Die Weinlese in der Region hat begonnen. Seit Anfang der Woche wird in den Rebhängen am See kräftig gewimmelt. Lesehelfer und Traktoren prägen das Bild in den teils steilen Hängen. Geerntet werden die Trauben für die unterschiedlichsten Betriebsformen. Für Großproduzenten, wie das Staatsweingut, für die Genossenschaft des Winzervereins oder für das eigene Weingut. Wie die Lese in den kleineren Betrieben abläuft, erzählen die Meersburger Winzerin Lucie Wurst und der Weinbauingenieur Mathias Bernhard aus Daisendorf.
Unter den Winzern, die ihre Trauben an den Winzerverein liefern, gibt es wenig aktive Winzerinnen. Eine von ihnen ist Lucie Wurst. Schon in jungen Jahren hat sie den elterlichen Hof übernommen, da der Vater aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten musste. „Ich war damals als Frau schon ein Exot mit meinem Schmalspurtrecker auf der Bundesstraße“, erzählt sie lachend. Die Ausbildung zur Winzerin durfte damals noch auf dem elterlichen Hof stattfinden. „Mein Vater war lange im Vorstand der Genossenschaft“, erklärt Wurst und es sei eigentlich nie der Gedanke aufgekommen, die Weintrauben selber zu vermarkten.

Terminvorgaben des Winzervereins
„Man muss sich nicht viele Gedanken um die Vermarktung des Weins machen“, nennt die Winzerin einen Vorteil der Abgabe der Trauben an die Genossenschaft. „Trotzdem müssen wir gute Botschafter für unseren Wein sein und sind angehalten unsere Ideen einzubringen“, erläutert sie andererseits die Pflichten. Zudem seien sie an die Terminvorgaben des Winzervereins gebunden. Die Abgabe der Trauben in der Produktionsstätte in der Unterstadt werde entweder nach Sorten oder regionsweise nach Lagen geregelt. Der Vorstand gibt nach Rebschauen den richtigen Zeitpunkt zur Lese an. Das höre sich starr an, „aber man kann auch miteinander kommunizieren“, fügt Wurst ein.
„Der Erfolg der Genossenschaft hängt an uns allen, Winzern und Kellermeister, das ist ein Kreislauf“, meint die Winzerin. „Die kontinuierlich planbaren Finanzen sind ein weiterer Vorteil der Mitgliedschaft der Genossenschaft“, fügt Wurst an. Zusammen mit ihrem Mann führt sie den Hof als Vollerwerbsbetrieb und baut neben den Weinreben auch diverse Obstsorten an. Sie produzieren Säfte und eigene Edelbrände, die im ganzjährig geöffnetem Hofladen angeboten werden.

Corona eine Herausforderung
Corona-bedingt haben sich in diesem Jahr neue Herausforderungen gestellt. Zu einem die verstärkte Bürokratie für die Aushilfskräfte, diese brauchen vor Beginn einen negativen Coronatest und müssen täglich ihren Gesundheitszustand melden, zum anderen mussten sie eine mobile Hygienestation erstellen. „Einen ganzen Tag haben wir an dem Wagen herumgebastelt bis Handtuch und Desinfektionsspender, ein Wassertank, Seifenbehälter und vieles mehr montiert waren“, erläutert Wurst den Aufwand. Rund zehn Hilfskräfte benötige sie jedes Jahr für die Lese, viele seien Rentner und seit langen Jahren dabei.
Wo bei Lucia Wurst die Arbeit mit der Abgabe der Trauben an den Winzerverein endet, geht sie auf dem Weingut von Mathias Bernhard ins nächste Stadium. Der studierte Weinbauingenieur verarbeitet seine Trauben auf dem Hof bis zur Abfüllung des Weins in die Flasche. Dabei gehört er mit seien drei Hektar Rebfläche zu den kleineren Weingütern. Sofort nachdem die Trauben gelesen werden, geht die Produktion los. „Die Trauben dürfen für die Verarbeitung nicht warm werden“, erklärt der Weinbauer. In einer Maschine werden die Trauben innerhalb von Minuten von Stielen gelöst und dabei leicht angeritzt, damit sie saften. „Die Stiele müssen abgetrennt werden, da diese Gerbstoffe enthalten, welche den Wein bitter machen würden“, erklärt er die Notwendigkeit. Nach kurzer Standzeit werden die Trauben dann in der nächsten Maschine mittels Luftmembran gepresst. „Die Standzeit ist für die verschiedenen Sorten unterschiedlich“, erklärt der Fachmann weiter, Rosé stehe länger wegen der Farbgewinnung.

Bei eigenem Produkt den Preis selber regulieren
Der gepresste Traubensaft wird anschließend in die Edelstahltanks im Keller gefüllt, wo er die nächsten Monate zum Wein reifen kann. Für den Rotwein hat er zudem noch Eichenfässer. „Etwa Anfang März leihe ich mir dann eine mobile Abfüllanlage, um den Wein in die Flasche zu füllen“, erläutert er vereinfacht den groben Ablauf des weitergehenden Prozesses. „Klar ist das ein größer Aufwand, als die Trauben woanders abzugeben“, antwortet Bernhard auf Nachfrage. „Die Anschaffung der Maschinen und der Ausbau des Kellers haben zuerst Kosten verursacht und es erfordert größeres Know-how“, bestätigt er. „Aber ich habe mein eigenes Produkt, kann meinen Wein selber vermarkten und den Preis nach Aufwand selber regulieren.“
Sobald die Trauben reif sind, könne er sie ernten und verarbeiten. „Ich kann außerdem nach Wetterlage flexibel reagieren“, führt als weiteren Vorteil auf. Zudem kann er dem Wein seinen eigenen Stil geben und verfeinern. Während seines Weinbaustudiums schrieb er seine Diplomarbeit über die Aromenforschung und ein Praxissemester in Neuseeland rundete die Ausbildung ab.

Ausfall der Weinfeste für kleine Weingüter ein Problem
Vor sieben Jahren hat er den elterlichen Hof übernommen, auf dem bereits seit mehreren Generationen Edelbrände destilliert wurden. Der Berufswunsch war ihm schon früh klar und er erweitert die Vielfalt, so baut er seit 2017 auch Sauvignon Blanc-Reben an. Corona-bedingt ist auch bei ihm der Verkauf runter und wieder rauf gegangen. „Ein Problem für uns kleine Weingüter ist aber der Wegfall der Weinfeste gewesen“, sagt Bernhard, diese wären immer ein guter Absatzmarkt gewesen.
Ein guter Jahrgang wird erwartet
Einig sind sich beide Betriebsinhaber, dass es dieses Jahr einen guten Jahrgang geben werde. Und beide bekundeten unabhängig voneinander, dass die Arbeit ohne die tatkräftige Hilfe und den Rückhalt der Familienmitglieder nicht machbar sei. „Ich habe meinen Beruf immer gerne gemacht und freue mich, dass auch mein Sohn sich für den Weinbau entschieden hat“, sagt Lucie Wurst.