In Kluftern, Efrizweiler und Lipbach schrillen die Alarmglocken: Eine komplett verstopfte L207 zwischen Markdorf und Kluftern, Stau-Chaos, Schwerlaster, die durch das Straßendorf rumpeln, Dauerlärm für die Anwohner, Gefahren für Radfahrer und Fußgänger. Das ist das Horrorszenario, das die Bürger im westlichen Häfler Teilort befürchten.

Von der Hand zu weisen ist das keinesfalls: Denn die K7742, die „Müllstraße“ zwischen Markdorf und Unterraderach, wird im Mai für rund ein halbes Jahr gesperrt werden. Kurz nach dem Schneider-Kreisel, an der Abzweigung nach Riedheim, wird ein großer, vierarmiger Kreisverkehr gebaut werden. Der soll dort ein komplett neues künftiges Gewerbe- und Wohngebiet anbinden. Mit Straßenbauten und großflächigem Hochbau eine Mammut-Maßnahme. Oder wie es Bürgermeister Georg Riedmann beim Vor-Ort-Termin für die Presse formuliert hatte: „Eine der größten Baumaßnahmen in Markdorf für mindestens ein Jahrzehnt.“
10.000 Fahrzeuge + 10.000 Fahrzeuge = 20.000 Fahrzeuge
Die Sperrung wird sich auf den Verkehr auswirken, und das nicht zu knapp: Rund 10.000 Fahrzeuge befahren täglich die K7742 zwischen Markdorf und Unterraderach. Ungefähr ebenso viele die L207 von Markdorf nach Kluftern. Die L207 soll laut Landratsamt die offizielle Umleitungsstrecke werden. Summiert man die beiden Verkehre, kommt man auf eine Zahl von rund 20.000 Fahrzeugen, die sich von Mai bis Jahresende durch Lipbach, Kluftern und mit Abstrichen durch Efrizweiler quälen werden. Das Doppelte der bisherigen Menge.

Noch gibt es keine offiziellen Infos aus dem Landratsamt zum konkreten Beginn der Sperrung. Dies hänge vom Verlauf der aktuellen Erd- und Leitungsarbeiten ab, heißt es. Betroffen von der Sperrung werden auch die Linien 11, 12 und X12 des Häfler Stadtverkehrs sein. Die verbinden Friedrichshafen mit Markdorf und nehmen die Strecke über Kluftern.

Behördensprecher: Einspurige Baustraße nicht machbar
Im Landratsamt sagt man, man sei sich der Belastungen, die auf Kluftern zukämen, bewusst. Es gebe aber keine Alternativen. Auch eine einspurige Vorbeiführung des Verkehrs an einer Seite der Baustelle sei nicht möglich, sagt Landratsamt-Pressereferent Lars Gäbler auf Anfrage des SÜDKURIER. Dafür fehle schlicht der Platz. Denn nicht nur an der Straße selbst, sondern auch links und rechts der Fahrbahn werden umfangreiche Bauarbeiten stattfinden. Die Baustelle erstreckt sich wegen der parallelen Bauarbeiten für die Straßenmeisterei immens in die Breite.

Für eine solche Baustraße wären laut Gäbler außerdem auch Enteignungen von privaten Grundbesitzern nötig. Zudem müsste man „tonnenweise“ Kies aufschütten und es gebe auch sicherheitstechnische Vorschriften zu Abständen zur Baustelle. „Wir haben all dies auch schon geprüft, es ist aber nicht machbar“, sagt Gäbler.
Efrizweiler bleibt von Lastwagen verschont
Auch eine gleichrangige Alternative zur L207 gibt es nicht, denn es gibt nur diese beiden größeren Straßen von Markdorf nach Friedrichshafen. In Efrizweiler werden die Anwohner zumindest die Lkw nicht ertragen müssen – wegen der dortigen zu schmalen und zu niedrigen Bahnunterführung. Die Lastwagen sollen stattdessen nach Spaltenstein auf die B31-neu geleitet und am Dornier-Knoten wieder auf die L207 und nach Kluftern geführt werden. Die Deponie Weiherberg soll aus Richtung Raderach anfahrbar bleiben. Denn die K7742 wird zwar ab Unterraderach gesperrt sein, doch befahrbar wird sie bis zur Baustelle bei Riedheim sein.

Ortschaftsrat Caesar: Niemand wurde vorab informiert
In Kluftern können diese Aussagen die Gemüter nicht besänftigen. Den SPD-Ortschaftsrat Bernd Caesar treibt das Thema um, seit es öffentlich geworden ist. Ihn ärgert die Art der Kommunikation: „Die Kreisverwaltung hat es nicht für nötig gehalten, den Stadtverkehr, zuständig für den Linienbusverkehr, und die Ortsverwaltung Kluftern frühzeitig zu informieren und in die Planung einzubeziehen“, kritisieren er und sein Fraktionskollege Ekkehard Reich in einer Pressemitteilung der Klufterner SPD.
Pendler müssten sich für ein halbes Jahr durch die drei Kilometer lange Ortsdurchfahrt in Kluftern quälen wegen einer Kreisstraßen-Vollsperrung für eine knapp 300 Meter lange Baustelle, heißt es. Die Folge sei eine Verdoppelung des Verkehrs durch Kluftern. „Beim Landkreis wurde nie ernsthaft daran gedacht, den Verkehr mit einer Ampelregelung einspurig rechts an der Baustelle vorbeizuführen“, sagt Caesar im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Er bezweifelt, dass in der Behörde diese Alternative überhaupt erwogen wurde.

Auch die Stadtbusse werden im Stau stehen
Wegen der Stadtbuslinien 11, 12 und X12 seien nicht nur die Autofahrer, sondern auch die ÖPNV-Nutzer betroffen. „Der Busverkehr von Markdorf nach Friedrichshafen wird kräftig Verspätungen einfahren, kein Verlass mehr auf die Fahrpläne“, kritisieren Caesar und Reich.

Auch dass der Kreistag den zweiten Radweg entlang des dann neugebauten Abschnitts der K7742 wieder verworfen habe, sei ein Unding. „Der Landkreis investiert 20 Millionen Euro in seine neue Straßenmeisterei, da kann es doch nicht sein, dass ein zweiter Radweg plötzlich nicht mehr drin ist“, sagt Caesar. Man spreche hier von gerade mal 300 Metern. Damit zementiere man die schlechten Bedingungen für Radfahrer von Kluftern und Riedheim nach Markdorf für Jahrzehnte: „So jedenfalls kann eine Verkehrswende nicht gelingen, wenn man solche Chancen auslässt.“

Caesar und Reich wollen die Hoffnung auf eine Alternativlösung noch nicht aufgeben. „Noch gilt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Die Betroffenen zu ignorieren, ist der falsche“, schreiben sie in ihrer Pressemitteilung. An die Kreisverwaltung appellieren sie: „Sicher möchten auch die Markdorfer Pendler wissen, welche Alternativen anstelle der sechsmonatigen Vollsperrung der Müllstraße untersucht wurden.“