Wollte man das außenpolitische Geschehen der zurückliegenden Woche unter einem Aktendeckel ablegen, so müsste man auf ihn das Wort „Luftalarm“ schreiben. Zwei russische Kampfjets und ein Aufklärungsflugzeug wurden von Abfangjägern der Nato gestellt, während man in Polen noch nach den Trümmern abgeschossener Drohnen suchte, die 14 Tage zuvor aus Russland eingeflogen waren.

Selbst bei wohlwollender Betrachtung fällt es schwer, dahinter keine Methode des früheren KGB-Offiziers Wladimir Putin zu vermuten.

Die Indizien sind erdrückend: Weder dringen mehr als 20 Kamikazedrohnen „versehentlich“, wie Russland behauptet, in den Luftraum eines Nachbarn ein, noch schalten Jet-Piloten ohne Grund die Funksignale ab, damit sie sich dumm stellen können, wenn man sie erwischt.

Unerklärter hybrider Krieg gegen den Westen

Fakt ist: Der Kreml führt seinen unerklärten hybriden Krieg gegen den Westen nicht nur im Luftraum über deutschen Kasernen, Industrieanlagen oder – wovon Experten ausgehen – nun auch über dänischen Flughäfen, die den Verkehr zeitweise einstellen mussten.

Das grenznahe Hoheitsgebiet Polens wird von der russischen Seite in seine Strategie einbezogen. Und deren Kalkül ist diese Woche voll aufgegangen.

Der Luftalarm kam dazwischen

Warum? Keiner spricht mehr von den für Russland brisanten Plänen, die kürzlich in aller Munde waren. War da nicht was? Westliche Politiker machten fast täglich neue Vorschläge, wie man durch eigene Truppen einen Waffenstillstand oder gar einen Frieden in der Ukraine absichern könnte.

Man hatte fast den Eindruck, Putin bleibe gar nichts anderes übrig, als seinen Truppen die Feuereinstellung zu befehlen. Und nun? Funkstille an dieser Front. Der Luftalarm kam dazwischen.

Putin kann diebisch lächeln

Diebisch lächeln kann Putin auch über die vielstimmigen und teilweise fast alarmistischen Reaktionen auf die Provokationen seiner Luftwaffe. Jene reichen bis zur Forderung nach dem Abschuss der Eindringlinge, wobei nicht nur Militärs wissen, dass Waffengewalt immer nur ein letztes Mittel ist.

Selbst die Drohung damit ist wertlos, wenn sie nicht umgesetzt wird, weil sich die Lage im Luftraum als komplizierte Grauzone erweist.

Man darf nicht vergessen: Der Trick der Provokation ist, nur zu provozieren und nicht wirklich zu bedrohen. Putins Generäle könnten eine nur harmlose Luftraumverletzung anordnen, und dann würde der Kreml einen Abschuss nutzen, um den Konflikt in seinem Sinne zu steuern und sich in seinem Narrativ als Opfer zu inszenieren. Am Ende läge der Schwarze Peter der Eskalation bei der Nato, und Putin hätte erneut einen Punktsieg eingefahren.

Bei der Abwehrfähigkeit sieht es mau aus

Kluge Politik muss dagegen versuchen, Abwehrbereitschaft glaubhaft zu machen, ohne sich vom Gegner aus der Reserve locken und zu Äußerungen verleiten zu lassen, die sich als heiße Luft erweisen. Zunächst: Die Abwehrbereitschaft der Nato ist da, nur mit der Abwehrfähigkeit sieht es mau aus.

Das betrifft vor allem die Bedrohung durch Drohnen. Die Technik ist zwar – auch dank deutscher Ingenieure – entwickelt. Bis sie aber mit Masse bei der Truppe ist, vergeht noch einige Zeit.

Was dagegen schnell gehen kann, ist die Kontrolle über die Themen, die durchdekliniert werden müssen. Nicht Putin darf die Agenda bestimmen, der Westen muss es tun. Ob nun zwei oder vier Eurofighter der deutschen Luftwaffe über Polen Wache fliegen, ist eine Entscheidung eher symbolischer Natur.

Provokation ist ein Zeichen von Schwäche

Ob aber die Ukraine neueste Waffen- und Abwehrtechnik erhält oder diese mit Westeuropäern zusammen gebaut wird und ob ihre Munitionslager aufgefüllt sind, das entscheidet über die Frage, wie lange dieser von Russland grausam geführte Krieg noch dauert.

Eines sollte man wissen: Provokation ist zugleich ein Zeichen von Schwäche. Das trifft auch auf Russland zu. Putin greift zu einer Nadelstich-Politik, weil er den Westen von innen heraus destabilisieren muss, um seine Ziele zu erreichen.

Wer wirklich stark ist, verlässt sich auf Armee, Technik und Ressourcen. Und auf sein Geld. Das ist in Russland begrenzt, weshalb seine Kriegskasse mit dem Einbruch bei Öl- und Gasverkäufen austrocknen würde.

Zwar hat US-Präsident Donald Trump diese Woche ein schiefes Bild gewählt, als er Russland als „lahmen Tiger“ bezeichnete und den Bären vergaß. Aber ökonomisch betrachtet trifft er den wunden Punkt. Umso besser, wenn sich der wetterwendische Trump endlich darauf besinnt, wo Freund und Feind wirklich stehen. Geschieht das, wächst der Nato Stärke zu – und der Ukraine neue Hoffnung auf einen Frieden.