Wohin will sich die Stadt mit ihrem Tourismus entwickeln? Wo sind die Stärken Meersburgs und wie können diese genutzt werden? Wo besteht Handlungsbedarf? Diese und weitere Fragen soll ein Tourismuskonzept klären, welches der Gemeinderat bei der Stuttgarter Niederlassung der Schweizer Agentur Kohl und Partner in Auftrag gab. Die Fachleute hatten seit November die Stadt und Einrichtungen besichtigt und Expertengespräche geführt. Nun hatten die Bürger und die Leistungsträger die Möglichkeit, ihre Ideen in einer Tourismuswerkstatt einzubringen.

„Die Stadt funktioniert nur im Gesamten“, sagte Tobias Stoiber, Leiter von Meersburg Tourismus. Unter den Teilnehmern der Werkstatt waren Bürger mit ganz unterschiedlichen Interessensgebieten: Zimmervermieter, Gastronomen, Geschäftsinhaber und Gewerbetreibende, aber auch die Leiter der städtischen Einrichtungen wie Therme und Kulturamt, außerdem die Burgherrin Julia Naeßl-Doms.

Trend geht zu hochwertigem Urlaub im eigenen Land

Alexander Seiz, Geschäftsführer der Stuttgarter Niederlassung der Tourismus-Consulting-Firma, gab eine kurze Übersicht über aktuelle touristische Trends: Urlaub im eigenen Land statt Fernreise, Reduktion und Minimalismus, also lieber weniger und dafür hochwertigen Urlaub, aber auch den Wunsch, auf Reisen etwas zu erleben, insbesondere in Verbindung mit Sport und Bewegung in der Natur, oder die Entwicklung, Arbeit und Urlaub zu verbinden, wie es die digitalen Nomaden bevorzugen.

In Kleingruppen erarbeiteten die Bürger, die ganz unterschiedliche Interessensgebiete zur Werkstatt mitbrachten, Vorschläge und Visionen.
In Kleingruppen erarbeiteten die Bürger, die ganz unterschiedliche Interessensgebiete zur Werkstatt mitbrachten, Vorschläge und Visionen. | Bild: Lorna Komm

Städte vergleichbarer Größenordnung verkaufen sich bereits besser

Seiz stellte einen Vergleich von Meersburg mit anderen touristischen Städten ähnlicher Größe her. „Bardolino am Gardasee hat bei ähnlicher Einwohnerzahl zehnmal mehr Übernachtungen als Meersburg.“ Dort gebe es aber auch sehr viele Campingplätze. „Bernkastel-Kues hat etwa doppelt so viele Übernachtungen wie Sie hier“, führte Seiz ein weiteres Beispiel an. Die Moselstadt punkte insbesondere durch Kombiangebote. In direkter Nähe habe Immenstaad ebenfalls mehr Übernachtungen als die Burgenstadt. Die Nachbarn hätten den Fokus auf Familienangebote sowie auf Attraktionen und Erlebnisse gelegt.

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Erstes Ziel in Meersburg sei daher eine Bestandsaufnahme der eigenen Stärken und Schwächen. Die Tourismusberater hätten eine erste Analyse auf der Grundlage von stichprobenartigen Gesprächen erarbeitet. „Aber die perfekten Kenner der Stadt sind Sie, die hier leben, wohnen und arbeiten“, sagte Seiz.

Plus: Altstadt, Burg, Wein, Kulisse am See

Coronabedingt bearbeiteten die Teilnehmer in Kleingruppen dieselben Fragestellungen und teilten anschließend ihre Ergebnisse den übrigen Tischgruppen mit. Bei den Alleinstellungsmerkmalen und Stärken der Stadt herrschte großer Konsens unter den Beteiligten. Altstadt, Burg, Wein, die perfekte Kulisse am See, aber auch das Sicherheitsgefühl in der Stadt waren Stichworte, welche an allen Tischen genannt wurden.

Minus: Barrierefreiheit, Parkplätze, öffentlicher Nahverkehr

Bei den Schwächen gingen die Meinungen breiter auseinander. Es fehlten Barrierefreiheit, Stadtmarketing, Parkplätze, öffentlicher Nahverkehr in die Randgebiete und vieles mehr.

In der zweiten Werkstattrunde ging es um Visionen für die Zukunft. Hier wurde vielfach der schon seit Jahrzehnten angedachte Aufzug von der Unter- in die Oberstadt genannt. Meersburg solle zudem nachhaltig energetisch werden und ein Sehnsuchtsort für alle sein. Jürgen Dietrich, Leiter des Staatsweinguts, sagte stellvertretend für seine Tischgruppe: „Meersburg soll ein Stück die heile Welt verkörpern und den Gästen die Möglichkeit geben zu entschleunigen.“

Alexander Seiz, Geschäftsführer der Stuttgarter Niederlassung von Kohl und Partner, erläutert die Ergebnisse der ersten Tourismuswerkstatt.
Alexander Seiz, Geschäftsführer der Stuttgarter Niederlassung von Kohl und Partner, erläutert die Ergebnisse der ersten Tourismuswerkstatt. | Bild: Lorna Komm

Fachmann nimmt Themen Nachhaltigkeit und Qualitätstourismus mit

Weiter sollten die Teilnehmer die Stadt mit beschreibenden Adjektiven versehen. „Stellen Sie sich die Stadt als eine bekannte Persönlichkeit mit einschlägigen Charakterzügen vor“, animierte der Moderator. Vielfach genannt wurden Eigenschaften wie altmodisch, charmant, anspruchsvoll und intellektuell, seltener fielen Adjektive wie weltoffen und modern. Im Vergleich mit Persönlichkeiten wie Karl Lagerfeld, Sophia Loren oder Montserrat Caballé fiel mehrfach der Begriff Diva. „Ein spannender Ansatz“, meinte Seiz „ich hätte Meersburg nicht als Diva gesehen.“ Er nehme die Stichworte Nachhaltigkeit und Qualitätstourismus mit, ebenso den Wunsch nach Saisonverlängerung, welchen er eher zwischen den Zeilen gehört habe.

Firmeninhaber Sebastian Schmäh (links, stehend) erläutert die Ergebnisse für der Gruppe, in welcher er mitgearbeitet hat.
Firmeninhaber Sebastian Schmäh (links, stehend) erläutert die Ergebnisse für der Gruppe, in welcher er mitgearbeitet hat. | Bild: Lorna Komm

Nächste Runde am 28. April

Weitere Details und Ideen für Projekte sollen am 28. April in der zweiten Tourismuswerkstatt vorgestellt werden. Das Schlusswort gab der Tourismusexperte an Bürgermeister Robert Scherer. Dieser sagte: „Es war spannend. Ich habe viele tolle Ideen gehört.“ Vieles entspreche seinem persönlichen Leitfaden zur Stadtentwicklung 2030. Ansonsten habe er es genossen, einmal einfach nur zuzuhören.