Wie zufrieden sind die Fahrradfahrer mit der Situation in ihrem Wohnort? Das fragt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) alle zwei Jahre. Gedacht sind die Antworten auch als Anregungen für die örtlichen Politiker. Gefragt wird nach Sicherheit, nach Konflikten, Hindernissen oder Infrastruktur. In Markdorf haben 86 Teilnehmer den umfangreichen Fragenkatalog ausgefüllt, daraus resultiert am Ende eine Gesamtnote.
Gleiches Ergebnis wie 2021
„Das ist eine gute Zahl“, erklärt Bernhard Glatthaar, Vorsitzende des ADFC Bodenseekreis. „In puncto Aussagekraft kann das Zufriedenheitsbarometer für Radler durchaus mit den gängigen Polit-Barometern mithalten“, versichert Glatthaar. Das Markdorfer Ergebnis kommentiert er so: „Freuen sie sich, wenn ihr Kind mit einer Vier plus nach Hause kommt?“ Im Ranking der Städte mit weniger als 20.000 Einwohnern rangiert Markdorf lediglich im Mittelfeld – das mit der Gesamtnote von 3,8. Das ist das gleiche Ergebnis wie vor zwei Jahren.

Spaß oder Stress beim Radfahren?
„Bei uns macht Radfahren Spaß.“ Dieser Aussage wollten sich nur 23 Prozent jener 86 Markdorfer anschließen, die beim jüngsten ADFC-Fahrradklima-Test 2022 teilgenommen haben. Sechs Prozent bewerteten den Spaßfaktor mit der Schulnote sehr gut, 17 Prozent mit gut. Demgegenüber finden 29 Prozent: „Bei uns ist Radfahren mit Stress verbunden“. Kein Wunder, denn 17 Prozent der teilnehmenden Velofahrer fühlen sich auf Markdorfs Straßen stark gefährdet und weiter 26 Prozent erheblich.
47 Prozent erfahren oder beobachten Konflikte zwischen Rad- und Autofahrern. Und selbst bei den Radwegen beziehungsweise Fahrstreifen bemängeln 52 Prozent, dass die sich nicht sicher genug befahren lassen. Ganz ähnlich bei gemeinsamer Fahrbahnutzung von Auto- und Radfahrern: Hier werden die Schwächeren behindert oder gar bedrängt. Dass „in jüngster Zeit besonders viel für den Radverkehr getan wird, unterstreichen 15 Prozent der Markdorfer Radler. Hingegen kritisieren 35 Prozent, dass in Markdorf kaum etwas für den Radverkehr getan wird.
Offene Augen fürs Positive
Albin Ströbele beginnt beim Positiven. „Es gibt viele neue Fahrradständer.“ Man brauche bloß die Augen aufzumachen, um an etlichen Stellen neue Abstellmöglichkeiten zu entdecken – beim Rathaus, hinter dem Schwanenstüble, an der Ochsenlücke. „Die neuen Ständer sind bequem und sicher“, so Ströbele. Statt der alten Felgenbrecher fürs Vorderrad begegnen nun rahmenhohe Bügel.

„Gut und richtig“ findet Albin Ströbele, dass sich die Stadt bemüht, dir Fahrradinfrastruktur zu verbessern. Neben der Touristinformation wurde eine Reparaturstation installiert – mit Werkzeug, mit Pumpe. Und schräg gegenüber hat ein neuer Fahrradladen aufgemacht. Auch das zählt Ströbele zu jenen Faktoren, die das Fahrradklima in der Stadt aus seiner Sicht zuletzt verbessert haben. Wie auch die zusätzlichen Radfahrstreifen, die an verschiedenen Stellen in der Stadt aufgebracht wurden. Oder die abschließbaren Fahrradgaragen, die am Bahnhof angemietet werden können.
Es gibt viele Problemzonen
Beim Radeln durch Markdorf trifft Albin Ströbele immer wieder auf unnötige Hindernisse: zum Beispiel auf zu hohe Schwellensteine in den Einmündungszonen. „Sie müssten noch weiter abgesenkt werden“, schlägt Ströbele vor. Rollen Kinderanhänger darüber, versetzt es den kleinen Insassen stets einen Schlag. Schlaglöcher, Unebenheiten, aber auch viel zu schmale Radwege seien häufiger zu entdecken. Zum Beispiel am Nordrand des Klosteröschles. Dort führt ein Radweg entlang. Von vielen Markdorfern, aber auch von den Gästen des nahen Campingplatzes werde er genutzt, um nach Friedrichshafen zu kommen. Aber er sei in schlechtem Zustand.
Insgesamt zeigt sich Albin Ströbele aber recht zufrieden mit dem, was die Stadt für die Fahrradmobilität tut. Und vieles liege auch gar nicht in der Hand der Verwaltung, weil der Kreis oder das Regierungspräsidium zuständig sind. Erfreulich findet er, dass das Landratsamt unterdessen dem von der Stadt beantragten Fahrradstraßenprojekt in Griviten-/Hahn-/Eugenienstraße und Schießstattweg zugestimmt hat.
Rote allein Farbe reicht nicht
Für den ADFC-Kreisvorsitzenden Bernhard Glatthaar zählt die geplante Fahrradstraße zu jenen Schritten, die zu einer maßgeblichen Verbesserung des Markdorfer Fahrradklimas beitragen können. „Es müssen Zeichen gesetzt werden“, erklärt Glatthaar. Zeichen, die von der Bevölkerung wahrgenommen werden. Zeichen, die signalisieren, dass das Velo nicht weiterhin stiefmütterlich behandelt wird, „sondern eine große Wertschätzung erfährt“. Lippenbekenntnisse und einzelne Maßnahmen – „ein paar rote Streifen auf die Fahrbahn pinseln“ – helfen wenig, werden auch kaum gesehen.
Glatthaar: „In Markdorf ist das Auto eine besonders heilige Kuh“
Solche kleinen Schritte, so der ADFC-Vorsitzende, „führen uns nicht heraus aus der Dauerstagnation“. Der Radverkehrsexperte räumt aber ein, dass Markdorf mit dieser Mittelmaß-Note und mit deren mehrjährigen Konstanz keineswegs allein dasteht. Denn die Weichen wurden vor langer Zeit gestellt und durch die Straßenverkehrsordnung festgeschrieben. Sie räumt dem Kraftfahrzeug den Vorrang ein – vor Fußgängern und Radfahren. Und in Markdorf „ist das Auto eine besonders heilige Kuh“, sagt Glatthaar.