Liebe Frau Steinmüller,
in dieser Woche war Ihre Haushaltsrede in aller Munde. Aber nicht aufgrund des Inhalts, sondern wegen Ihres Begleiters, der an Ihren Bauch geschnallt selig schlummerte. Sie hatten Ihr wenige Monate altes Baby mit in die Sitzung gebracht. Das hatten Sie aber nicht geplant, wie Sie später in mehreren Interviews sagten. Ihr Kollege habe Ihnen angeboten, Ihnen Ihren Sohn abzunehmen. Aber dann habe er so friedlich geschlafen, dass Sie ihn nicht wecken wollten – sonst hätte es Tamtam gegeben.
Ich, als kinderlose junge Frau, kann da gar nicht mitreden. Ich weiß gar nicht, wie schwierig es ist, Betreuungsplätze zu finden, zusätzlich zum Beruf kostenlose Care-Arbeit zu leisten und wie froh man sein muss, wenn das Kind endlich eingeschlafen ist.
Ein Bild, das in die Öffentlichkeit gehört
Ich, als kinderlose junge Frau, kann aber sehr wohl darüber mitreden, was das Bild von Ihnen und Ihrem Baby bei der Arbeit bei mir und vermutlich vielen weiteren jungen Frauen auslöst: Das Gefühl, dass man vielleicht doch alles erreichen kann. Kind und Karriere. Mutter sein zu können und sich trotzdem noch eigenen Zielen zu widmen. Das ist das Bild, das Sie, wie niemand sonst vor Ihnen (zumindest nicht im Plenarsaal) prominent in der Öffentlichkeit platziert haben. Dabei ist das Thema nichts Neues, auch für Sie nicht: Schon vor der Sommerpause waren Sie mit Baby im Plenarsaal, haben auf Instagram über die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft gesprochen.
Böse Zungen behaupten deswegen, Sie würden ihr Baby jetzt instrumentalisieren. Manche kritische Stimme ging sogar so weit, sich um das Wohl Ihres Kindes zu sorgen oder sich zu mokieren, dass es andere Mütter in anderen Berufen ja nicht so einfach hätten.
Es braucht Veränderung
Den ersten Punkt kann ich nachvollziehen, angesichts mancher Gestalten, die im Bundestag sitzen. Bei den anderen Punkten wird etwas übersehen: Abgesehen davon, dass Abgeordnete gar keinen Anspruch auf Elternzeit haben und auch die Konstanzer Abgeordnete Lina Seitzl (SPD) schon sagte, dass es für Kind und Mandat ein gehöriges Organisationstalent braucht, ist das doch genau der Punkt, den Sie machen wollen.
Dass Frauen Kinder kriegen, wird von der Gesellschaft schon fast erwartet. Aber wo soll man dann mit den Kindern hin, wenn sie da sind? Kita-Plätze? Fehlanzeige. Care-Arbeit? Meist ungleich verteilt. Spätestens beim Renteneintritt bekommen Millionen Frauen dann die Rechnung für die aufopferungsvolle Mutterrolle. Welche junge Frau, die Freude an ihrem Beruf hat, hat da noch Lust, Mutter zu werden? Dass also über Ihr Baby im Jahr 2025 in Zeiten von kontinuierlich sinkenden Geburtenraten noch diskutiert werden muss, ist bemerkenswert.
Also liebe Frau Steinmüller: Bringen Sie Ihr Baby weiter mit, bis auch der Letzte verstanden hat, dass sich in der Gesellschaft und im Arbeitsleben dringend etwas ändern muss.