung eher nebulös. Die bisher bevorzugte Variante des kompletten Neubaus „bleibt für uns aber weiterhin eine sinnvolle und zukunftsfähige Lösung“, wird der DB-Konzernbevollmächtigte für Baden-Württemberg, Thorsten Krenz, dort zitiert. Daran werde die Bahn auch festhalten, hieß es am Donnerstag auf Nachfrage des SÜDKURIER. Der komplette Neubau der Anlage bis 2027 sei nach wie vor vorgesehen, so eine Sprecherin der Deutschen Bahn AG.

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Auf dieses zweistufige Verfahren hätten sich Bahn und Stadt Markdorf bei einem jüngst abgehaltenen gemeinsamen Gespräch verständigt, heißt es seitens der Bahn. Dies bestätigt auch Bürgermeister Georg Riedmann. In der Mitteilung der Bahn wird Riedmann zitiert, er sei „sehr froh. dass die DB uns jetzt eine erste Optimierungsmöglichkeit ohne langjähriges Genehmigungsverfahren anbieten kann“.

Riedmann ist erleichtert, aber auch verärgert

Im direkten Gespräch stellt sich die Sache hingegen ein wenig anders dar. Denn zu seiner Erleichterung über diese schnelle Lösung gesellt sich bei Riedmann durchaus auch Verärgerung über das Vorgehen der Bahn. Er sei selbst überrascht über diese zeitnahe 1:1-Lösung gewesen, sagt er. Er habe in dem Gespräch mit Krenz ausdrücklich gefragt: „Warum erst jetzt und nicht schon vor zweieinhalb Jahren?“ Eine schlüssige Begründung habe er aber nicht bekommen. Bei der Bahn heißt es dazu, dass man sich die Situation vor Ort auch angeschaut habe. Ausschlaggebend, so die Bahn-Sprecherin, sei gewesen, dass man sich einer schnelleren Lösung im Sinne der Anwohner und Verkehrsteilnehmer nicht habe verschließen wollen.

Kehrtwende kommt zwei Jahre zu spät

Dennoch kommt die grundsätzlich positive Kehrtwende der Bahn für die Stadt nun zu spät: Hätte die Bahn bereits vor zweieinhalb Jahren die Erneuerung der bestehenden Ampelanlage auf 2022 in Aussicht gestellt, hätte man die abknickende Vorfahrtstraße nicht eingerichtet, stellt Riedmann gegenüber dem SÜDKURIER klar. Denn die sei nur deswegen eingerichtet worden, weil klar gewesen sei, dass man keine sieben Jahre mit einer defekten Ampelanlage leben könne, deren sämtliche Signale bei Zugverkehr gleichzeitig auf Rot gestellt werden. Für Stadt und Verkehrsbehörde im Landratsamt sei die abknickende Vorfahrtstraße die gebotene „Zwischenlösung“ gewesen, nachdem die Bahn bis dahin einer zeitnahen Reparatur der Anlage eine Absage erteilt hatte.

Der Auslöser, der die Debatte um die Gefahren am Markdorfer Bahnübergang wieder entfacht hatte: Im Dezember 2020 wurde ein 81-jähriger ...
Der Auslöser, der die Debatte um die Gefahren am Markdorfer Bahnübergang wieder entfacht hatte: Im Dezember 2020 wurde ein 81-jähriger Radfahrer von einem Lkw, dessen Fahrer die Vorfahrt missachtet hatte, erfasst und schwer verletzt. | Bild: Aaron Okon

In den vergangenen zwei Jahren sei er regelmäßig mit der Bahn in Kontakt gewesen, sagt Riedmann. Dies aber nicht, um an der linksabknickenden Vorfahrt etwas zu verändern, „das konnten wir nur mit Polizei und Verkehrsbehörde, sondern um verbindliche Zeitpläne für die Erneuerung der Ampelanlage einzufordern und eine Verkürzung der genannten Planungshorizonte zu erreichen“.

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Dieses Ziel ist nun zwar erreicht, wenn auch anders als von der Stadt beabsichtigt – und um einen hohen Preis: Zusätzlich zu den Kosten für die geänderte Verkehrsführung wird die Kreuzung nun nochmals sicherer gemacht werden. Nach der Verkehrsschau am 25. Januar wurde beschlossen, in der Bernhardstraße ein weiteres Stoppschild zu installieren und Schwellen in den Asphalt zu verbauen. Dabei wird es auch bleiben, bis Ende Februar sollen diese Maßnahmen umgesetzt sein. Denn über Eines seien sich alle Beteiligten der Verkehrsschau einig gewesen: Ohne weitere Verbesserungen gehe es nicht. „Die Unfallstatistik der Polizei für 2020 hat eine ganz deutliche Sprache gesprochen, für die Polizei bestand Handlungsbedarf“, sagt Riedmann.

Bahn AG: Petition hat keine Rolle gespielt

Die Petition des Markdorfer Stadtrates Rolf Haas, bei der 900 Unterschriften für mehr Sicherheit am Bahnübergang zusammengekommen waren, habe für die Entscheidung der Bahn AG im Übrigen keine Rolle gespielt, so die Bahn-Sprecherin. Für die Entscheidung seien alleine die Gespräche mit der Stadt ausschlaggebend gewesen.