Der Tübinger Professor Michael Butter bezeichnet ihn als Verschwörungstheoretiker. Er warnt davor, unkritisch aufzusaugen, was Daniele Ganser über Krieg und Krankheit spricht. Ganser, Vortragsreisender aus der Schweiz, sei ein „Star der verschwörungstheoretisch-populistischen Gegen­öffentlichkeit“, betont Butter.

Ganser hält am 12. September in Owingen einen Vortrag zu der Frage „Warum ist in der Ukraine ein Krieg ausgebrochen“. Gegen seien Auftritt und seine Thesen formiert sich Widerstand. Die „Omas gegen Rechts“, Ortsgruppe Bodensee, stellen klar: „Der Krieg ist nicht ausgebrochen. Nein, die Ukraine wurde überfallen.“

Der Eintritt zu dem Vortrag Gansers kostet 30 Euro, zwei Veranstaltungen sind ausverkauft. Das Pikante: Die Veranstaltung findet in den öffentlichen Räumen der Gemeinde Owingen statt. Der Bürgermeister sieht keinen Anlass, die Veranstaltung in seinen Räumen zu verhindern.

Genozid und Corona-Impfungen in einem Atemzug genannt

Ganser ist Publizist. Seine Bücher tragen Titel wie „Imperium USA – Die skrupellose Weltmacht“ oder „Nato – Geheimarmeen in Europa“. Er verbreitet Anti-Amerikanismus und nennt die weltweite Corona-Politik in einem Absatz mit dem Genozid an den Juden. Ganser behauptet, es sei bewiesen, dass am 11. September das Gebäude WTC7, ein Nachbargebäude der Twin Towers, gesprengt worden sei. Die Geschichte der Terroranschläge müsse neu geschrieben werden.

„Nein, ich stelle Corona nicht auf die gleiche Stufe wie den Völkermord an den Juden im Dritten Reich.“ Daniele Ganser
„Nein, ich stelle Corona nicht auf die gleiche Stufe wie den Völkermord an den Juden im Dritten Reich.“ Daniele Ganser | Bild: Dirk Waechter

Wer sich einmal die Mühe macht, auf Youtube einen Vortrag Gansers anzuhören, stellt fest: Der Mann hat Charme, er ist eloquent. Er ermuntert sein Publikum dazu, staatlichen Stellen und etablierten Medien gegenüber mit Skepsis zu begegnen. Sie operierten mit Angstmache. Doch wer ihm selbst nun folgt, frei von Skepsis dem Referenten gegenüber, könnte selbst in Angst verfallen, vor einer dunklen Welt, in der geheime Mächte wirken.

Methode Ganser: Thesen andeuten und soziales Netz als Verstärker nutzen

Professor Butter untersuchte „die Methode Ganser“ ausführlich. „Wie bei einem Guru und seinen Jüngern beruht die Beziehung zwischen Ganser und dem harten Kern seiner Fans auf dem Versprechen von Erleuchtung und Exklusivität.“ (Michael Butter 2019 in republik.ch, Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur). Ganser stelle meist nur Fragen, die absurdesten Theorien verbreiteten dann seine Anhänger in den sozialen Medien ganz von selbst. In einem SÜDKURIER-Interview sagte Butter: „Er macht das sehr geschickt, ohne herumzubrüllen, sondern sehr bedächtig und professionell.“

Das könnte Sie auch interessieren

Die Organisation „Omas gegen Rechts“, Ortsgruppe Bodensee, bezeichnet Ganser als „rechtsoffenen Verschwörungsideologen, der schon seit Jahren Kontakte in die rechte Szene in Deutschland pflegt.“ Sie halten es „für dringend notwendig, klare Kante zu zeigen, wo unsere Demokratie in Gefahr ist.“ Für Montag haben sie einen Infostand in Owingen angekündigt.

Die „Omas gegen Rechts“ platzieren ihren Protest am Montag vor dem Kultur-O.
Die „Omas gegen Rechts“ platzieren ihren Protest am Montag vor dem Kultur-O. | Bild: Hilser, Stefan

Im oberbayerischen Bad Aibling tritt Ganser am 24. und 25. September drei Mal auf. Erster Bürgermeister Stephan Schlier sieht keine rechtliche Handhabe, den Auftritt im städtischen Kurhaus zu verhindern. Denn das Haus sei an eine Betreibergesellschaft verpachtet. Er persönlich, so Schlier gegenüber dem SÜDKURIER, missbillige den Auftritt Gansers in seiner Stadt.

Protestbrief mit mehr als 200 Unterzeichnern

Gegen den Auftritt im Kurhaus gibt es einen Protestbrief, den über 200 Vertreter aus Politik und Gesellschaft unterzeichneten, darunter Charlotte Knobloch (Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde). Sie bezeichnen Ganser als „Verschwörungstheoretiker“ und „selbsternannten Friedensforscher“, der Verbindungen in rechtsgerichtete Kreise zu Jürgen Elsässer halte, dem Chefredakteur des Magazins „Compact“, das der Bundesverfassungsschutz seit Dezember 2021 als „gesichert extremistische Bestrebung“ einstuft.

Ganser bezeichnet sich selbst nicht als Verschwörungstheoretiker. „Das ist eine Abwertung und falsch“, schrieb er auf SÜDKURIER-Anfrage. „Ich bin Historiker und Friedensforscher.“ Er stellt nicht in Abrede, dass er Kontakt zu Jürgen Elsässer unterhielt. Auf unsere Anfrage hin betonte Ganser jedoch: „Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr in Kontakt mit Jürgen Elsässer.“

Umstrittene Äußerungen Gansers

Im Film „Pandemned“ bezeichnet Ganser den Judenmord als „Wahnsinn“, der im Gegensatz zu einer Spaltung zwischen Corona-Geimpften und -Ungeimpften aber ein lokal begrenzter „Wahnsinn“ gewesen sei. Damit stellt er ganz augenfällig den Völkermord an den Juden und die Corona-Politik auf eine Stufe. Dazu befragt, antwortete Ganser dem SÜDKURIER: „Nein, ich stelle Corona nicht auf die gleiche Stufe wie den Völkermord an den Juden im Dritten Reich. Ich sage, dass Spaltung ein großes Problem in der Gesellschaft ist. Die Corona-Politik hat die Gesellschaft gespalten, das ist gefährlich, davor habe ich gewarnt.“

Owingens Bürgermeister könnte Auftritt verhindern

Owingens Bürgermeister Henrik Wengert hätte zwar die Möglichkeit, den Auftritt zu verbieten. „Einen Vortrag zur Infragestellung der Corona-Politik etwa hätten wir als Mitglied der staatlichen Familie gewiss nicht zugelassen.“ Den Vortrag Gansers lässt er zu. Er teilte mit, dass die Nutzungsordnung für den Veranstaltungsraum Kultur-O „kein ausdrückliches Extremistenverbot“ vorsehe. Die Entscheidung über die Zulassung einer Veranstaltung obliege der Gemeinde, es gebe keinen Anspruch auf die Nutzung ihrer öffentlichen Räume. Wengert: „Selbstverständlich fragen wir beim Überlassungsantrag immer die Art der geplanten Veranstaltung und im Fall von Vorträgen das Thema ab.“ Für den 12. September sei das Thema „Wie kam es zum Ukraine-Krieg?“ angekündigt worden. Daran gebe es offenbar ein Interesse in der Bevölkerung.

„Da müsste schon ein expliziter Hinweis, beispielsweise von Behörden des Verfassungsschutzes, vorliegen.“ Henrik Wengert, ...
„Da müsste schon ein expliziter Hinweis, beispielsweise von Behörden des Verfassungsschutzes, vorliegen.“ Henrik Wengert, Owinger Bürgermeister | Bild: Hanspeter Walter

Einen Hinderungsgrund für Gansers Auftritt sieht die Gemeinde nicht, zumal er darin einen Eingriff in die Meinungsfreiheit sehen würde. Wengert: „Da müsste schon ein expliziter Hinweis, beispielsweise von Behörden des Verfassungsschutzes, vorliegen.“ Trotzdem nehme er die Presseanfrage zum Anlass, „den Inhalt unserer Benutzungsordnung dahingehend mit dem Gemeinderat nochmals zu diskutieren“.

Auch Kommunalpolitiker warnen

Michael J. Wilkendorf, Kommunalpolitiker der SPD in Überlingen, hält Ganser für „einen intelligenten aber gefährlichen Menschen“. Es handle sich „um einen rechtsgerichteten Verschwörungstheoretiker“, gegen den alle demokratischen Parteien gemeinsam aufstehen müssten. Er und weitere Parteien aus Überlingen hätten gemeinsam versucht, eine Gegenveranstaltung auf die Beine zu stellen, was kurzfristig nicht gelungen sei. Sie wollten aber ein Zeichen setzen und gemeinsam mit der Organisation „Omas gegen Rechts“ Flugblätter vor dem Kultur-O verteilen. Darüber hinaus sei es ihnen wichtig, dass sich die Kommunen gegen derartige Auftritte wappnen und Nutzungssatzungen für öffentliche Räume fassen, die es rechtssicher ermöglichen, Auftritte wie den von Ganser zu verhindern.

„Ich halte Daniele Ganser für intelligent und gefährlich.“ Michael Wilkendorf, SPD
„Ich halte Daniele Ganser für intelligent und gefährlich.“ Michael Wilkendorf, SPD | Bild: SK