Es war Stadtrat Rolf Haas, der in einer der letzten Gemeinderatssitzungen „Gefahr im Verzug“ gemeldet hat. Der FDP-Politiker alarmierte, weil er das Gebäude Hauptstraße 24 einsturzgefährdet sah. Um ganze zwanzig Zentimeter habe es sich geneigt. „Da lebt eine Familie drin“, erklärte Haas. Schon deshalb sei es höchste Zeit, das Haus zu sichern.
Die Antwort von Bürgermeister Georg Riedmann klang eher gelassen. „Das Baurechtsamt ist in der Angelegenheit tätig“, sagte er. Man sei auch mit dem Bauunternehmen Betz und Weber im Gespräch. Das habe derzeit „den Ball in seinem Spielfeld“, stellte Riedmann klar. Die Stadt habe das Unternehmen aufgefordert, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Dies sei aktuell noch nicht geschehen, weshalb sich die Stadt Erstattung vorbehalte für die von ihr unterdessen in Auftrag gegebenen Sicherheitsvorkehrungen.
Baurechtsamt sagt: Gefahr gebannt
Der erste Schritt zur unmittelbaren Gefahrenabwehr sei indes schon erfolgt – und das bereits Anfang November: Auf Geheiß des Baurechtsamts in Markdorf wurden Sicherungsmaßnahmen durchgeführt. Ein Statiker berechnete und ein Zimmermann konstruierte, damit das einsturzgefährdete Gebäude vorerst sicher dasteht und die Tragkonstruktion nicht versagt.

Die nämlich sei stark beeinträchtigt, so erklärt Dominic Warken, der Leiter des Baurechtsamts. Er kündigt an, dass sich die Verwaltung die Kosten für die Maßnahmen – sie belaufen sich auf rund 12 000 Euro – von Betz und Weber erstatten lassen wolle.
Bauträger widerspricht: Es bestehe Gefahr
Anders wird es seitens der Betz und Weber Baupartner GmbH dargestellt. Danach wollte das Unternehmen nach längerem Baustopp im vergangenen Oktober die Arbeiten an der Baustelle Hauptstraße/Biberacherhofstraße wieder aufnehmen, was aber vom Baurechtsamt mit Hinweis auf die Einsturzgefährdung des Gebäudes Hauptstraße 24 untersagt worden sei. Ein Ende Oktober hinzugezogener neutraler Prüfstatiker habe Verstärkungs- und Sicherungsmaßnahmen empfohlen, damit Wind- und Schneelasten im Herbst und Winter die Standsicherheit des Mauerwerks nicht noch mehr gefährde, sagt Betz-und-Weber-Geschäftsführer Alexander Weber auf Anfrage des SÜDKURIER. Neubaumaßnahmen habe der Sachverständige ausgeschlossen, solange die Standsicherheit des Gebäudes nicht geklärt sei, so Weber.

„Die Sicherungsmaßnahmen, die aktuell zu sehen sind, stammen aus dem Februar 2020 und sind nicht ausreichend“, sagt Weber. Mithin könnten die Bauarbeiten auch nicht fortgesetzt werden. Wann die notwendigen Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, sei laut Weber nicht zu erfahren.
Streit um die Verantwortung für das Gebäude
Die Parteien sind sich uneins, wer für die Instabilität des Hauses Hauptstraße 24 am Ende verantwortlich ist. Aus Sicht der Baurechtsbehörde sei es das Bauunternehmen. Zumal Betz und Weber durch bereits vor Monaten begonnene Abrissarbeiten an den beiden benachbarten Gebäuden Hauptstraße 22 und Biberacherhofstraße 2 die Standsicherheit der Hauptstraße 24 gefährdet habe.

Der Abbruch sei kritisch, habe der den Vorgang begleitende Statiker erklärt und sich anschließend geweigert, die Arbeiten weiterhin zu begleiten, erklärt Dominic Warken. Sein Amt habe sich anschließend unter Handlungsdruck gesehen. Ein Statiker wurde eingeschaltet, die dringlichsten Schritte mit ihm abgestimmt und anschließend alles Notwendige unternommen, um den derzeitigen Zustand des Gebäudes „temporär zu sichern“.
Noch zeigt sich das Unternehmen zahlungsbereit
Mit den Begriffen der Baurechtsbehörde formuliert habe Betz und Weber die Rolle des „Verhaltensstörers“. Das heißt, desjenigen, der durch sein Handeln oder Verhalten eine Gefahr schaffe und der damit die ordnungs- oder polizeirechtliche Verantwortung besitze, sagt Warken. Weshalb der „Verhaltensstörer“ auch herangezogen werde, um den eingetretenen Schaden zu beseitigen.
Bei Betz und Weber wiederum sehe man sich nicht in dieser Rolle, erläutert der Baurechtsamtsleiter. Aus Sicht des Unternehmens sei der Eigentümer der Hauptstraße der „Zustandsstörer“. Gleichwohl signalisiere Betz und Weber, dass die bisherigen Kosten, die im Zusammenhang mit den Sicherungsmaßnahmen stehen, unter Vorbehalt bezahlt werden würden, sagt Warken.
Altlast oder neuer Schaden?
„Der Standpunkt der Stadt Markdorf war von Beginn an, dass wir der Verursacher der schlechten Bausubstanz am Nachbargebäude sind“, erklärt Alexander Weber. Diese Argumentation sieht er indes durch das Gutachten des im Oktober hinzugezogenen Prüfstatikers widerlegt.

Tatsächlich beschreibt dort der Bautechniker, dass um 2004 ein neues Treppenhaus im Gebäude Hauptstraße 24 eingebaut worden sei, dessen „vermutlich in Eigenleistung“ errichtete Mauerwerkswand nun die Mittel- und die Firstpfette des Dachstuhls trägt, nachdem die zuvor vorhandene Fachwerkswand abgerissen worden sei. Eine solche Lagerung entspreche jedoch keineswegs den „anerkannten Regeln der Technik“, heißt es in dem Gutachten, auf das sich Weber beruft.
Schuldfrage sei nun gerichtlich zu klären
Betz und Weber sieht den Eigentümer des Gebäudes in der Pflicht und sich selbst nicht in der rechtlichen Lage, einzugreifen, „da wir auf fremden Grundstücken und an fremden Gebäuden keine Arbeiten beauftragen können“, sagt Weber. Und wenn der Eigentümer seinen Pflichten nicht nachkomme, dann müsse „die örtliche Verwaltung tätig werden“.
Der Sachverhalt ist komplex. Zu klären ist er nun vom Sigmaringer Verwaltungsgericht. Für das Bauunternehmen Betz und Weber hängt das weitere Vorgehen an der Biberacherhofstraße und der Hauptstraße 22 auch davon ab, wie der vom Baurechtsamt hinzugezogene Prüfingenieur die Standsicherheit der Hauptstraße 24 beurteilt. Denn erst wenn die gewährleistet ist, gibt es grünes Licht und damit den „Roten Punkt“ oder Baufreigabeschein für das geplante Mehrfamilienhaus, heißt es aus dem Baurechtsamt.