Steffen Eckhard hat das alles überrascht. „Ich hatte nicht auf dem Schirm, wo sich das hin entwickelt“, sagt der Professor für Public Administration und Public Policy an der Zeppelin-Universität (ZU). Der SÜDKURIER spricht mit ihm über die Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Lehre. Schon 2017 habe er mithilfe eines frühen KI-Programms in seiner Forschung gearbeitet und große Textdatenmengen damit durchleuchtet. Trotzdem hat er die Geschwindigkeit nicht erwartet, mit der sich Künstliche Intelligenz in den vergangenen Jahren ausgebreitet hat.
An Hochschulen sei zunächst restriktiv auf das Thema reagiert worden. „Alle haben zunächst die Einschränkungsseite bearbeitet“, sagt Eckhard. Eine zentrale Prüfungsform an Hochschulen sind Hausarbeiten, das eigenständige Produzieren von Texten. Solche Texte kann man sich mittlerweile allerdings auch von KI-Programmen generieren lassen. Nur: „Die Einschätzung war sehr schnell da, dass sich KI-Texte nicht mehr von selbstgeschriebenen unterscheiden lassen.“
KI hebt die Standards
Zwar falle ihm bei manchen Texten schon ein gewisser Stil auf, hinter dem er KI vermutet, sagt Eckhard. Eindeutig nachweisen lasse sich der Einsatz aber nicht. Die ZU-Prüfungsordnung erlaube auch den Einsatz, unter der Voraussetzung, dass die Dozenten zustimmen und die Studierenden die Nutzung offenlegen. Bei Bachelor- oder Masterarbeiten, die er betreut, begleite er die eigenständige Datenerhebung seiner Studenten mit, so Eckhard.
Wenn sie sich beim Schreiben dann etwas KI-Unterstützung holen und transparent damit umgehen, habe er damit kein großes Problem. Es sei sogar eher so, dass seine Anforderungen an die Hausarbeiten steigen. Wer nicht mal eine Rechtschreibprüfung über seinen Text laufen lässt, könnte unter Umständen sogar Nachteile haben: „Bei Rechtschreibfehlern waren sie einfach faul.“
Mehr Präsenz statt Essay
Prüfungsformen wie das Essay sind in seiner Wahrnehmung allerdings nicht mehr zeitgemäß. An der ZU setzen Dozenten daher vermehrt auf Prüfungsformen in Präsenz. Außerdem hat die ZU schon im vergangenen Jahr ein Grundlagenseminar zu KI eingeführt, um die Studenten früh mit dem Thema vertraut zu machen, in über zehn weiteren Seminaren gehe es dezidiert ebenfalls um das Thema. In Eckhards Wahrnehmung kommen die Erstsemester noch immer mit recht wenig Erfahrung in dem Bereich an die ZU.

Was lernen die Studenten in dem Grundlagenkurs?
In dem Grundlagenkurs geht es vor allem um die Architektur der Künstlichen Intelligenz, wie sie also an Informationen kommt und wieder ausspuckt. Wichtig sei dabei etwa zu verstehen, dass die meisten Werkzeuge stark von der Programmierung der Anbieter abhängig sind. So gibt es etwa Berichte, dass das chinesische Programm DeepSeek bei manchen politischen Fragen die Aussage verweigert. „Man muss verstehen, dass man keine ganz neutralen Antworten bekommt“, so Eckhard. Der Kurs soll also Risiken und Chancen der Programme aufzeigen. Erläutert wird den Studenten auch, wie KI später in der Berufspraxis angewandt werden kann.
Eckhard berichtet aus einem seiner Kurse, in dem er mit Studenten zunächst intensiv Texte bespricht, die sie vorher selbst gelesen haben. Später sollen sie sich dann Texte von KI bearbeiten lassen und auf dieser Basis diskutieren. Er finde die Erkenntnis spannend, dass die Studenten die Texte deutlich besser verstanden haben, wenn sie sie selbst gelesen haben.
Wie ein Taschenrechner
Dass die Studierenden der ZU die Chancen und Risiken durchaus reflektieren, zeigt ein Gespräch mit Emilia Bös. Sie ist aktuell für ein Jahr die studentische Vizepräsidentin der Hochschule, bringt im Präsidium also eine studentische Perspektive ein. Ihr Studium der Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft & Internationalen Beziehungen pausiert sie für das Amt in diesem Jahr.

Einerseits sieht Bös in KI Nutzen im Alltag, etwa bei der Vorbereitung von Seminaren oder auf Prüfungen. „Aber es gibt einen Unterschied, ob es einem Arbeit abnimmt oder vereinfacht.“ Bös vergleiche KI-Programme gern mit einem Taschenrechner: Man müsse also immer noch wissen, was man eintippen muss, um das richtige Ergebnis zu bekommen.
„Es geht um eine kritische Auseinandersetzung“
Sie erlebe nicht, dass sich Studierende komplett die Arbeit von KI machen lassen. „Das ist nicht der Sinn einer Universität“, sagt Bös. Sie selbst nutze bislang kaum Programme wie ChatGPT. „Ich habe zu einem gewissen Grad Bedenken, was die Umwelt angeht.“ Auf den enormen Stromverbrauch von KI-Rechenzentren – und damit negative Umweltauswirkungen – weist etwa die Organisation Greenpeace hin. Zudem sagt Bös: „Bis man einen ordentlichen Prompt geschrieben hat, hat man vieles schon selbst erledigt.“ Prompts sind dabei die Arbeitsanweisungen, die Nutzer an KI-Chatbots geben.
Bei Themen, mit denen man sich beispielsweise im wissenschaftlichen Kontext intensiver beschäftigt hat, falle zudem schnell auf, wie fehleranfällig die Antworten von KI sind. Den Umgang der Universität mit dem Thema findet sie „gut und realistisch“. Man könne nicht davon ausgehen, dass niemand KI nutzt. Sorgen, dass Künstliche Intelligenz die eigenen Jobaussichten verschlechtert, gebe es in ihrem Umfeld weniger. Was das Thema aber für die gesamte Gesellschaft und den Arbeitsmarkt bedeutet, darüber werde durchaus gesprochen. „Es geht um eine kritische Auseinandersetzung damit.“