Es begann an einem Abend im Januar 1986: In Radolfzell wurde eine 14-Jährige vermisst gemeldet, nachdem sie nach dem Besuch eines Jugendhauses verschwand. Ihr Fahrrad wurde später gefunden, von ihr fehlte jedoch zunächst jede Spur – bis ihre Leiche Wochen später im Wald entdeckt wurde. Sie war erstochen worden.

Die Polizei erhielt in der Zeit danach hunderte Hinweise und suchte monatelang nach dem Täter. Etwa ein Jahr später folgte nach einem falschen Zeugen und einer weiteren Straftat eine Festnahme. Und eine schreckliche Erkenntnis: Beim Täter handelte es sich um einen Bekannten der 14-Jährigen.

Große Suche – und erschreckender Fund

Wie der SÜDKURIER damals berichtete, wurde nach dem Verschwinden des Mädchens von einem Großaufgebot der Polizei nach ihr gesucht, auch ein Hubschrauber wurde eingesetzt. Erfolg hatten die Einsatzkräfte jedoch rund zwei Wochen lang nicht. Erst Ende Januar fand eine Suchmannschaft die Leiche des Mädchens im Altbohlwald. Die 14-Jährige war erstochen und im Dickicht vergraben worden.

Bei der Fahndung nach dem Täter konzentrierte man sich auf einen jungen Mann und einen hellen VW Golf. Denn, so heißt es im SÜDKURIER-Bericht, ein Zeuge habe beobachtet, wie ein solcher in der Güttinger Straße in Radolfzell „ein Mädchen, das weglaufen wollte, zurück in den Wagen zerrte“. Die Polizei ging davon aus, dass es sich dabei um die 14-Jährige gehandelt hatte.

Was die Ermittler damals jedoch noch nicht ahnten: Etwa ein Jahr später, im Frühjahr 1987, widerrief der angebliche Zeuge seine Aussage. Er wurde 1988 wegen seiner Falschaussage für acht Monate auf Bewährung verurteilt – da hatte die Polizei aber schon längst fast 3000 weiße VWs ausfindig gemacht, die Besitzer überprüft und nach Spuren gesucht. Wie der falsche Zeuge damals berichtete, habe er durch seine Aussage vor der Polizei unter anderem seinem Vater beweisen wollen, „dass er ‚ein richtiger Kerl‘ sein“, heißt es in einem SÜDKURIER-Artikel.

Festnahme ein Jahr später

Doch auch wenn der Mann die Ermittler lange Zeit in die Irre führte, gelang es diesen schlussendlich, den wahren Täter zu schnappen – jedoch mehr aus Zufall. Im Januar 1987, ziemlich genau ein Jahr nach dem Fund der Leiche, nahm die Polizei einen damals 24-Jährigen fest.

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Er wurde beschuldigt, seine 18-jährige Verlobte misshandelt und vergewaltigt zu haben. Laut der Kriminalpolizei hatte er der jungen Frau gedroht, sie zu erstechen und zu vergraben. Sie verständigte die Polizei – und diese stellte während der Vernehmungen einen dringenden Tatverdacht im Fall der ermordeten 14-Jährigen fest. Die Überraschung: Der 24-Jährige gehörte zum näheren Bekanntenkreis des Mädchens. Er bestritt sowohl die Tat an der 18-Jährigen, als auch den Mord.

Schwierige Gerichtsverhandlung

Im Oktober 1987 startete schließlich der Schwurgerichts-Prozess beim Landgericht Konstanz. Und der stellte sich als nicht leicht heraus: Die Familie des mittlerweile 25-Jährigen gab ihm ein Alibi und erklärte, er sei am Tag des Verschwindens der 14-Jährigen bis kurz vor 21 Uhr und nach 22 Uhr bei den Eltern zu Hause gewesen und nur dazwischen beim Jugendzentrum gewesen. Das Mädchen verschwand gegen 21 Uhr. Gleichzeitig berichtete die Vermieterin des 25-Jährigen, sie habe zwischen 20 und 20.30 Uhr ein Pärchen in seiner Wohnung gesehen.

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Zudem machten drei Zeugen aus dem Freundeskreis des jungen Mannes laut SÜDKURIER-Bericht „nicht nur recht unwillig und einsilbig im Zuhörerraum kaum verständliche Angaben, sie widersprachen sich auch gegenüber den bei der Polizei gemachten Ausgaben“. Erschwerend kam hinzu, dass zwei weitere Gäste des Jugendzentrums in Radolfzell von sich sagten, die Täter zu sein, vor der Polizei davon aber nichts mehr wissen wollten.

Fasern belasten den Mann

Es gab aber auch Dinge, die den 25-Jährigen deutlich belasteten. So berichtete seine Verlobte, er habe im Sommer und Herbst 1986 zweimal erzählt, die 14-Jährige ermordet zu haben. Er habe dabei berichtet, mit ihr in seine Wohnung gefahren und sie vergewaltigt zu haben. Als sie danach gedroht habe, ihn anzuzeigen, habe er sie ermordet. Auch weitere Zeugen belasteten den 25-Jährigen.

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Weiter wurden an der Kleidung der Ermordeten sowie an einem Schal unweit des Leichenfundortes Textilfasern gefunden, die zum Pullover des 25-Jährigen passten. Versuche bestätigten laut einem SÜDKURIER-Bericht, dass diese Fasern nicht durch eine reine Umarmung hätten übertragen werden können. Zudem seien weitere Spuren gefunden, die auf eine Vergewaltigung hinwiesen.

Kuriose Entwicklung zum Ende hin

Kurz vor der Urteilsverkündung kam es zu einem kuriosen Vorfall: Wie der SÜDKURIER schrieb, hatte sich ein anonymer Anrufer gemeldet und das Gericht aufgefordert, den Prozess zu stoppen, weil der 25-Jährige mit dem Mord an der 14-Jährigen nichts zu tun habe. Während der Verhandlung wurde nach diesem Anrufer gefragt – gemeldet habe sich jedoch niemand.

So berichtete der SÜDKURIER 1988 über das Gerichtsurteil.
So berichtete der SÜDKURIER 1988 über das Gerichtsurteil. | Bild: SK-Archiv

Der 25-Jährige wurde schließlich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt – wegen Vergewaltigung und Mord an der 14-Jährigen und Vergewaltigung, Nötigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung im Fall seiner 18-jährigen Verlobten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die 14-Jährige in seine Wohnung genommen, ihr Alkohol gegeben und sie vergewaltigt hatte. Weil sie das nicht habe hinnehmen wollen, habe er beschlossen, sie zu töten.

Verfahrensfehler, Revision – und Haft

Abgeschlossen war der Fall damit aber noch nicht. Nachdem die Verteidigung des 25-Jährigen wegen eines Verfahrensfehlers Revision einlegte, hob der Bundesgerichtshof das Urteil wieder auf. Das Verfahren wurde vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Waldshut neu aufgerollt.

Zu einem anderen Ausgang führte das aber nicht: Das Landgericht bestätigte im März 1990 das Urteil. Ein Revisionsantrag wurde im Herbst des gleichen Jahres vom Bundesgerichtshof verworfen, das Urteil wurde rechtskräftig – fast fünf Jahre nach dem Tod der 14-jährigen Radolfzellerin.