Es sind filmreife Szenen, die sich im Dezember 1975 auf der Bundessstraße 33 kurz vor Böhringen abspielen: Mit einem BMW drängen maskierte Männer einen Geldtransport der Bezirkssparkasse Radolfzell von der Straße ab und stoppen den Wagen. Danach bedrohen sie die Insassen mit Waffen und erbeuten so 500.000 D-Mark in einer Aktentasche – mit denen sie danach flüchten.

Monatelang beschäftigt der Raub die Region, ehe er 1977 schließlich vor Gericht landet – und dort erneut für Aufsehen sorgt. Und es bleibt auch nicht der einzige Überfall auf einen Geldtransport, mit dem sich die Polizei in der damaligen Zeit auseinandersetzen musste.

Dichte Grenzen und Fahrzeugkontrollen

Zunächst aber musste sich die Polizei mit dem Geschehnissen aus dem Dezember beschäftigen. Wie der SÜDKURIER am Tag nach dem Raubüberfall berichtete, wurde von der Polizeidirektion Konstanz sofort eine Großfahndung ausgelöst. „Schon drei Minuten später waren alle Grenzübergänge zur Schweiz dicht“, heißt es in dem Bericht.

Geschnappt werden konnten die Täter damals jedoch nicht, ihre Spur verlor sich. Lediglich das Auto der Täter, das zuvor in Hüfingen im Schwarzwald-Baar-Kreis gestohlen worden war, konnte im Wald gefunden werden – sowie Spuren im Schnee, die darauf hinwiesen, dass die Räuber die Flucht vermutlich mit einem Moped fortsetzten.

Um Hinweise auf die Täter zu bekommen, wurde eine hohe Belohnung ausgesetzt: Die Staatsanwaltschaft versprach 3000 Mark, die Bezirkssparkasse Radolfzell 5000 Mark und die Versicherung fünf Prozent des durch die Mitarbeit von Bürgern wiederbeschafften Geldes. Im besten Fall wären das 25.000 Mark gewesen.

Festnahmen im Januar

Tatsächlich wurden schließlich im Januar 1976 drei junge Radolfzeller festgenommen – zunächst wurde ihnen jedoch nicht der Überfall zur Last gelegt. Stattdessen bestand der Verdacht der Hehlerei und des Vergehens gegen das Waffengesetz.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie der SÜDKURIER damals berichtete, hatten zwei der Männer große Geldbeträge ausgegeben, „für deren Herkunft sie keine Erklärung haben“, beim dritten wurde vermutet, er könnte die Tatwaffen besorgt haben. Die Vorwürfe änderten sich jedoch schon bald: Ende März wurde allen drei Männern „aufgrund objektiver Beweise“ eine echte Tatbeteiligung an dem Überfall vorgeworfen.

Auffällige Ähnlichkeiten bei einem zweiten Fall

Parallel dazu bekam es die Polizei mit einem weiteren Überfall auf einen Geldtransport zu tun, wieder traf es die Bezirkssparkasse Radolfzell: Auf dem Weg nach Öhningen wurden der Leiter der dortigen Filiale und ein Kollege auf dem Schienerberg überfallen. Auch dieses Mal wurde der Wagen gerammt, wieder wurden die Sparkassenangestellten mit Waffen bedroht und zur Herausgabe des Geldes aufgefordert.

Sie flüchteten mit mehr als 57.000 D-Mark in einer Tasche, stahlen schlussendlich aber nur etwa die Hälfte. Die restliche Summe befand sich in einer Seitentasche, wurde von den Tätern dort übersehen und in ihrem auf einem Waldweg abgestellten Fahrzeug zurückgelassen. Auch dieser Wagen war zuvor gestohlen worden.

Schnelles Geständnis

Zu Festnahmen kam es in diesem Fall schon sehr schnell: Laut SÜDKURIER-Bericht vom 1. April 1976 wurden zwei junge Männer aus Radolfzell und Hemmenhofen noch am Abend des Tattages vorläufig festgenommen. Besonders brisant: Beide sollten laut SÜDKURIER-Bericht zum Freundeskreis der drei Radolfzeller gehört haben, die für den ersten Überfall im Dezember 1975 in Untersuchungshaft saßen.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie die Polizei berichtete, waren die beiden Männer schnell geständig, außerdem wurde noch ein dritter Mann aus Radolfzell festgenommen. Die Polizei konnte nach Hinweisen der Täter zudem die Beute vergraben im Wald finden. Welche Strafe die Männer für die Tat erwartete, geht aus den Berichten von damals jedoch nicht hervor.

Gerichtsverhandlung nach rund einem Jahr

Mehr Informationen gibt es dagegen zum ersten Fall aus dem Jahr 1975. Die drei zuvor verhafteten Radolfzeller stritten eine Tatbeteiligung ab, dennoch begann im Januar 1977 der Prozess gegen sie vor dem Landgericht Konstanz. Dem ältesten der drei Männer, einem damals 23-Jährigen, wurden dabei neben dem Überfall auf den Geldtransporter auch weitere Vergehen vorgeworfen.

Unter anderem sollte er in einen Sex-Shop eingebrochen sein, drei Bekannte als Prostituierte vermittelt und ein Auto gerammt und abgedrängt zu haben, um einem Mädchen Angst zu machen. Auch einem der anderen Männer, einem damals 19-Jährigen, wurden Bedrohung und Körperverletzung vorgeworfen.

Zeugen widerrufen und Angeklagter springt aus dem Fenster

Während des Gerichtsprozesses sorgte so manch kuriose Entwicklung für Aufmerksamkeit. So distanzierten sich mehrere Zeugen im Laufe des Prozesses von zuvor gemachten belastenden Aussagen, außerdem bekannte sich einer der Zuschauer schließlich selbst schuldig und erklärte, den Überfall verübt zu haben – nur, um später zu erklären, das alles nur erfunden zu haben.

Zum aber wohl ungewöhnlichsten Vorfall kam es kurz vor der Urteilsverkündung: In einer Verhandlungspause sprang der älteste der drei Angeklagten plötzlich aus dem Fenster des Landgerichts. Ein Polizeibeamter holte ihn jedoch schnell ein und brachte ihn zurück. Als Schuldbekenntnis wollte der Angeklagte seine Flucht jedoch nicht verstanden wissen: Er wolle keinen Tag länger sitzen, zitierte der SÜDKURIER ihn damals.

Das könnte Sie auch interessieren

Verurteilt wurde er dennoch, zu acht Jahren Haft für gemeinschaftliche räuberische Erpressung, des Versuchs der räuberischen Erpressung, des gemeinschaftlichen Diebstahls, der Zuhälterei und der Förderung der Prostitution. Einer seiner Mitangeklagten wurde vollständig freigesprochen, der andere erhielt wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt eine Woche Dauerarrest.

Nach Jahren wird ein Teil der Beute gefunden

Doch damit war der Fall nicht beendet. Im Sommer 1983 wurde ein Fünftel der Beute schließlich doch noch gefunden – vergraben in einem Waldstück in Radolfzell. Ausschlaggeben gewesen sei ein Hinweis, „dass der damals verurteilte Haupttäter während seines Hafturlaubs im Herbst 1982 zufällig von einer Person gesehen worden war, wie er mit Grabwerkzeug in einem Waldstück bei Radolfzell verschwand“, wie der SÜDKURIER schrieb. Der Verurteilte hatte seine Strafe zum Zeitpunkt des Geldfundes bereits abgesessen.

Das könnte Sie auch interessieren

Er stritt danach laut einem SÜDKURIER-Bericht auch weiterhin ab, etwas mit dem Überfall zu tun gehabt zu haben, außerdem sei er 1982 auch nicht in dem Waldstück gewesen. 1991 wurde zudem bekannt, dass sein Anwalt einen Antrag auf Zulassung und Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens gestellt hat.

Ob dieses tatsächlich stattfand, geht aus den Berichten jedoch nicht hervor. Auch die Staatsanwaltschaft Konstanz und das Landgericht Waldshut, das für das Wiederaufnahmeverfahren zuständig gewesen wäre, können auf Nachfrage keine Antwort geben. Da das Ereignis bereits über 30 Jahre zurückliegt, dürften die Akten bereits ausgesondert sein, erklärt das Landgericht Waldshut.