Bis zuletzt war sie sich keinerlei Schuld bewusst: Vielmehr witterte eine 73-Jährige eine Verschwörung gegen sie.

Dabei war sie selbst es, die ihren Nachbarn fälschlicherweise einer Straftat bezichtigt und sich damit wegen falscher Verdächtigung strafbar gemacht hatte.

Das Verfahren vor dem Amtsgericht war nicht der erste Anlass für die Justiz, sich mit der 73-Jährigen auseinanderzusetzen: Seit mehr als fünf Jahren herrscht ein erbitterter Nachbarschaftsstreit zwischen ihr und zahlreichen anderen Bewohnern eines Mehrparteienhauses im westlichen Kreisgebiet. Nicht wenige von ihnen waren auch erschienen, um dem Prozess als Zuschauer beizuwohnen.

Gefälsches Bild soll für Schmerzensgeld sorgen

„Eine gegen alle“ oder „Alle gegen eine“ – final geklärt werden konnte diese Frage in der Verhandlung vor dem Amtsgericht nicht. Fest steht, dass die Rentnerin in den vergangenen Jahren gleich mehrere ihrer Nachbarn angezeigt hat und auch sonst mit zahlreichen Beschuldigungen per Brief auffiel.

Dabei war sie offenbar auch bereit, zu unlauteren Methoden zu greifen. Unter anderem hatte sie in ein Zivilverfahren wegen einer möglichen Schmerzensgeldzahlung ein gefälschtes Bild eingebracht, um eine vermeintliche Wunde zu beweisen.

Trotz Video vom Vorfall: Angeklagte bleibt bei ihrer Darstellung

Im Januar 2024 kam es zu einem weiteren Vorfall, der für sie erstmals strafrechtliche Folgen haben sollte: Bei einer Streitigkeit um einen Aushang am Schwarzen Brett des Hauses kam es zu üblen verbalen Anfeindungen von einem Nachbar gegenüber der Angeklagten.

Kurzerhand machte sich diese auf den Weg zur Polizei. Doch anstatt dort wahrheitsgemäß eine Beleidigung anzuzeigen, warf sie ihrem Nachbarn vor, sie geschlagen zu haben. Dabei habe sie sich sogar „eine Art Prellung“ zugezogen. Da dieser Vorwurf frei erfunden war, erhielt sie vom Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von 1600 Euro.

Selbst der Verteidiger der Angeklagten wirkte stellenweise verzweifelt über die teils absurden Aussagen seiner Mandantin. Diese behauptete zum einen, dass sie von ihrem Nachbarn im Treppenhaus tatsächlich körperlich angegangen wurde und ließ sich von dieser Aussage auch nicht durch ein Video abbringen, das eindeutig das Gegenteil belegte. Dieses hatte der Nachbar mit seinem Smartphone angefertigt. „Ich traue mich ohne laufende Handykamera gar nicht mehr vor die Tür“, erzählte dieser vor Gericht. Zu groß sei die Angst vor weiteren falschen Vorwürfen.

Angeklagte glaubt an Manipulation der Ermittlungsakte

Doch die Angeklagte hatte eine weitere Ausrede parat: Das von der Polizei angefertigte und von ihr signierte Vernehmungsprotokoll, in dem sie von einem Schlag und einer Verletzung berichtet, habe rein gar nichts mit der wirklichen Vernehmung zu tun.

„Ich habe niemals von einem absichtlichen Schlag geredet. So ein Protokoll hätte ich auf keinen Fall unterschrieben“, so die Rentnerin. „Glauben Sie denn, dass jemand die Akte gehackt oder sonst irgendwie manipuliert hat?“, fragte Richterin Stefanie Hauser.

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Die Angeklagte äußerte tatsächlich die Vermutung, dass der Rechtsanwalt des Nachbarn oder die Staatsanwaltschaft das echte Vernehmungsprotokoll gegen eine Fälschung ausgetauscht hat – eine unbegründete Unterstellung, die weitere strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte, wie Staatsanwältin Katharina Bisegger auf Nachfrage bestätigte.

Für Hauser war spätestens zu diesem Zeitpunkt klar: „Sie steigern sich immer weiter in ihre Geschichte rein und wittern überall eine Verschwörung.“

Richterin macht ihrem Unmut Luft

Nach einer stundenlangen Vernehmung etlicher Zeugen, von denen es kaum einer aus dem Gerichtssaal schaffte, ohne von der Angeklagten weiterer Straftaten bezichtigt zu werden, machte die Richterin dann ihrem Unmut Luft. „Ihr ganzes Agieren hat ein nicht mehr hinnehmbares Ausmaß angenommen. Die Justiz muss das ausbaden“, so Hauser. In der Tat laufen neben dem Strafverfahren auch Zivilverfahren vor dem Landgericht und gleich mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Staatsanwälte.

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Vor dem Amtsgericht Bad Säckingen wollte die Rentnerin laut eigenen Aussagen dafür kämpfen, „Gerechtigkeit“ zu bekommen und forderte ihren Verteidiger Wolfgang Schreiber folgend einen Freispruch vom Vorwurf der falschen Verdächtigung.

73-Jährige muss Geldstrafe zahlen

Doch Richterin Hauser schloss sich stattdessen der Forderung der Staatsanwaltschaft an und erhöhte die im Strafbefehl vorgesehene Geldstrafe kurzerhand von 25 auf 40 Tagessätze zu je 40 Euro. Bisegger hatte dies in ihrem Plädoyer mit dem uneinsichtigen Einlassungsverhalten vor Gericht begründet.

Ob der Nachbarschaftsstreit mit dem Urteil beigelegt werden kann, bleibt unklar. Richterin Hauser jedenfalls konstatierte zum Ende der Verhandlung: „So wie es ist, kann es schlicht und ergreifend nicht weitergehen.“